Читать книгу Die Frauen von Schloss Summerset - Ed Belser - Страница 18

3

Оглавление

Cremor war sich schmerzlich bewusst gewesen, dass er als Wundarzt allein kaum weiterkommen konnte. Er hatte sich immer wieder gefragt, was ihm wichtiger wäre — sein medizinisches Wissen zu erweitern oder seine Brennerei. Doch die nächste Universität lag weit weg und er hätte es nicht ertragen, wenn plötzlich Margaret aufgetaucht wäre und er nicht da gewesen wäre. Die Universität Aberdeen, wo er als Meister am Seziertisch gegolten, jedoch keine Ausbildung abgeschlossen hatte, war weit weg. Es fehlte ihm an professioneller Anleitung und an Gesprächspartnern. Natürlich war da der Barbier und Bader auf Schloss Summerset, doch der war stets überbeschäftigt mit Haareschneiden und Zähne ziehen oder richtete gebrochene Glieder; wenn es misslang, machte er seine Fertigkeiten als Krückenmacher zu klingender Münze. Von ihm konnte er nicht viel erwarten und noch weniger von den arroganten Leibärzten des Adels, meistens Iren — für die war wiederum er der Quacksalber. Für den größten Teil der Bauern und Soldaten war dies jedoch belanglos. Entweder man betete für Genesung oder beschwor Feen und Dämonen; wenn es nicht half, gab es unzählige Heilkräuter samt Beschwörungen und Zuwendung einer weisen Heilerin. Letzteres half am meisten. Es blieben ihm die Bücher. Und es blieb ihm die Fortsetzung seiner Studien an toten Tieren, wie er sie während seiner Kindheit ausgeübt hatte, in jenem kleinen Dorf, dessen katholischer Pfarrer sein Vater gewesen war, wovon dort niemand etwas wissen durfte. Neben der Tatsache, dass er seinen Sohn verleugnet hatte, gab er ihm etwas auf den Weg, wofür sich Cremor eine gewisse Dankbarkeit abrang: Er hatte ihn Latein gelehrt.

Jedes Jahr fuhr auf Schloss Summerset der Buchhändler mit seinem Karren vor. Er bot Reisegeschichten an, darunter jene eines Seemannes, der auf eine einsame Insel verschlagen wurde, Berichte über ferne Länder und ihre Tiere oder die üppigen Dramen eines Engländers, geschrieben in schwer lesbaren Versen, die keinen Anklang fanden, denn die Leute bevorzugten einfache Prosa. Doch manchmal hatte er ein Buch dabei über Medizin, mit Kupferstichen, entweder auf Italienisch oder auf Latein geschrieben. Cremor kaufte solche Bücher stets und munterte den Händler auf, ihm mehr zu besorgen, doch musste er bis zu Lieferung meistens wieder ein Jahr warten.

Im Laufe der Zeit war neben der Brennerei ein Haus entstanden, und weil Holz kaum aufzutreiben war, bauten ihm die Hausbauer von Summerset ein massives zweistöckiges Gebäude mit mehreren Räumen. Für ihn arbeiteten sie gerne, denn er knauserte nicht und bezahlte bar und ohne Verzug. Mary, Maggie und Seumas zogen ein und lebten fast wie eine Familie zusammen. Für Seumas war Cremor der Vaterersatz, Maggie hatte nie einen solchen gebraucht. Mary pflegte die Erinnerung an ihren toten Mann William. Cremor kam ihr manchmal ein bisschen seltsam vor, weil er Jahre vergehen ließ und immer auf die Rückkehr von Margaret wartete, manchmal gar ein bisschen unheimlich, wenn sie die Skelette verschiedener Tiere in seinem Arbeitszimmer sah, die verschiedenen Präparate von Organen, eingelegt in frischem Destillat aus der Brennerei, seine zahlreichen Instrumente — von der Knochensäge bis zur feinsten Pinzette. Von den Titeln der zahlreichen Bücher konnte sie keinen entziffern, wie auch das Schreiben von Buchstaben nicht ihre Stärke war. Dabei hatte sie das Zahlungswesen der Brennerei voll im Griff, eigentlich nur die Ausgaben, und in Sachen Zahlen konnte ihr niemand etwas vormachen. Die Kolonnen ihrer vielfältigen Tabellen hatte sie mit Symbolen bezeichnet, zum Beispiel einem Gerstensack, und darunter jeweils akkurat die Zahlen und Daten. So ähnlich führte sie Lohnlisten, Bestellungen und Abrechnungen für Steuern an die Engländer. Wenn sie alle diese Zahlen und Listen zusammenzählte schauderte ihr manchmal vor den vielen Nullen, die sie anzufügen hatte. Dann befiel sie beinahe Panik und nur Cremor konnte sie beruhigen.

Er sagte jeweils: "Liebe Mary, mach dir keine Sorgen. Es ist genug da."

Genug hieß für sie genug zu essen, und nicht genügend Geld. Geld konnte man nicht essen. Eigentlich hatte es niemand so richtig bemerkt: Mary war nicht nur die Zahlmeisterin der Brennerei sondern auch diejenige die dafür sorgte, dass stets genügend zu Essen da war. Getreide für Brote, auch ein Ofen, Gemüse, Hühner, Schweine und ein ganzer Pferch voller Kühe samt Stier und Nachwuchs. Aber solange alles in genügender Menge verfügbar war, kümmerte sich niemand darum. Die Brennerei stand im Mittelpunkt. Und wenn dann noch da und dort Blumen standen, aus Marys Garten natürlich, dann freute man sich darüber.

Und Kleingeld kam auch in die Kasse. Im Brennereihof stand ein großes Fass auf einem Holzgestell. Daneben zwei Pfosten mit einem Querbalken. Daran baumelte eine bronzene Glocke, an deren Klöppel hing ein Strick. Und wenn jemand daran zog, schallte der Glockenschlag bis in die Küche von Mary und sie eilte herbei und füllte jeweils die Tonkrüge der Bauern. Seit überall englische Soldaten umherzogen, musste sie viel öfter einen Arbeiter anweisen das Fass wieder nachzufüllen.

Cremor kümmerte sich um die Einnahmen, um die Kunden und deren Belieferung, kaufte Gerste ein und Fässer. Man musste den Kunden nicht nachlaufen, sie kamen von selbst, viele aus dem Süden, gar von Edinburgh, und kauften ganze Fässer, um die Gäste ihrer Schlösser und Schenken zu bedienen. Seumas, der Jüngste von allen, war seine größte Stütze geworden. Der Junge war von morgens früh bis mittags unentwegt in der Brennerei unterwegs. Am Nachmittag wurde er von einem Lehrer unterrichtet; er war stets auf die Zeit bedacht, damit er anschließend wieder zurück in die Brennerei konnte. Seumas stand beim Müller bei den großen Mühlsteinen, wo die getrocknete Gerste gemahlen wurde, griff in das Mahlgut, sortierte die größeren und kleineren Bestandteile, schätzte den Anteil des Mehles, notierte alles in seinen Notizbüchern, die er stets bei sich trug — in einer Ledermappe, die an einem Riemen über seiner Schulter hing. Er gab dem Müller Anweisungen, wenn er einen feineren oder gröberen Mahlgang wünschte. Er griff in das Wasser, wo die Gerste zum Keimen eingeweicht wurde, holte eine Handvoll heraus und wenn Halm- und Wurzelkeim die Länge erreicht hatten, die er in seinem Buch vorgezeichnet hatte, gab er sie frei zum Trocknen auf dem Darrboden, um den Keimprozess zu beenden. Er überwachte die Feuerglut darunter, darauf bedacht, dass für eine bestimmte Menge Gerste in einem Fall völlig trockener, im anderen ziemlich feuchter Torf als Hitzespender verwendet wurde, notierte sich alles, um später auf dem Fass entsprechende Kennzeichen anbringen zu lassen. Er selbst hätte schon am Duft des reifenden Destillates erkannt, welche Art von Torf verwendet worden war. Wenn das gemahlene Gut in den großen Maischebecken aufgesetzt wurde, sah er beinahe stündlich nach, um den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, wenn die Hefe des Bäckers zugegeben werden musste. Dann dauerte es nicht mehr lange und man hörte ihn mit lauter Stimme rufen: "Es schäumt! Kommt her zum Rühren!" Und ein oder zwei der Männer kamen mit langstieligen Schaufeln und versuchten, die wie kochend aussehende Brühe zu bändigen und am Überlaufen zu hindern. Er hatte sich mal einen Spaß daraus gemacht, einen neu angeheuerten Arbeiter aufzufordern die Nase über das Gärbecken zu halten und den Duft zu erkunden und brach in lautes Gelächter aus, als dieser zurückschreckte und entsetzt hustete. Es war seine Entscheidung gewesen, den Müller um die Bäckerhefe zu bitten und er war unnachgiebig, bis er auch die Hefe eines Bierbrauers in den Händen hatte und sie in ein zweites Gärbecken einlegte. Er hatte also zwei Hefearten zur Verfügung, zwei Möglichkeiten, und daraus wiederum je drei Möglichkeiten, nämlich einen, zwei oder drei Tage der Vergärung, das ergab zusammen sechs. Er hatte die Maische eingehend verkostet und festgestellt, dass sie mit jedem Tag süßer geworden war.

Seumas war die Nase, kein Fass wurde weiter gelagert, wenn es nicht seine Ansprüche erfüllte. Der Whisky musste reifen, besser werden, komplexer, fruchtiger, aromatischer und feiner. Seumas scheute sich nicht ein Fass, das seine Vorstellungen nicht erfüllte, auszuleeren, von den Arbeitern zerlegen zu lassen und als Brennmaterial zu verwenden. Auf jedem Fass hatte Seumas mit Kalkmilch eine Zahl angebracht und führte umfangreiche Listen: Brennjahr, Holzart und Größe des Fasses. Herkunft der Gerste, Art und Dauer ihrer Trocknung, ob Holzfeuer, Torffeuer oder eine Mischung davon, Art und Herkunft der Hefe, ob des Bäckers oder des Brauers, Dauer des Einweichens und der Vergärung der Gerste, Mahlgrad — kurz: von allem, was das Destillat beeinflusste, wie er immer wieder mit Nachdruck erklärte, bevor es ins Fass kam. Und alle paar Monate beschnupperte er dessen Entwicklung, verbrachte verschiedene Muster zu Cremor. Kaum einmal legte er sich einen Tropfen auf die Zunge.

Cremor hatte ihm einmal ein Kind eines Brennereiarbeiters gezeigt: "Whisky ist nichts für Kinder. Schau ihn dir genau an."

Seumas war über dessen Kleinwüchsigkeit und Apathie erschrocken.

"Er trank mehr Whisky als Milch und Wasser. Er wird früh sterben."

Er hatte die Lektion verstanden. Nichtsdestotrotz — manchmal nahm er ein Glas Wasser und ließ ein paar Tropfen einfließen. Doch das bestätigte nur, was ihm seine empfindliche Nase bereits signalisiert hatte.

Die Blair Mhor Distillery florierte unaufhaltsam. Als Lieferant des Südens und der Engländer genoss sie einen beinahe neutralen Status, doch Cremor traute der Sache nicht so recht. Der Wiederaufbau des Dorfes kam auch nicht voran. Als Laird of Blair Mhor war er Besitzer eines abgebrannten Dorfes, einer halbwegs intakten Kirche und etlicher Tonnen Steinbrocken, groben und behauenen. Die Zahl der Flüchtlinge, die Arbeit suchten, wuchs ständig, doch die Engländer würden dahinter eine neue Bastion der Highlander vermuten, wenn er sie anstellte um Blair Mhor wieder aufzubauen. Er musste sie abweisen und jeder Blick in ein enttäuschtes Gesicht schmerzte ihn. Was fehlte, war das Kostbarste: Bauholz. Die meisten Eichen schwammen auf den Weltmeeren. Der Bau eines großen Segelschiffes verschlang Hunderte von Jahrzehnte alten Bäumen. Und die Engländer benötigten viele Schiffe.

Die einzigen Vertrauten, die Cremor auf Schloss Summerset noch hatte, waren Roderick und die Frasers — John Senior, der ehemalige Clan-Piper, und John Junior, sein Sohn und Nachfolger — die beide, jeder zu seiner Zeit, stets an der Seite von MacLennoch gewesen waren.

Alan MacLennoch. Alan. Ohne ihn gäbe es keine Brennerei in Blair Mhor. Ohne ihn prangte nicht in jedem Raum des Schlosses ein Hirschgeweih an der Wand. Ohne ihn gäbe keine Dudelsackkapelle, ihrer Zeit weit voraus. Ohne Alan wäre er, Cremor, nach dem Tod von William nicht Laird of Blair Mhor geworden.

Cremor machte sich auf zur Villa von John Fraser. Wie oft war er dort gewesen, um William und Mary zu besuchen und die kleine Maggie zu herzen. Cremor stellte einen mitgebrachten Krug auf den Schreibtisch. "Das Beste für dich, John, ein Schluck unseres ältesten Whiskys."

John holte zwei Gläser hervor. "Ich kann einen Schluck gebrauchen." Er wirkte bedrückt.

Cremor schenkte ein und sah ihn an. "Was ist los?"

"Schlimmes, mein Freund. Wir warten bis Roderick da ist, dann werde ich euch berichten. Doch sprich, was kann ich für dich tun?"

Cremor zögerte. "Ich brauche deinen Rat, John."

Beide nippten an ihren Gläsern. Cremor sprach lange, John hörte aufmerksam zu.

Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, das Glas in der linken Hand: "Du hast eigentlich nur zwei Probleme, Cremor. Eines davon hast du nicht angesprochen. Du hoffst immer noch, Margaret wiederzusehen, sonst hättest du doch längst eine Frau gefunden. Eine gute Partie wärest du." John schmunzelte. "Oder?"

Cremor strich sich mit dem Finger über Kinn und Wangen. "Ich kann sie nicht vergessen. Sie wird wiederkommen."

"Du weißt nichts über sie. Vielleicht ist sie verheiratet, hat viele Kinder. Vielleicht ist sie auch tot."

"Denkst du oft an deine Frau?"

Fraser sah auf. Sein Blick verdüsterte sich. "Immer. Aber sie ist tot. Margaret lebt."

"Wirklich … ?" Cremor erhob sich.

"Bleib ruhig sitzen. Du weißt gar nichts."

Cremor ließ sich in den Stuhl zurückfallen und lehnte sich über den Schreibtisch zu John. "Du weißt auch nichts."

"Was meinst du damit?"

"Ich will dir etwas sagen. Weißt du, wer Maggies Vater ist?"

John lächelte. "Wahrscheinlich Alan, oder?"

"Ja, John, damit hat Schloss Summerset eigentlich eine Erbin mehr. Aber das ist nur die halbe Wahrheit."

"Kennst du denn die ganze?" John sah angespannt.

"Willst du wissen, wer die Mutter von Maggie war?"

John schwieg, beugte sich jedoch vor.

"Sie hieß Shauna. Sie war die Tochter von Margaret und Ronald MacAreagh!"

Fraser lehnte sich abrupt zurück und schloss die Augen. "Wer weiß davon?"

"Maggie. Und jetzt du."

John wog den Kopf langsam hin und her. "Charlotte nicht?"

"Nein. Ihre Töchter wissen auch nicht, dass sie noch eine Schwester haben. Vielleicht weiß es Mary, nein, sie weiß es für sicher. Seumas weiß es nicht."

Cremor setzte sich. Beide schwiegen. Cremor goss Whisky nach.

John fuhr sich über die Stirn. "Das hätte ich nie gedacht. Eine verwirrende Sache." Er nahm einen großen Schluck, dann sah er Cremor ernst an, öffnet den Mund, schloss ihn wieder. "Du hast mich um Rat gefragt."

Cremor sah aufmerksam auf. Eigentlich erwartete er gar keine Erleuchtungen mehr.

"Alan hatte keine männlichen Nachkommen. Charlotte braucht wieder einen Mann. Sie allein ist den Engländern nicht gewachsen. Sie werden versuchen, die Kontrolle über unseren Clan und seine Ländereien zu erlangen. Davon bist auch du betroffen."

"Ich werde mich zu wehren wissen!" Cremors Stimme klang nicht ganz sicher.

"Die noch lebenden Chieftains und Offiziere, die als Ehemann infrage kämen sind entweder zu jung oder zu alt."

"Ist das mein Problem?"

John schloss seine Augen zu schmalen Schlitzen. Seine linke Hand umfasste das Glas. "Wir könnten das Problem lösen."

Cremor spürte ein Unbehagen in seiner Magengrube. "Wie denn?"

"Heirate du Charlotte!"

Es dauerte ein Weilchen, bis Cremor antwortete: "Du spinnst wohl! Abgesehen davon gefällt sie mir gar nicht."

"Sie muss dir nicht gefallen. Du bist Laird of Blair Mhor. Die Engländer werden es hinnehmen. Du wirst der neue Clan-Chief."

Cremor sank in seinem Stuhl zusammen. "Du bist verrückt."

"Die Liebe war selten ein Taktgeber für kluge Entscheide. Das hast du ja selbst erfahren."

"Hast du Charlotte diesen Floh schon ins Ohr gesetzt?", fragte Cremor verärgert und erhob sich.

"Wir haben das angesprochen."

"Ich werde Charlotte sicher nicht heiraten!" Cremors Stimme klang bestimmt.

John Fraser schürzte seine Lippen. "Wenn du meinst."

Cremor wollte insistieren, doch er schwieg, als Roderick hinzukam.

Fraser setzte sich an seinen Schreibtisch. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Es dauerte, bis er sagte: "Nehmt Platz, meine Freunde." Er sah sie abwechselnd an.

Cremor spürte plötzlich, dass es Fraser nur um die Zukunft des Clans ging. Darum hatte er ihn mit Charlotte verkuppeln wollen und er war auf jede Überraschung gefasst.

"Hier auf dem Schloss sieht alles fast friedlich aus. Aber ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was man mir alles berichtet. Ich kann es selbst kaum glauben." Er schloss einen Moment die Augen. "Wie damals in Blair Mhor: Dörfer werden abgebrannt, die Menschen vertrieben, wer sich wehrt, wird getötet oder verhaftet. Das Vieh wird ihnen weggenommen, alles, ihre ganze Habe. Sie hungern und frieren."

Seine beiden Besucher waren sprachlos.

Mit tonloser Stimme sprach John weiter. "Die Führer der Clans, die auf Prinz Charles setzten, sind entweder schon hingerichtet worden, oder sie sind im Gefängnis. Überall werden Gerichte eingesetzt, die jeden beim geringsten Verdacht verurteilen — Tod, Gefängnis. Verbannung. Sie werden auf Schiffe verladen und außer Landes gebracht."

Cremor und Roderick schauten einander entsetzt an.

"Das ist noch nicht alles." John senkte den Kopf und sah auf ein Stück Papier. "Es gibt neue Gesetze." Er räusperte sich, um wieder zu klarer Stimme zu kommen. "Wer mit Waffen erwischt wird, muss mit drastischen Strafen rechnen. Das ist das Recht des Siegers. Aber es geht um mehr. Sie wollen unsere ganze Kultur zerstören. Das Tragen unserer Kleidung — Kilt und Umhang — wird verboten. An unseren Schulen darf nur noch in Englisch unterrichtet werden. Man nimmt uns unsere Sprache. Es würde mich nicht erstaunen, wenn auch noch das Spielen des Dudelsackes verboten würde." Er hielt inne und sah abwechselnd zu Cremor und Roderick.

Cremor räusperte sich. "Sie zerstören die Clans. Sie wollen keine Rebellionen mehr."

Roderick nickte. "Sie wollen aus uns Engländer machen. Ein Volk, eine Sprache", murmelte er bitter.

John erhob sich. "Es ist Tatsache, dass Alan sich gegenüber den Engländern verpflichtet hat. Die Frage ist, was wir daraus machen." Er ging langsam hin und her. "Ich habe Lady Charlotte Vorschläge gemacht." Er blickte Cremor ins Gesicht und blieb vor Roderick stehen. "Ihr kennt das Highland Regiment, dass General George Wade, der Straßenbauer gegründet hat. Die Black Watch. Schotten im Dienst der Engländer. Wachhunde über ihre Brüder."

"Worauf willst du hinaus?", fragte Roderick. "Du willst doch nicht … "

"Doch", unterbrach ihn John und sah zu Cremor. "Wir haben ein Dorf zum Aufbauen. Blair Mhor. Wir haben die Summerset Pipes and Drums. Und wir haben hundert gefangene Highlander … und unendlich viele Flüchtlinge. Arbeitswillig."

Roderick wiegte seinen Oberkörper hin und her. Er zog die Augenbrauen nach oben. Plötzlich platzte es aus ihm heraus: "Das Summerset Highland Regiment!"

John schmunzelte. "Genau so wird es heißen!"

Cremors Stimme klang nicht ablehnend, als er fragte: "Und was habe ich davon?"

John nickte langsam und seine Stimme klang sicher. "Wir bauen die Kaserne in Blair Mhor. Steine hast du ja genügend. Die Engländer werden dir das Holz besorgen. Du kannst die Kirche wieder in Betrieb nehmen. Und zur Kirche gehört eine Schenke für die Soldaten. Die trinken dann deinen Whisky. Und zur Schenke gehört ein Metzger. Ein Müller. Dann kommen die Frauen. Und die Kinder. Und eine Schule, auf Englisch … "

Roderick war nicht begeistert, aber er sah ein, dass das eine gute Lösung werden könnte. "Ist sie einverstanden?"

Fraser nickte eifrig. "Ja, Charlotte will Oberst Middlehurst eine entsprechende Botschaft zukommen lassen."

Cremor erinnerte sich, dass Margaret ihm in der weißen Villa, bei einem seiner letzten Besuche spät in der Nacht, beruhigt nach ihrer Liebesstunde, erklärt hatte wie ein Schachspiel zu spielen war. Er hatte es kaum begriffen. Doch jetzt waren ihm die Regeln klar geworden. Fraser beherrschte sie perfekt. Cremor wurde bewusst, dass er eine dieser Figuren darstellen sollte. Er wusste nur nicht welche. Doch eines war ihm klar: Das Geld, das er von Margaret und Shauna erhalten hatte, das eigentlich aus der Schatulle von MacAreagh stammte, wäre gut angelegt. Je mehr Einwohner und Handwerker in Blair Mhor, desto mehr Einnahmen an Pachtzinsen. Und irgendwann würde er die englische Krone zur Kasse bitten. Ein ganzes Regiment auf seinem Land zu stationieren, das war seinen Preis wert.

"Es kann uns ja niemand daran hindern, sofort mit dem Aufbau von Blair Mhor zu beginnen, nicht wahr, Cremor?" Roderick sah triumphierend auf Fraser. "Die Spieler der Pipes and Drums langweilen sich, oder? Das wäre doch die Aufgabe für sie!"

Fraser sah überrascht aus, doch er nickte sofort. "Hervorragend! Mein Sohn braucht auch eine vernünftige Arbeit." Sie wandten sich beide erwartungsvoll zu Cremor.

"Das ist mal ein Angebot! Dem kann ich nicht widerstehen." Cremor erhob sich. "Außerdem spielt es keine Rolle, ob dieser Middlehurst einverstanden ist. Das Land gehört ja schließlich mir."

Die Frauen von Schloss Summerset

Подняться наверх