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4.7Katholizität in altkatholischer Sicht

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Das Katholizitätsverständnis der altkatholischen Kirchengemeinschaft hat sich seit dem Schisma mit Rom in unterschiedlichen Abstufungen entwickelt.233 Dabei gingen die Auffassungen darüber, was und wer „katholisch“ sei, anfangs weit auseinander: Während der Schweizer Bischof Eduard Herzog 1920 etwa der Meinung war, dass keine Kirche für sich Katholizität in vollem Sinne beanspruchen könne234, sah Ignaz von Döllinger fast fünfzig Jahre zuvor zwar Teile, aber nicht die ganze Katholizität in einer Ortskirche verwirklicht235. Joseph Hubert Reinkens indes sprach 1877 – in Abwehr des auf dem 1. Vatikanum festgeschriebenen Jurisdiktionsprimats des Papstes als sichtbarem Prinzip der kirchlichen Einheit – jeder altkirchlichen Ortskirche volle Katholizität und damit volles Kirchesein zu, dergestalt, dass er die Katholizität als Erweis der Fülle des Glaubens verstand, in der die einzelnen Ortskirchen in sich stünden und durch welche sie miteinander geeint seien. Diese Kirchengemeinschaft indes sah er nicht durch die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom als notwendiges Einheitsprinzip vermittelt. Reinkens hebt damit vor allem die qualitative Dimension der Katholizität hervor und vertritt schon früh eine Ortskirchenekklesiologie, die für die Anglikanische Gemeinschaft bestimmend werden sollte.236

In den folgenden Jahren erwies sich in den ökumenischen Bemühungen die Katholizität der einzelnen Konfessionskirchen – mit Ausnahme der (römisch-)katholischen Kirche – als Bedingung der Möglichkeit gegenseitiger Anerkennung (Kirchengemeinschaft) und Abendmahlsgemeinschaft.

Kurt Stalder kann als eigentlicher Wegbereiter der heutigen altkatholischen Ortskirchenekklesiologie angesehen werden, die später von Peter Amiet237 und Herwig Aldenhoven238 weiter entwickelt wurden. Dieser setzte ausgehend von Ernst Gaugler239 seine ekklesiologischen Überlegungen im Neuen Testament sowie in der altkirchlichen Tradition an. Seine Thesen können wie folgt zusammengefasst werden:

„Da sich konkreter Vollzug von Gemeinschaft nur in einem bestimmt umgrenzten Raum ereignen kann, tritt Kirche grundsätzlich als ‚Kirche an einem Ort’ […] in Erscheinung. In jeder derartigen Lokalkirche ist die ganze Wirklichkeit von Kirche gegenwärtig. […] Gerade darum, weil von der Lokalkirche das alles zu sagen ist […][,] kann die Lokalkirche keine in sich selbst abschließende Monade sein. Sie […] muss darum erwarten, dass sich ihre eigene soteriologisch-trinitarische Realität darin bestätige, dass sie in den anderen Lokalkirchen dieselbe Wirklichkeit gegenwärtig findet, sich selbst in den anderen Lokalkirchen wieder erkennt. Sie muss sich darum mit jeder anderen Lokalkirche verbunden sehen und diese Einheit […] zum Ausdruck bringen. […] So erfahren die Lokalkirchen, dass ihr Gemeinschaftscharakter auch eine geographisch-universelle […] Realität ist […][, die] aber nicht durch die Vielzahl von Lokalkirchen und ihre Summierung konstituiert [ist][…], sondern dadurch dass der soteriologisch-trinitarische Grund jeder Lokalkirche seiner Natur nach universell ist. […] Die universelle Einheit der Kirche [sc. ihre Katholizität] ist nicht Produkt, sondern Grund aller Lokalkirchen“240.

Urs Küry drückte schon Jahre zuvor aus, was Stalders Ekklesiologie intendiert:

„Die Katholizität ist […] in erster Linie eine innere, qualitative, und erst in zweiter Linie eine äußere, quantitative. Anders ausgedrückt: Katholisch ist die Kirche nicht schon dadurch, dass sie auf der ganzen Erde verbreitet ist, sondern dadurch, dass sie überall, wo sie verbreitet ist, die Eine und ganze Kirche in ihrer Fülle ist.“241

Diesen Ansatz übernahm das im Jahre 2000 verabschiedete Statut der in der Utrechter Union vereinigten Bischöfe.242

Die Katholizität der Kirche

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