Читать книгу IXXI - Doug Mechthild - Страница 15

Aus „Verlobt mit dem Monster“ von Jana M.

Оглавление

Als ich an diesem Nachmittag zu Andy raufging, hatte ich mir nach unserem Streit vom Wochenende viel Mühe gegeben. Als er mich von meinem Arbeitskollegen wegriss und mich beschuldigte, ihm schöne Augen gemacht zu haben, war ich ziemlich perplex. Vor allem, weil er meinte, ich würde es mit meinen »engen Klamotten« und »tiefen Dekolletés« ja herausfordern. Und er schrie, er habe den Eindruck, er wäre mit einer Hure zusammen.

Das war schön peinlich. Wir sind öfters am Samstag weggegangen, meistens mit Freunden. Murat, Andys Arbeitskollege, war immer mit von der Partie. Nie hatte es Andy etwas ausgemacht, dass meine Kleidung sexy war.

Murat war dieses Mal nicht mitgekommen und ich dachte, das war der Grund für Andys schlechte Laune.

Darauf schob ich es auch, dass er wegen meiner Klamotten ausrastete. Die hatten sicher Streit, dachte ich. Ganz üblen Streit. Und dann hatten wir auf einmal ganz üblen Streit.

Ich war Samstag mit einem Taxi nach Hause gefahren, Andy hatte sich entschieden zu bleiben. Den ganzen Sonntag hatte ich nichts von ihm gehört. Weder hatte er sich entschuldigt, noch wollte er über die Sache sprechen. Nachrichten blieben unbeantwortet.

Montag zog ich mich so konservativ an, wie es nur ging, und fuhr zu ihm. Ich trug sogar lange Ärmel, weil er Samstag irgendwas von „nackten Armen“ gesagt hatte. Bei der lauten Musik hatte ich nicht alles verstanden. Ich machte mir damals ziemlich Sorgen ... Wir haben immer über alles reden können. Wenn es mal Streit gab, war eigentlich er es immer, der das Gespräch suchte. Er konnte es nicht gut ertragen, wenn zwischen uns nicht alles in Ordnung war. Aber er war wirklich anders geworden.

Am Samstag hatte er gar nicht ausgehen wollen, es war ihm plötzlich unangenehm. Er hatte mich nicht geküsst, wollte nicht Hand in Hand mit mir gehen. Als ich mir ein Bier bestellen wollte, hat er mir schweigend ein Wasser gebracht. Ich solle immer nur nippen, sagte er. Mehr als ein Wasser wäre Verschwendung. Und er war so ernst. Lächelte nicht, lachte nicht. Er sah mit bösem Blick auf die Tänzer und vor allem auf die Frauen, die lachten und Spaß hatten. Das alles schob ich auf den Streit, den er meiner Meinung nach mit Murat gehabt hatte. Dass all das schon ein Anzeichen für seine Veränderung war, wusste ich da noch nicht.

Ich erfuhr es erst, als ich an diesem Montag in sein Zimmer ging.

Andy stand eigentlich auf Hip-Hop und Rap, aber als ich vor seiner Tür stand, hörte ich so komisches Zeug … klagendes Gejammer. Irgendwie gruselig. Seine Tür war auch anders, sie sah nackt aus. Alle Poster waren verschwunden. Man sah noch Reste vom Klebeband.

Ich ging rein. Andy sprang von seinem Bürostuhl hoch und funkelte mich wütend an. Dann erkannte er mich.

„Oh, du bist es“, murmelte er und pausierte das Video, das er sich ansah.

„Ja. Ich.“ Mein Herz klopfte wie wild. Andy sah unentschlossen auf den Boden. Ich hatte in seinen Augen kein Strahlen gesehen, so wie früher. Er kam nicht zu mir, um mich zu begrüßen, nahm mich nicht in den Arm. Dann blickte er auf, und ich erschrak. Da war keine Liebe mehr in seinen Augen, aber dieser „wie sage ich es ihr am besten“ Ausdruck in seinem Gesicht.

Wenn man bereits in einer Beziehung war, in der der andere Schluss gemacht hat, dann hat man dieses Gesicht schon einmal gesehen. Aber bei Torsten damals war es im Grunde nichts Ernstes gewesen. Wir haben ein paar Wochen zusammen verbracht und waren kein echtes Paar gewesen. Es war nicht schlimm, als er erst herumdruckste und dann sagte, er habe eine andere Frau kennengelernt und es wäre vorbei zwischen uns beiden.

Aber Andy und ich waren nun schon seit Jahren zusammen. Wir hatten eine richtige Beziehung und sparten auf unsere erste gemeinsame Wohnung. Wir kannten uns durch und durch. Ich hatte schon oft die Nacht mit ihm in diesem Zimmer in seinem schmalen Bett verbracht. Am nächsten Tag hatte ich mit Martina und Steffi am Frühstückstisch gesessen. Er war ein Teil von mir und ich ein Teil von ihm.

Hatte ich jedenfalls gedacht. Er saß an seinem schmuddeligen Schreibtisch.

Leere Gläser standen darauf, aber keine Bierflaschen mehr. Und das war es, was mir dann zum ersten Mal richtig auffiel. Andy ohne Bier - das gab es einfach nicht.

Mir wurde da endlich klar, dass ein Fremder vor mir saß.

„Du hast dich nicht gemeldet, weil Schluss ist, oder?“, fragte ich. Er nickte, und in mir wurde alles kalt und taub.

„Hättest du mir das nicht wenigstens sagen können?“, fragte ich. Meine Hand umklammerte noch immer die Türklinke, vielleicht wäre ich sonst gefallen.

Mein Andy ... Es konnte doch nicht wahr sein! Wir liebten uns doch!

Er zuckte nur mit den Schultern. Ich spürte, dass ich störte. Ich war ihm nicht einmal wichtig genug, dass er ordentlich Schluss mit mir machte. Das Gejaule auf dem Bildschirm zählte, ich nicht. Der Typ in dem Video hatte eine lange schwarze Kutte an, trug eine hohe, spitz zulaufende Kopfbedeckung. Da fiel es mir endgültig wie Schuppen vor die Augen.

„Du bist zu irgendetwas übergetreten, stimmt’s? Deswegen die Musik, das Gemecker wegen meiner Klamotten. Und jetzt bin ich dir nicht mehr gut genug!“

„Du und ich ... das war nicht richtig.“

„Wieso denn nicht?“

„Aus Beziehungen entstehen nun einmal Kinder. Und unser Planet kann keine weiteren Kinder mehr ertragen.“

„Hä? Aber wir verhüten doch?“

„Kein Verhütungsmittel ist ganz sicher.“

„Ja, aber ... wir haben doch sogar vom Heiraten gesprochen.“

„Das möchte ich nicht mehr.“

„Aber ...“

„Du und ich sind zu unterschiedlich. Ich möchte die Erde retten, du nur Ressourcen verschwenden“, erklärte er. „Partys in stromverschwendenden Diskotheken, Alkohol, immer neue Klamotten, Fast Food … du denkst nicht über die Zukunft nach.“

„Das … das stimmt doch gar nicht, ich verschwende doch nichts ...“, murmelte ich perplex. Verglichen mit meinen Freundinnen hatte ich kaum Klamotten gekauft, und auf einmal verschwendete ich Ressourcen?

„Du wirst das nicht verstehen, Jana. Wir haben zu verschiedene Ansichten und Ziele im Leben. Eine Frau, die mit einem Mann ins Bett springt, ist immer in Gefahr, dem Planeten Schaden zuzufügen. Nur weil du deinen Müll trennst, denkst du, du wärst fein raus und hättest deinen Teil beigetragen. Du bist eine Umweltverschmutzerin. Schon durch deine Geburt. Genau wie ich auch.“

„Was ... wie ... sag mal, spinnst du jetzt total?“, rief ich, aber in mir schien alles zu zersplittern. Unser geplantes gemeinsames Leben, unsere schöne Zeit zusammen - vorbei. Einfach so.

„Wenn ich nicht hergekommen wäre, hätte ich es nicht einmal erfahren, oder?“, fragte ich bitter. Wieder zuckte er nur die Schultern. Ich sah damals, dass ich es ihm nicht wert war, dass er mich für eine letzte Aussprache anrief oder bei mir vorbeikam. Das war irgendwie das Schlimmste. Er mochte mich überhaupt nicht mehr, respektierte mich nicht mehr als Person, als Mensch. Auch jetzt schwieg er nur, und ich spürte, dass er sich wünschte, ich würde gehen.

„Du hast mich doch mal geliebt“, flüsterte ich erschüttert.

„Aber nun liebe ich Gott. Den echten, einenden Gott“, sagte er leise und sah mich endlich richtig an. Sein Blick war fest, kalt und klar. Da gab es keinen Zweifel und auch kein Bedauern. Er hatte mit mir schon Samstagabend abgeschlossen und mir nichts davon gesagt. Es war der letzte Blick, den ich mit ihm tauschte. Er wandte sich wieder seinem Video zu und ließ es weiterlaufen. Er regte sich nicht, als ich sein Zimmer verließ und die Tür hinter mir zuzog.

Wer, fragte ich mich, war dieser einende Gott, der zwei Liebende trennte?

IXXI

Подняться наверх