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IXXI

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„Andy ...?“ Steffi lugte vorsichtig zur Tür herein. Andy kniete auf einem kleinen Teppich und verneigte sich, so sah es für Steffis verwirrte Augen jedenfalls aus, vor seinem CD-Regal. Da sah sie, dass das Regal fort war. Auf der Wand hatte Andy stattdessen etwas aufgemalt, was wie IXXI aussah. Aus irgendeinem Grund gruselte dieses Symbol sie. Es sah aus wie zwei tote, kalte Augen, die sie anstarrten.

Andy setzte sich auf und sah seine kleine Schwester ärgerlich an.

„Was ist denn?“

„Ich wollte dich was fragen.“ Zögerlich kam Steffi rein. Früher hätte sie zu jeder Tages- und Nachtzeit hereinkommen können. Aber jetzt sah Andy so wütend aus, dass sie sich beinahe vor ihm fürchtete.

„Wenn ich störe ...“

„Jetzt ist es sowieso egal. Ich muss noch einmal von vorn anfangen.“

„Echt? Entschuldige! Das wusste ich nicht!“ Steffi schloss die Tür. Ihre Mutter sollte möglichst nichts mitbekommen. Die war auf Andys Konversion nicht gut zu sprechen und seit Tagen schlecht gelaunt.

„Was wolltest du mich denn fragen, Kleines?“ Andy setzte sich auf sein Bett und winkte Steffi heran. Die setzte sich neben ihn.

„Ich … ich will nicht zu eurem Verein gehören“, gestand sie scheu.

„Aber du liest in meinem Buch, oder? Wie kann man darin lesen und nicht konvertieren wollen?“, fragte Andy streng. Steffi zwirbelte eine Haarsträhne.

„Das ist voll komisch geschrieben. Du weißt doch, dass ich nicht gerne lese!“

„Ach ja“, seufzte Andy, „deine Aufmerksamkeitsspanne ist ja die eines Goldfisches. Trotzdem solltest du inzwischen die ersten Seiten gelesen haben.“

„Ja, etwas ...“

„Na also!“

„Na ja ... ich habe auch Seiten im Internet gefunden, die es nicht so toll finden, wie Christen in eurem Buch dargestellt werden.“

Andys Miene wurde finster. Steffi erschrak.

„Diese Seitenbetreiber sind Götzendiener. Wenn du richtig lesen würdest, wüsstest du, was das für Menschen sind! Und was mit ihnen passiert! Du schaust nie wieder auf diese Seiten, hörst du?“

„Du willst mir das jetzt echt verbieten?“

„Ja.“

„Das ist doch wohl ein Witz?“

„Nein. Hör mal, Kleine, ich möchte wirklich nicht, dass du eines Tages dafür bestraft wirst, dass du den wahren Glauben ignoriert hast. Wenn du konvertierst, darfst du dir etwas wünschen.“

Steffis Gesicht erhellte sich.

„Echt? Kriege ich dann einen Hund? Der Schorschi aus dem Tierheim wartet seit Jahren darauf, dass ihn jemand mitnimmt. Er sieht immer so traurig aus, wenn ich ihn nach dem Spaziergang wieder in seinen Verschlag bringen muss.“

Andy schien wenig begeistert.

„Also, ein Tier nicht.“

„Wieso denn nicht?“

„Ein Tier stößt viel CO2 aus in seinem Leben. Allein das Futter … der Kot … vergiss es!“

„Ob es die im Tierheim ausstößt oder bei uns, macht doch nur für das Tier selbst einen Unterschied!"

"Aber für jedes Tier, das du aus dem Tierheim holst, schaffst du Platz für ein Neues. Diese Züchterei muss endlich ein Ende haben! Es ist doch den ganzen Tag niemand zu Hause, um sich um den Hund zu kümmern. Das wäre Tierquälerei.“

„Ja, stimmt ... aber du willst unbedingt, dass ich konvertiere ... ich weiß nicht...“

„Wir können nicht weiter durchs Leben gehen, als ob uns das alles nichts angeht. Der Klimawandel ist ein Zeichen von Gott, dass wir umkehren müssen!“

„Und wenn der gar nicht von Menschen beeinflusst werden kann?“

Andy erstarrte.

„Haben dir diesen Quatsch etwa deine Lehrer gesagt?“

„Nein, aber ich habe da etwas gelesen … ich sage ja gar nicht, dass es so ist, aber was, wenn es so wäre?“

„Natürlich wird Gott, wenn wir uns alle endlich zu ihm bekehren, den Wandel stoppen.“

„Und wenn es gar keinen Gott gibt?“

„Was glaubst du, wer diesen Planeten geschaffen hat? Die Tiere? Das Wasser? Die Bäume? Dich und mich?“

„Aber wenn er dich und mich geschaffen hat, dann kann er doch auch dafür sorgen, dass wir keine Kinder mehr bekommen, oder?“

„Da sieht man, was die moderne Erziehung den Kindern antut“, murmelte Andy bitter. „Sex haben, Kinder machen, alles verschwenden, Hauptsache, alle haben ihren Spaß. Und an Gott glauben will auch keiner mehr. Vor allem nicht an den richtigen Gott, der uns befreien will.“

„Ich will ja gar nichts verschwenden. Aber…“

„Aber du tust es. Sogar in dieser Sekunde. Du atmest, du stößt CO2 aus. Du duschst. Du gehst auf die Toilette. Waster. ‚To waste` bedeutet verschwenden. Und wenn du Kinder bekommst, geht der Zirkus von vorne los. Das musst du mal kapieren!“

„Wir lernen das doch in der Schule!“

„Eine abgespeckte, nutzlose und heuchlerische Version von allem. Euer Religionsunterricht ist ein Witz, der euch ohne Glauben in die Welt entlässt. Euer Biologieunterricht ist ein Witz, der euch nicht vom Verschwenden und Vermehren abhält. Ihr tragt eure Getränkedosen in den Supermarkt und kassiert stolz eure paar Cent Pfand und denkt, wie toll ihr den Planeten bewahrt. Benutzt Kondome und bekommt trotzdem Kinder. Das ist alles nur Heuchelei.“ Er stieß die Luft aus den Lungen.

„Noch so viel zu tun, noch so viele zu erreichen. Ihr wollt alle nicht hören. ‚Was geht mich das an, ich kann doch sowieso nichts tun‘. So denkt ihr. Und genau deswegen wird Gott uns hart bestrafen. Wegen euch Halsstarrigen.“

Er wirkte erschöpft. Traurig zog er Steffi, die ihn verschreckt ansah, an sich.

„Wenn du konvertierst und auch zu unserer Gruppe gehörst, dann kannst du endlich aufatmen. Und etwas für Gott tun. Und seinen Planeten." Er strich Steffi über den Kopf.

„Ich weiß nicht ...“

„Lies weiter in meinem Buch. Wenn du Fragen hast, kannst du zu mir kommen. Nur besser nicht, wenn ich gerade bete.“

„Ok. Du ... Andy …“

„Ja?“

„Was bedeutet denn dieses IXXI an der Wand?“

„Das ist eines seiner Zeichen. Gottes Zeichen. Genau wie das Dreieck. Das göttliche Prinzip der Geometrie. In der Mitte ist der Würfel, aus dem er zu uns kommen wird. Er ist der große Baumeister. Er besitzt das alles sehende Auge.“

„Aber … in der Bibel steht doch, dass man sich kein Bild von Gott machen soll!“

Andy blickte sie finster an.

„Was habe ich dir gerade von der Bibel erzählt? Du hast wieder an deinen Haaren gespielt und mir nicht weiter zugehört, oder?“

„Doch!“

„Dann vertrau mir einfach und lies weiter. Und handle danach. Werde bewusster.“

„Da sind auch so ägyptische Symbole und so drin. Ich finde das merkwürdig. Außerdem möchte ich eines Tages vielleicht doch ein Kind. Was dann?“

Andy erstarrte. „Ein Kind? Die schlimmste Verschwendung von allen?“

„Dann bin ich das ja auch, oder? Dir wäre es also lieber, ich wäre gar nicht erst geboren worden? Und deinem Gott auch? Das passt hinten und vorne nicht! Du kannst dein dämliches Buch wiederhaben!“ Sie knallte die Tür hinter sich zu.

Andy sah ihr belämmert hinterher.

IXXI

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