Читать книгу Die Katholizität der Kirche - Dominik Schultheis - Страница 27
4.2.1.2Katholizität bei Philipp Melanchthon
ОглавлениеPhilipp Melanchthon versucht die theologische Haltung und Orthodoxie der sich zunehmend herausbildenden reformatorischen Kirchen, welche seiner Meinung nach in ungebrochener Kontinuität zur Kirche der Väter stehen, als eine nicht mehr zu leugnende Wirklichkeit neben der „ecclesia Romana“ darzulegen. Dabei lässt er – bedingt durch die auf das lutherische Rechtfertigungsverständnis konzentrierte Frage nach der Orthodoxie der reformierten Kirchen – in seinem, wie Wiedenhofer konstatiert, sich entwickelnden, aber seit 1530 wesentlich einheitlichen Kirchenbegriff eine Tendenz zu einer Konfessionskirche spürbar werden.135 Anders als Luther, bei dem wahre (die reformierte) und falsche (die römische) Kirche in einem Kirchentum im „eschatologischen Streit beieinander“136 waren, sieht er beide „Kirchen“ sich zunehmend als Kontrahenten gegenüber stehen, unbeschadet dessen, dass es in der „ecclesia Romana“ durchaus Glieder der wahren Kirche (Catholica) geben könne.137 Wiedenhofer bescheinigt Melanchthon eine zwar unter formalen und strukturellen Gesichtspunkten überraschende Nähe zum zeitgenössischen katholischen Kirchenverständnis, betont aber zugleich dessen dezidierte inhaltlich pointierte Gegenposition.138
In Melanchthons Kirchenverständnis verschiebt sich stärker als bei Luther der Akzent auf eine Kirche als empirische Größe: „Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure dicetur et recte administrantur sacramenta“139. Damit übernimmt Melanchthon Luthers nichtinstitutionellen Ansatz eines Kirchenverständnisses, legt für ihr Wesen jedoch zugleich institutionelle Elemente zugrunde: Die Versammlung der „wahren“ Kirche („ecclesia congregata“) geht zwar vom Wort Gottes aus; dieses aber ergeht „nicht einfach unvermittelt und frei […], sondern vom ministerium Evangelii vermittelt“140. Damit misst Melanchthon der an sich nichtinstitutionellen „congregatio sanctorum“ im Amt eine evidente Größe bei.141
Konsequenterweise überträgt Melanchthon die bei Luther für die empirische Kirche nur zweitrangige Frage nach der Katholizität auf die sichtbare „lutherische“ Kirche: „Die Kirchen, die unser Bekenntnis angenommen haben, sind wahrhaftig Glieder der katholischen Kirche, da ja die Lehre unserer Kirche mit derjenigen der Alten Kirche übereinstimmt“142. Demgemäß versteht er die Katholizität im offenbarungstheologischen Sinne, meint mit ihr aber keine nota ecclesiae im alten Sinne. Vielmehr versteht er darunter eine überempirische, geistliche Größe, die der Kirche allgemein zukomme, „da sie die Menschen über die verschiedenen Traditionen hinaus auf den einen Christus hin eint. Christen stimmen im Evangelium zusammen, haben denselben Heiligen Geist und dieselben Sakramente.“143 Wie Luther interpretiert auch Melanchthon die klassischen notae als dynamische Vorgänge, als ein Geschehen von Rechtfertigung.144