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4.2.1.3Katholizität in heutiger evangelisch-lutherischer Sicht

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Katholizität verwirklicht sich nach heutigem evangelisch-lutherischem Verständnis wesentlich in der Gottesdienst feiernden Ortsgemeinde als prototypischer Existenzform der „congregatio sanctorum“.145 In der das Wort Gottes hörenden und die Sakramente empfangenden versammelten Gottesdienstgemeinde ist der Auferstandene im Heiligen Geist real zugegen. Die Ortsgemeinde ist somit die primäre Form von Kirche. Dabei hat jede Ortsgemeinde notwendigerweise einen wesentlichen universalkirchlichen Bezug, der sowohl räumlich als auch zeitlich bestimmt ist. Denn die Ortsgemeinden sind nur dann ganz Kirche, d.h. „katholische“ Kirche, wenn sie mit allen anderen Ortsgemeinden synchron wie diachron in Gemeinschaft stehen. Ohne diesen universalkirchlichen Bezug wären die Ortsgemeinden nicht Kirche.146 Anders als in der (römisch-)katholischen Kirche wird die Universalkirche allerdings ausdrücklich nicht als ekklesiologische Primärform von Kirche und damit als eine notwendig sichtbar-konkrete Größe verstanden. Vielmehr wird die Universalkirche als eine unsichtbare wesentliche Größe verstanden, folglich dessen auch die Katholizität primär „als Eigenschaft der geglaubten verborgenen bzw. unsichtbaren Kirche“147 gilt, die sich in den Ortsgemeinden verwirklicht.

Die öffentliche Wortverkündigung und die rechtmäßige Sakramentenspendung obliegt nach evangelisch-lutherischem Kirchenverständnis primär dem presbyteralen Gemeindepfarramt, in das durch Ordination berufen wird. Das Gemeindepfarramt ist zum Dienst an der Einheit und der Katholizität beauftragt. Aufgrund der von Luther und Melanchthon herausgestellten wesentlichen universalkirchlichen Ausrichtung jeder Ortskirche – denn die Kirche übersteigt als „Catholica“ notwendigerweise ihre eigenen raum-zeitlichen Grenzen und erweist sich gerade darin als katholisch – ist die Ausgestaltung von übergemeindlichen landeskirchlichen Strukturen mit einem Landesbischof oder Präses an der Spitze im Sinne einer Episkopé notwendig. Diese stehen in enger und untrennbarer Einheit zu den presbyteralen Pfarrern.148 Die amtliche Gestalt wie die gesamte Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche stehen

„im alleinigen Dienst desjenigen Gehalts, welcher das Wesen der Kirche begründet und von den Gestalten des Amtes zwar nicht zu treffen, wohl aber zu unterscheiden ist. Die zum amtlichen Hirtendienst Berufenen haben keinen anderen Auftrag, als der Stimme des einen Hirten Gehör zu verschaffen, der sich in Wort und Sakrament selbst zur Sprache zu bringen verheißen hat. […] Nicht die Macht formaler Autorität, sondern allein die Ohnmacht des Wortes und der sakramentalen Zeichenvollzüge, wie sie in der Heiligen Schrift kanonisch bezeugt sind, hat das Vermögen, im Innersten zu überzeugen.“149

Mit dem spezifisch evangelisch-lutherischen Kirchen- und Amtsverständnis geht neben der Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom aus (römisch-)katholischer Warte auch die mit der Katholizität von Anfang an aufs engste verbundene betont bischöfliche Verfasstheit der Kirche verloren. Diese wird nach evangelischer Lehre nicht als „primärer Bestimmungsfaktor kirchlicher Einheit und Katholizität“ angesehen, sondern „das gemeinsame Bekenntnis im Sinne eines Sachkonsenses bezüglich rechter Evangeliumsverkündigung und stiftungsgemäßer Sakramentsverwaltung“150. Zwar wird „das ordinationsgebundene Amt in seinen Gestalten und insbesondere in seiner episkopalen Form […][als] seinem Wesen nach dazu bestimmt [angesehen], der Einheit und Katholizität der Kirche in apostolischer Nachfolge zu dienen“151. Aber mit ihm ist – und hier unterscheidet sich das evangelische Amtsverständnis, wie wir noch sehen werden, in grundlegendem Maße von dem sakramentalen Amtsverständnis der (römisch-)katholischen Kirche – „nicht der Anspruch verbunden […], an sich selbst Garant der Einheit und Katholizität der Kirche zu sein. Zwar ist das kirchliche Amt auch nach evangelischer Lehre dazu bestimmt, ‚in persona Christi‘ zu handeln. Aber die amtliche Christusrepräsentation ist ihrem Wesen nach das gerade Gegenteil von Ersatz und schließt die Tatsache nicht aus, sondern ein, dass jeder getaufte Gläubige je auf seine Weise dazu bestimmt ist, ein Christusrepräsentant zu sein. Die Besonderheit des ordinationsgebundenen Amtes lässt sich von der Allgemeinheit des Priestertums aller nicht ablösen. Vielmehr waltet zwischen dem ordinationsgebundenen Amt und dem gemeinsamen Priestertum aller Christen ein wechselseitiger Begründungszusammenhang. Der Einheit und Katholizität der Kirche kann nur im Verein von ordinierten und nichtordinierten Christen gedient werden“152.

Die Katholizität der Kirche

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