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1.3Die Verwendung in LG
ОглавлениеDie am Ende der dritten Sitzungsperiode am 21.11.1964 verabschiedete Konstitution „Lumen Gentium“ (LG), das ekklesiologische Herzstück des Konzils, verwendet achtzehnmal das Adjektiv „catholicus“ (vgl. LG 8,2; 13,2.4; 14,1; 23,1; 25,1.3; 26,1; 28,4; 54; 67) und zweimal das Substantiv „catholicitas“ (vgl. LG 13,3 und 23,4).
LG 8 verwendet das Adjektiv „catholicus“ dreimal. Zunächst führt der Artikel das Adjektiv „catholicus“ als eine der vier notae an, die der Kirche Jesu Christi seit dem Symbolum Apostolicum zugeschrieben werden, um die „wahre“ Kirche gegenüber häretischen Gruppen zu qualifizieren. Wie oben dargelegt wurde, eignet der nota „catholica“ sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Moment. Dabei lag – anders als im Selbstverständnis der Kirche in der Gegenreformation – der Schwerpunkt ursprünglich auf dem qualitativen Moment. Das quantitative Moment der Katholizität diente in der Abwehr häretischer Gruppen dem qualitativen Moment als Erkenntnisgrund; man könnte auch sagen, in der quantitativen Katholizität äußerte sich die der Kirche wesentlich qualitative Katholizität. Diese doppelte Sinnrichtung der Katholizität bemüht das Konzil im vorliegenden achten Artikel der Kirchenkonstitution. Die der wahren Kirche zukommende qualitative und quantitative Katholizität fungiert sodann als integrierende Größe, nimmt LG 8 doch erstmals die notwendige Sichtbarkeit der wahren Kirche Jesu Christi in den Blick, die in ihrer Sakramentalität gründet.
Die Sakramentalität der Kirche ist Gegenstand der ersten sieben Artikel von LG. Hier wird das patristische Verständnis von Kirche als „Mysterium“ rezipiert und ihr Wesen als „Sakrament des Heils“ (vgl. LG 1) entfaltet. Artikel 8 kommt auf die Sichtbarkeit und geschichtliche Kontingenz der Kirche zu sprechen, eine Wirklichkeit, die, wenn Kirche als „Sakrament“ verstanden wird, notwendig mitzudenken ist. Kirche hat immer, will sie als Sakrament richtig verstanden sein, eine geschichtlichkontingente sowie darin eine (bleibend) göttliche, transzendente Wirklichkeit. Diese Betonung scheint dem Konzil wichtig gewesen zu sein, denn es ging ihm nicht um eine reine „Wiederbelebung der patristischen Sicht der Kirche“, deren „Begriff des Sakramentes […] noch nicht die instrumentelle Wirkursächlichkeit [umschloss], wie sie den mittelalterlichen Sakramentenbegriff auszeichnet.“254 Mit der Qualifizierung der Kirche als „Zeichen und Werkzeug“ („signum et instrumentum“) (LG 1), als geistlich-spirituelle Lebenswirklichkeit und empirisch fassbare Größe in der Welt, betont das Konzil vielmehr eine Sicht von Kirche, die „auf Erden konkret in der katholischen Kirche zu finden ist“255. Aufgehoben ist damit nicht das zuvor entfaltete Verständnis von Kirche als „Sakrament“, das ein univokes Sprechen über Kirche und eine Konzentrierung auf ihre rein juridisch-organisatorische Gestalt ausschließt. Beide Wirklichkeiten von Kirche, ihre notwendige Sichtbarkeit und ihr bleibendes Mysterium, sollen in der Wesensbeschreibung als „Sakrament“ ausgesagt sein, ohne dass es zu einer „vollkommene[n] Deckungs- und Umfangsgleichheit“256 zwischen katholischer Kirche („Ecclesia catholica“) und der Kirche Jesu Christi („unica Ecclesia“) (LG 8,2) kommt.
Dass LG 8 infolge dessen als Nahtstelle zwischen „alter“ und „neuer“ Ekklesiologie angesehen werden kann, die die beiden Sichtweisen von Kirche als „societas perfecta“ einerseits und als „Sakrament“ andererseits zu verbinden und darin deren „komplexe Wirklichkeit“ (LG 8,1) auszusagen versucht, unterstreicht die zweite Belegstelle von „catholicus“ innerhalb des viel diskutierten Satzes: „Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“ („haec Ecclesia, in hoc mundo ut societas constituta et ordinata, subsistit in Ecclesia catholica, a successore Petri et Episcopis in eius communione gubernata“ (LG 8,2)257. Wird „catholicus“ hier zwar im konfessionellen Sinn als von anderen Konfessionen unterscheidender Begriff verwendet, und wird die (römisch-)katholische Kirche als die unter der Führung des Bischofs von Rom konkretisierte bzw. verwirklichte („subsistit in“) Kirche Jesu Christi ausgesagt, so fällt doch in dieser an sich engen Formulierung insoweit eine „Weitung“ auf, als dass auf das frühere exklusivistische „römisch“ im Sinne einer „Ecclesia Romana“ ausdrücklich verzichtet wird. Grillmeier kommentiert diesen Sachverhalt dergestalt, dass die Konstitution bewusst die Katholizität der Universalkirche in den Blick nehmen wollte, um das frühere exklusivistische Verständnis von Kirche von vornherein abzuwehren und die Universalität der Kirche im Sinne ihrer Katholizität zu betonen.258 Dieses geweitete Kirchenverständnis drückt sich außerdem in der bewussten Verwendung des „weiteren“ Begriffes „subsistit in“ statt eines absoluten, engeren „est“ aus259. Und es kommt in der vom Konzil in LG 8,2 angesprochenen neu umrissenen Verhältnisbestimmung von katholischer Kirche zu den anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zum Tragen: Die Konstitution geht von „unterschiedlichen Elementen“ aus – dem Glaubensbekenntnis, den Sakramenten sowie dem kirchlichen Amt –, die nicht nur innerhalb der (römisch-)katholischen Kirche, sondern auch in anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu finden sind und die allesamt „zur katholischen Einheit hindrängen“ („unitatem catholicam“) (LG 8,2). Hier hat die Konstitution wieder die Una Sancta Catholica des Glaubensbekenntnisses als eine in der (römisch-)katholischen Kirche zwar verwirklichte, aber in ihr nicht abschließend und in erschöpfender Weise (absolut) verwirklichte und somit deckungsgleiche Größe im Sinn260. Darin heben die Konzilsväter die qualitative Dimension von Katholizität heraus, die nicht nur der (römisch-)katholischen Kirche, sondern allen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gleichermaßen zukommt, sich aber – zumindest aus (römisch-)katholischer Sicht – notwendig in ihrer quantitativen Dimension erweist und darin zum unterscheidenden Kriterium ihrer Sichtbarkeit wird. Damit ist gesagt, dass „die eine wahre Kirche Christi existiert […]. Sie ist erkennbar und in ihrer Weise auch sichtbar […]. Aber [diese Form von sichtbarer] ‚Kirchlichkeit’ fällt nicht einfachhin mit der katholischen Kirche zusammen, weil auch kirchliche Elemente der Heiligung und der Wahrheit außerhalb zu finden sind.“261 „Katholisch“ ist nicht mehr nur, was „römisch“ ist, sondern was – im Sinne der qualitativen Katholizität – wahre Kirche Jesu Christi auszeichnet und repräsentiert im Unterschied etwa zu häretischen Gruppen, die von der wahren Kirche zu unterscheiden sind: sowohl hinsichtlich der Bewahrung des ganzen rechten katholischen und apostolischen Glaubens des Ursprungs (qualitative Katholizität) als auch hinsichtlich ihres weltweiten Engagements um der Vielen willen (quantitative Katholizität). Dass dies Fragen bezüglich der Heilsbedeutung der nichtkatholischen Kirchen und Kirchengemeinschaften sowie der Heilsnotwendigkeit der (römisch-)katholischen Kirche aufwirft, liegt auf der Hand, soll zu diesem Zeitpunkt aber nicht weiter verfolgt werden.
Artikel 13, der die Katholizität des Volkes Gottes und analog der Kirche in ihrer spannungsreichen Dialektik von Einheit und Vielheit in den Blick nimmt, spricht in 13,2 von der „catholica Ecclesia“. Das Adjektiv „catholica“ zeigt hier weniger die Konfession „katholisch“ an, sondern charakterisiert die Kirche als Universalkirche: Kirche ist „katholisch“, d.h. universal und dies in einem doppelten Sinne: weltweit verbreitet und in der Vielheit und Vielgestaltigkeit in Orts- und Teilkirchen konkretisiert (quantitative Katholizität), zugleich aber notwendig geeint in der in der Fülle des einen Geistes gegebenen Communio der Orts- und Teilkirchen (qualitative Katholizität). Katholizität drückt die der Kirche eigene „Berufung zur Einheit und Einzigkeit“ aus bei gleichzeitiger Sendung, „in dieser Einheit alle Menschen und alle Zeiten zu erfassen“.262 Die der Kirche eigene Katholizität beruht schließlich auf dem Heilswillen Gottes, „der das Menschengeschlecht als eines gegründet hat und seinen Sohn sandte, um die zerstreuten Kinder Gottes zu sammeln“263. Die volle Katholizität ist der Kirche erst dann gegeben, wenn „alle über den Erdkreis hin verstreuten Gläubigen […] mit den übrigen im Heiligen Geiste in Gemeinschaft“ (LG 13,2) stehen. Daher weiß sich Kirche – aufgrund ihrer in der Schöpfung, im Heilsratschluss Gottes sowie in der Sendung Christi gründenden intensiven Katholizität (schöpfungstheologische, offenbarungstheologische und christologische Begründung der Katholizität) – immer schon in die Welt gesandt (extensive Katholizität), um „die ganze Menschheit mit allen ihren Gütern unter dem Haupt Christus zusammenzufassen in der Einheit seines Geistes“264. Diese geistgewirkte Einheit äußert sich „als Einheit in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft und im Brotbrechen sowie im Gebet.“265
LG 13,3 bringt sodann die Katholizität der Kirche expressis verbis mit dem Substantiv „catholicitas“ ins Wort, deren Eigenart es ist, dass „die einzelnen Teile die ihnen eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu[bringen], so dass das Ganze und die einzelnen Teile aus allen vermehrt werden, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit zusammenwirken.“266 Hier klingt die der Katholizität wesentliche Dialektik von Einheit („unitas“) und Vielheit („diversitas“) an, deren Zielrichtung ein größtmögliches Maß an Vielfalt unter Wahrung der notwendigen Einheit ist. Auf diese in der Katholizität des Volkes Gottes gründende Einheit in Vielfalt kommt LG 13,4 zu sprechen, wenn die Konstitution – im Nachgang von LG 8 und im Vorgriff auf LG 14ff – darauf hinweist, dass der „catholicam Populi Dei unitatem“ nicht nur die (römisch-)katholischen Christen zugehören, sondern „auch andere an Christus Glaubende sowie alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heile berufen sind.“267
Während die vorstehend besprochenen Artikel den Blick allein auf die Catholica richten und nach deren Selbstverständnis fragen, weiten die folgenden Artikel der Kirchenkonstitution den Blick und fragen danach, wie die nichtkatholischen Christen sowie die nichtchristlichen Religionen auf die (römisch-)katholische Kirche und deren Katholizität hingeordnet sind.
In LG 14,1 wenden sich die Bischöfe direkt an die „katholischen Gläubigen“ („fideles catholicos“), wenn sie von der „Katholischen Kirche“ („Ecclesiam Catholicam“) als heilsnotwendig sprechen. Beide Male fungiert das Adjektiv „catholicos“ bzw. „Catholicam“ als Konfessionsbezeichnung, wenngleich im zweiten Falle auffällt, dass das „Catholicam“ groß geschrieben wird – anders als in LG 8,2, wo das Adjektiv „catholica“ klein geschrieben wurde. Ist hier die verfasste (römisch-)katholische Kirche gemeint – groß geschrieben –, weil sich LG 14 hauptsächlich an die Katholiken wendet, diese also besonders betont sein soll? Oder will das Konzil, wenn es von der (römisch-)katholischen Kirche groß geschrieben spricht, unter Rückbezug auf LG 8 betonen, dass in ihr die Catholica des Glaubensbekenntnisses „am meisten“ verwirklicht ist, ohne dass beide Größen identisch wären? Oder nimmt das Konzil mit der groß geschriebenen Bezeichnung „Ecclesiam Catholicam“ die Catholica des Glaubensbekenntnisses bewusst „als die ‚congragatio fidelium’, die Gemeinschaft der Glaubenden, in den Blick, die durch Glaube und Taufe gekennzeichnet ist“268? Letztere Annahme würde aber bedeuten, dass die Konzilsväter bei ihrer Betonung der Heilsnotwendigkeit der Kirche einen Kirchenbegriff bemühen, der sowohl von den orthodoxen Christen als auch von den westlichen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gleichermaßen anerkannt wird269, was eine aktuell fehlende Übereinstimmung darin nach sich ziehen würde, dass mit der Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe automatisch die Notwendigkeit der verfassten Kirche mit ausgesagt wäre. Wenn dem jedoch so wäre, würde das Konzil hier nicht nur der (römisch-)katholischen Kirche, sondern allen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als konkrete, weltlich verfasste kirchliche Institutionen Heilsnotwendigkeit zusprechen. Das groß geschriebene Catholica ließe sich auch leicht als Schreib- oder Übertragungsfehler interpretieren, was jedoch auszuschließen ist, da auch in den Schemata zur Kirchenkonstitution jeweils groß geschrieben von „Ecclesiam Catholicam“ die Rede ist.270
Bereits die inhaltliche Zusammenschau von LG 13 und LG 14 macht deutlich, dass das Konzilspapier an dieser Stelle uneindeutig formuliert: Sprach LG 13 noch von der Möglichkeit einer Berufung zum Heil für „alle Menschen überhaupt“, spielt LG 14 auf die alte Formel: „Außerhalb der Kirche kein Heil“ an und betont mit aller Vehemenz die Heilsnotwendigkeit „der Kirche“. Wenn der letzte Satz von LG 14,1 zwar die Heilsnotwendigkeit der Kirche auf jene Menschen beschränkt, „die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten“, so bleibt doch die Frage, wie sich diese Aussage mit dem „alle Menschen“ in LG 13,4 einerseits und dem groß geschriebenen „Catholica“ andererseits logisch vereinen lässt. LG 15 und LG 16 weiten den Blick auf die Heilsmöglichkeiten jener, die ohne „volle“ („plene“, vgl. LG 14,2) Kirchenzugehörigkeit sind. Dies könnte den Weg weisen, die benannten Widersprüchlichkeiten aufzulösen, denn der Begriff „voll“ („plene“) und die darin ausgedrückte gestufte Kirchenzugehörigkeit machen deutlich, dass die Kirchenkonstitution zwischen der „vollen“ Zugehörigkeit der Katholiken zur Kirche und der „unvollkommenen“ oder „unvollständigen“ Zugehörigkeit der nichtkatholischen Christen zu ihr unterscheidet. In dieser Hinsicht aber verwundert das groß geschriebene „Catholica“ in LG 14,1 umso mehr.
Wir werden das Problem an dieser Stelle nicht lösen können. Diese Tatsache aber und der insgesamt nicht ganz schlüssige textliche Befund kann jedoch als Indiz dafür dienen, dass – wie an anderen Stellen der Kirchenkonstitution und anderer Konzilstexte auch – Aussagen über die Kirche oftmals zusammenhangslos aneinander gereiht, häufig widersprüchlich271 und daher nicht immer eindeutig zu interpretieren sind. Diese festzustellenden Divergenzen müssen nicht negativ gewertet werden, wie dies mitunter geschieht, sondern spiegeln das Bemühen der Konzilsväter wider, ihre unterschiedlichen ekklesiologischen Ansichten in eine Synthese zu bringen.272 Für uns bleibt festzuhalten: Die Heilsnotwendigkeit der pilgernden Kirche, der man kraft des Glaubens und der Taufe angehört, gründet, so die in LG 14,1 geäußerte (römisch-)katholische Sichtweise, in der Heilsuniversalität Christi, der in seiner Kirche sakramental gegenwärtig ist und die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe selbst ausdrücklich betont hat. Damit bemüht die Konstitution ausdrücklich die qualitative Dimension der Katholizität. LG 14,2 führt sodann die Kriterien aus, die eine volle Kirchengliedschaft bedingen, und LG 14,3 wendet sich den Katechumenen und ihrem Verhältnis zur Kirche zu.
Im Kapitel über die bischöflich verfasste Kirche und die Beziehung des Bischofs zur Universalkirche, zur Diözese sowie zu den anderen Ortskirchen spricht LG 23,1 von der „unica Ecclesia catholica“ im Sinne als der Universalkirche; „catholica“ ist wie in LG 8 wieder klein geschrieben. LG 23,4 qualifiziert die im Bischof von Rom als „immerwährende[s] sichtbare[s] Prinzip und Fundament der Einheit der Vielheit“ (LG 23,1) garantierte Einheit der vielfältigen Ortskirchen samt ihrer je eigenen Traditionen als Widerschein der der Kirche wesentlichen Katholizität: „Diese in eins zusammenstrebende Vielfältigkeit der Ortskirchen zeigt die Katholizität der ungeteilten Kirche in besonders hellem Licht“ („Quae Ecclesiarum localium in unum conspirans varietas indivisae Ecclesiae catholicitatem luculentius demonstrat“, LG 23,4).
Artikel 25, welcher die Komplexität des kirchlichen Lehramtes und die differenzierte Unfehlbarkeit der Lehre sowohl des Papstes als auch des einzelnen Bischofs in den Blick nimmt, bezeichnet in LG 25,1 den Papst und die mit ihm in Communio stehenden Bischöfe als „Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit“ („divinae et catholicae veritatis testes“). Das „catholicae“ kann hier durchaus im konfessionellen Sinne gelesen werden, berührt aber inhaltlich die im Papst- und Bischofsamt begründete Treue zum Ursprung, die innere Kontinuität zur Fülle des Anfangs (Apostolizität) also, so dass das „catholicae“ hier die qualitative Dimension anzeigt und im Sinne von Rechtgläubigkeit verstanden werden kann. Die weitere Belegstelle in LG 25,3, wo von der Lehre des katholischen Glaubens („doctrinam fidei catholicae“) die Rede ist, dürfte im konfessionellen Sinne zu verstehen sein.
LG 26 lenkt den Blick auf die Ortskirchen und entfaltet auf der Grundlage einer eucharistisch bestimmten Ekklesiologie das Verhältnis der Ortskirchen zur Universalkirche. Durch die Teilhabe der Glaubenden an der einen Eucharistie, welche stets in Communio mit ihrem Ortsbischof als Repräsentanten der Ortskirchen und zugleich Repräsentanten und Bindeglied zur Universalkirche gefeiert wird, stehen die Gläubigen nicht nur mit Christus, sondern durch ihn im Heiligen Geist mit allen anderen Eucharistie feiernden Gläubigen der Weltkirche in Communio, so dass in den jeweiligen Ortskirchen, „auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Zerstreuung leben, […] die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche versammelt wird“ („una, sancta, catholica et apostolica Ecclesia“) (LG 26,1). Theologisch wird hier der Schlüssel geliefert, wie das in LG 23,1 angeklungene „in quibus et ex quibus“, also das spannungsreiche Verhältnis zwischen Universalkirche und Ortskirchenn, zu verstehen ist. „Catholica“ wird hier in seiner qualitativen Bedeutung verwendet und verweist auf das dritte der vier notae ecclesiae.
Artikel 28 behandelt im Kontext des dreistufigen Weiheamtes der Kirche das der Priester und erläutert neben deren Aufgaben deren besondere Beziehung zu Christus und zu den Bischöfen. LG 28,4 mahnt die Priester zu einem Habitus und einer Fürsorge, die „für Gläubige und Ungläubige, Katholiken und Nichtkatholiken das Antlitz eines wahrhaft priesterlichen und hirtenmäßigen Dienstes zeigen“ („fidelibus et infidelibus, catholicis et non catholicis, faciem ministerii vere sacerdotalis et pastoralis exhibere“); ferner sind sie aufgerufen, „als gute Hirten auch jene [zu] suchen […], die sich, obwohl sie in der katholischen Kirche getauft sind, von der Praxis der Sakramente oder gar vom Glauben entfernt haben“ („ut boni pastores illos quoque quaerere […], qui baptizati quidem in Ecclesia catholica a praxi sacramentorum, vel imo a fide defecerunt“). „Catholici“ bzw. „noncatholici“ bezeichnen hier analog zu „fideles“ und „infideles“ die Katholiken bzw. Nichtkatholiken; „Ecclesia catholica“ meint die katholische Kirche im konfessionellen Sinne.
Im achten und letzten Kapitel der Kirchenkonstitution widmen sich die Konzilsväter der Mariologie und ihrer ekklesiologischen Bedeutung. Dreimal wird das Adjektiv „catholicus“ verwendet – jeweils im konfessionellen Sinn. In LG 53,1 ist von der „Catholica Ecclesia“ die Rede, wobei „katholisch“ wieder groß geschrieben ist. Ob dieser Befund zu vernachlässigen ist oder im Kontext der Änderung des ursprünglichen Titels gesehen werden muss („Über die selige Jungfrau Maria, die Mutter Gottes und die Mutter der Menschen“ wurde im Zuge der zweiten Sitzungsperiode in „Über die selige Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche“ verändert), bleibt offen. Otto Semmelroth weist in seinem Kommentar darauf hin, dass der geänderte Titel in: „Maria, die Mutter der Kirche“ zwar „theologisch korrekt verstanden werden kann, […] [je]doch die Frage [offen bleibt], ob hier ‚Kirche’ so gesehen wird, wie es dem katholischen Kirchenbegriff entspricht.“273 So würde ein tatsächlich weiterer Kirchenbegriff in LG 53,1 im Sinne von „Catholica“ als Kirche Jesu Christi die Mariologie auch den nichtkatholischen Christen als ekklesiologisch bedeutsam vorstellen, was für die meisten aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen so nicht gilt. Also ist davon auszugehen, dass trotz Großschreibung hier von der katholischen Kirche im Sinne der Konfession die Rede ist, so wie auch in LG 54,1 von den katholischen Schulen („scholis catholicis“) und in LG 67,1 von der katholischen Lehre („catholicam doctrinam“) im konfessionellen Sinne gesprochen wird.