Читать книгу Das Lebenselixier - Эдвард Джордж Бульвер-Литтон, Эдвард Бульвер-Литтон - Страница 10
Kapitel VI
ОглавлениеMrs. Poyntz hatte auf dem Sofa Platz genommen; zu ihrer Rechten saß die dicke Mrs. Bruce, Enkelin eines schottischen Lords; zu ihrer Linken die magere Miss Brabazon, Nichte eines irischen Baronets. Um sie herum – einige sitzend, die meisten stehend – hatten sich alle Gäste gruppiert, ausgenommen zwei ältere Herren, die sich mit Colonel Poyntz abseits in der Nähe des Whist-Tisches aufhielten und zur Vervollständigung ihrer Partie auf den vierten Gentleman warteten, der sich jedoch nicht aus dem Zauberkreis, in den ihn die Neugierde, jene stärkste aller sozialen Dämoninnen, gebannt hatte, freimachen konnte.
„Wer das Abbots´ House bezogen hat? Das werde ich Ihnen sagen... – ah, Dr. Fenwick, freut mich Sie zu sehen. Sie wissen, dass das Abbots´ House zu guter Letzt einen Mieter gefunden hat? Und Sie, Miss Brabazon, fragten gerade, wer es bezogen hat? Ich werde es Ihnen sagen – eine ganz besondere Freundin von mir.“
„Tatsächlich? Mein Gott...!“ sagte Miss Brabazon mit verwirrter Miene „ ich hoffe ich habe nichts gesagt, dass...“
„Meine Gefühle verletzen könnte? Nicht im Geringsten. Sie sagten, Ihr Onkel Sir Phelim beschäftigte einen Kutschenbauer namens Ashleigh, das Ashleigh ein ungewöhnlicher, Ashley jedoch ein weit verbreiteter Name sei. Sie deuteten in diesem Zusammenhang den entsetzlichen Verdacht an, Mrs. Ashleigh, unser Neuzugang auf dem Hill, könnte die Witwe eines Kutschenbauers sein. Ich darf Sie beruhigen – es ist nicht, wie Sie denken. Sie ist die Witwe von Gilbert Ashleigh von Kirby Hall.“
„Gilbert Ashleigh,“ sagte einer der Gäste, ein Junggeselle, der von seinen Eltern für eine Kirchenlaufbahn bestimmt worden war, aber – genau wie der arme Goldsmith – nicht gut genug für dieselbe zu sein meinte – ein Fehler allzu großer Bescheidenheit, da er zu seinem sehr harmlosen Geschöpf herangereift war. „Gilbert Ashleigh? Ich war mit ihm in Oxford - ein Stipendiat, des Christ Church Kollegiums. Ein gut aussehender Mann, hat ziemlich geochst...“
„Geochst..? Was heißt das? Oh – fleißig studiert. Das hat er sein ganzes Leben lang getan. Er hat jung geheiratet – Anne Chaloner; sie und ich waren Jugendfreundinnen; haben im selben Jahr geheiratet. Sie ließen sich in Kirby Hall nieder – ein netter Ort, aber langweilig. Poyntz und ich verbrachten ein Weihnachten dort. Ashleigh war bezaubernd, wenn er sprach, aber er sprach sehr wenig. Anne dagegen schwatzte in einem fort, aber nur alltägliches Zeug. Kein Wunder, armes Ding – sie war so glücklich. Poyntz und ich verbrachten dort nur ein einziges Weihnachten. Freundschaft ist lang, aber das Leben ist kurz. Gilbert Ashleigh´s Leben war in der Tat recht kurz; er starb im siebten Jahr seiner Ehe und hinterließ nur ein Kind, ein Mädchen. Seither habe ich kein Weihnachten mehr auf Kirby Hall verbracht, obwohl ich hin und wieder einen Tag dort zu Besuch war und mein Bestes tat, um Anne aufzuheitern. Sie war nicht mehr sehr redselig. Sie lebte nur noch für ihr Kind, das zwischenzeitlich zu einem wunderschönen achtzehnjährigen Mädchen herangewachsen ist – ganz die Augen ihres Vaters – ein wirklich dunkles Blau – sehr selten; ein süßes Geschöpf, aber zart; ich will nicht hoffen schwindsüchtig, aber zart; sehr still – es fehlt an Leben. Meine Jane ist ganz hingerissen von ihr. Jane hat genug Lebenslust für zwei.“
„Ist Miss Ashleigh die Erbin von Kirby Hall?“ fragte Mrs. Bruce, die einen unverheirateten Sohn hatte.
„Nein. Kirby Hall fiel an Ashleigh Sumner, den männlichen Erben, einen Cousin. Und den Glücklichsten aller Cousins! Gilbert's Schwester, eine protzige Dame (alles Schau), hatte es fertig gebracht, ihren Verwandten, Sir Walter Ashleigh Haughton, das Oberhaupt der Familie Ashleigh zu heiraten – genau der richtige Mann, um einen Reflektor für eine prunksüchtige Frau abzugeben. Er verstarb vor einigen Jahren und hinterließ einen einzigen Sohn, Sir James, der letzten Winter bei einem Sturz von seinem Pferd ums Leben kam. Und wieder war Ashleigh Sumner der einzige gesetzmäßige Erbe. Während der glückliche Mensch noch minderjährig war, hatte Mrs. Ashleigh Kirby Hall von seinem Vormund gemietet. Doch nun wird er volljährig und das ist der Grund, weshalb sie Kirby Hall verließ. Lilian Ashleigh wird, wie auch immer, ein recht schönes Vermögen erhalten und mag unter uns vornehmen Armen als Erbin gelten. Möchte noch jemand etwas wissen?“
Darauf antwortete Miss Brabazon, die ihre Schlankheit dazu benützte in jedermanns Angelegenheiten hineinzuschlüpfen: „Eine sehr interessante Neuigkeit. Was könnte man mit ein wenig Geschmack aus Abbots´ House machen! So aristokratisch! Was ich daraus machen würde, wenn ich es mir leisten könnte! Der Salon sollte im Moore´schen Stil, mit geranienfarbigen Seidenvorhängen, wie das Boudoir von Lady L.... in Twickenham gehalten sein. Mrs. Ashleigh hat also das Haus bezogen! Wahrscheinlich gemietet, nehme ich an!“ Hier angekommen, flatterte Miss Brabazon ärgerlich mit ihrem Fächer und rief aus: „Aber was im Himmel sucht Mrs. Ashleigh hier?“
Worauf Mrs. Colonel Poyntz, mit der militärischen Offenheit, mit der sie ihre Gesellschaft sowohl bei Laune als auch in Furcht hielt, -
„Warum sind wir alle hierher gekommen? Kann mir das jemand sagen?“
Zunächst folgte tiefes Schweigen, das die Wirtin selbst brach.
„Keiner der Anwesenden kann sagen, weshalb wir hierher kamen. Ich kann Ihnen sagen, warum Mrs. Ashleigh kam. Unser Nachbar, Herr Vigors ist ein entfernter Verwandter von Gilbert Ashleigh, einer seiner Testamentsvollstrecker und Vormund des gesetzmäßigen Erben. Vor ungefähr zehn Tagen ließ sich Herr Vigors empfangen, zum ersten Mal übrigens, seit ich es für meine Pflicht gehalten hatte, meinen Unmut über die seltsamen Schrullen unseres armen lieben Freundes Dr. Lloyd zum Ausdruck zu bringen. Als er dort, wo Sie jetzt sitzen, Dr. Fenwick, Platz genommen hatte, sagte er in einer Grabesstimme, wobei er zugleich zwei Finger ausstreckte – so, als ob ich eine von denen (wie sagt man gleich?)..., die einschlafen, wenn man es ihnen befiehlt, wäre: „Ma´am, Sie kennen Mrs. Ashleigh? Sie korrespondieren mit ihr?“ „Ja, Mr. Vigors; ist das ein Verbrechen? Sie sehen aus, als ob es so wäre?“ „Kein Verbrechen, Ma´am,“ antwortete der Mann im Ernst, „Mrs. Ashleigh ist eine sehr liebenswürdige Dame und Sie sind eine Frau von maskulinem Verstand.“
Es folgte allgemeines Gekicher. Mrs. Colonel Poyntz brachte es mit einem Blick strenger Überraschung zum Schweigen.
„Was gibt es da zu lachen? Alle Frauen wären lieber Männer, wenn sie könnten. Sollte mein Verstand maskulin sein, um so besser für mich. Ich dankte Mr. Vigors für sein hübsches Kompliment und er fuhr fort zu berichten, dass, obwohl Mrs. Ashleigh in einigen Wochen Kirby Hall verlasse, habe sie sich noch immer nicht entschließen können, wohin sie ziehen solle. Es schien ihm unpassend, da Miss Ashleigh alt genug sei, ein wenig von der Welt zu sehen, sich länger auf dem Land zu begraben, wobei zu berücksichtigen sei, dass sie bei ihrer stillen Gemütsverfassung eine Abneigung gegen die Zerstreuungen Londons hege. Zwischen der Abgeschiedenheit des einen und dem Aufruhr des anderen stelle die Gesellschaft des Hills einen glücklichen Mittelweg dar. Es würde ihn freuen, meine Ansicht darüber zu hören. Er habe es verschoben, meinen Rat einzuholen, da er der Ansicht war, ich habe mich seinem betrauerten Freunde, Dr. Lloyd gegenüber unfreundlich verhalten; aber er befinde sich nun in einer etwas unglücklichen Lage. Sein Mündel, der junge Sumner, habe sich glücklicherweise entschlossen, lieber Kirby Hall als den viel größeren Haughton Park, der ihm so plötzlich als Erbe zugefallen war, zu seinem Landsitz zu wählen, da er für letzteren eine Einrichtung benötigen würde, die für einen unverheirateten jungen Mann nur eine unangenehme und teure Belastung darstellen würde. Mr. Vigors habe versprochen, dafür zu sorgen, dass er Kirby Hall an einem vereinbarten Termin beziehen könne, aber Mrs. Ashleigh könne nicht zum Handeln bewogen werden und sich auch nicht zu einer Entscheidung, wohin sie gehen solle, durchringen. Mr. Vigors war gezwungen, Druck auf die Witwe und das Kind seines alten Freundes auszuüben. Es sei tausendmal schade, dass Mrs. Ashleigh so unschlüssig sei; sie habe reichlich Zeit gehabt, ihre Vorbereitungen zu treffen. Ein Wort von mir zu diesem Zeitpunkt wäre ein wirklicher Freundschaftsdienst. Abbots´House stehe leer und der ausgedehnte Garten wäre dazu geeignet, die Damen das Leben auf dem Lande nicht vermissen zu lassen. Es habe sich zwar ein anderer Interessent gemeldet, aber... - „Kein Wort weiter" rief ich „niemand anders als meine liebe alte Freundin Anne Ashleigh soll Abbots´House bekommen. Damit ist die Angelegenheit geregelt.“ Ich entließ Mr. Vigors, schickte nach meinem Wagen – das heißt Mr. Barker´s gelbe Droschke und seine schnellsten Pferde – und fuhr noch am selben Tag nach Kirby Hall, das, obwohl in einem anderen County gelegen, nur fünfundzwanzig Meilen von hier entfernt liegt. Ich verbrachte die Nacht dort.
Am nächsten Morgen um neun Uhr hatte ich Mrs. Ashleigh´s Zustimmung gegen das Versprechen, ihr alle Mühen abzunehmen, eingeholt; kam zurück, ließ den Hauseigentümer holen, schloss den Mietvertrag ab, beauftragte Forbes Möbelwagen damit, das Mobiliar aus Kirby Hall zu holen und mit den Betten zu beginnen. Gestern Abend kam im Gefolge ihres eigenen Bettes auch Anne Ashleigh an. Ich habe ihr heute Morgen einen Besuch abgestattet. Sie mag den Ort, ebenso ihre Tochter Lilian. Ich habe sie heute Abend hierher eingeladen, aber Mrs. Ashleigh war müde. Der Rest ihrer Möbel sollte heute eintreffen und obwohl die liebe Mrs. Ashleigh einen so unentschlossenen Charakter besitzt, ist sie alles andere als untätig. Es wird nicht bloß die Planung, wohin die Tische und Stühle hingestellt werden sollen, gewesen sein, die für ihre Müdigkeit verantwortlich zu machen ist. Mr. Vigors ist ihr den ganzen Tag zur Hand gegangen und war – ich habe hier eine kleine Notiz von ihr – was waren ihre Worte? Zweifellos „sehr grausam und bestimmend“; nein „sehr gütig und aufmerksam“ – zwar andere Worte, die aber in Anwendung auf Mr. Vigors dieselbe Bedeutung haben.
Nächsten Montag – bis dahin müssen wir sie in Ruhe lassen – werden wir alle den Neuankömmlingen unseren Besuch abstatten. Der Hill weiß, was er sich schuldig ist; ich kann einem Mr. Vigors, der zwar respektabel sein mag, aber nicht zu den Unseren gehört, den Empfang von Personen überlassen, die sich in unseren Schutz begeben haben. Der Berg kann nicht durch einen Stellvertreter gütig und aufmerksam oder grausam und bestimmend sein. Für diese Neugeborenen darf er sich nicht als gleichgültige Patin erweisen; er erweist allen gegenüber die Gefühle einer Mutter – oder Stiefmutter – je nach Fall. Wo er sagt „dies kann keines meiner Kinder sein“ ist er eine Stiefmutter; aber wer sich seinen Armen übergab und als wünschenswerter Bekannter erwies, hat er sich, wie ich stolz behaupten darf, stets als Mutter gezeigt. Doch jetzt mein lieber Mr. Sloman, gehen Sie zu Ihrer Whistpartie. Poyntz ist ungeduldig, wenn er es auch nicht zeigt. Miss Brabazon, meine Liebe, wir würden Sie zu gerne am Piano Platz nehmen sehen - Sie spielen so göttlich! Etwas Fröhliches, wenn Sie so nett wären, etwas Heiteres, aber nicht so Lautes, - Mr. Leopold Symthe wird die Blätter für Sie wenden. Mrs. Bruce, Ihr Lieblingsspiel Einundzwanzig mit vier neuen Rekruten. Dr. Fenwick, Ihnen geht es wie mir, Sie spielen nicht Karten und machen sich nichts aus Musik; setzen Sie sich zu mir und erzählen Sie mir etwas, oder schweigen Sie, wie Sie wollen, während ich stricke!
Nachdem die anderen Gäste derart teils an den Kartentischen, teils um das Piano untergebracht waren, nahm ich neben Mrs. Poyntz in der Nische eines Fensters Platz, welches an diesem für den Monat Mai ungewöhnlich warmen Abend geöffnet bleiben konnte. Ich saß neben jemandem, der Lilian als Kind gekannt hatte und von dem ich wusste, welchen Namen ich dem Bild geben durfte, das meine Gedanken gefangen hielt. Wie viel, das ich noch wissen wollte, könnte sie mir sagen. Aber wie konnte ich das Thema zur Sprache bringen, ohne mein übergroßes Interesse zu verraten. So sehr ich auch sprechen wollte, fühlte ich mich, als ob ich mit Stummheit geschlagen wäre; verstohlen ließ ich einen unruhigen Blick über das Gesicht neben mir gleiten und war tief beeindruckt von der vom Hill längst voll Ehrfurcht anerkannten Wahrheit – nämlich dass Mrs. Colonel Poyntz eine außerordentlich überlegene Frau mit einer ungeheuren Ausstrahlung war.
Sie saß da und strickte, schnell und mit sicherer Hand; eine Frau jenseits der Vierzig, mit bronzefarbenem blassen Teint, bronze braunem Haar, das stark gelockt und hinten kurz geschnitten war – ein schönes Haar für einen Mann; Lippen, die wenn sie geschlossen waren, eine unbeugsame Entschiedenheit zeigten, beim Sprechen aber geübt leichten Humor und ins Ziel treffenden feinen Witz strömen ließen; haselnussbraune Augen, schnell und doch sicher – beobachtende, durchbohrende, unerschrockene Augen; insgesamt ein schönes Gesicht – das auch ein gutes Gesicht für einen gutaussehenden Mann abgegeben hätte. Ein scharfes Profil, klare, gut geschnittene Konturen mit einem Ausdruck, die einer Sphinx würdig gewesen wären. Ein kräftiger, jedoch nicht korpulenter Körper; von mittlerer Größe, aber mit einer Haltung, die ihn fast schlank erscheinen ließ. Eigentümlich weiße, feste Hände, die eine kräftige Gesundheit verrieten und auf ihrer Oberfläche keine Ader erkennen ließen.
Sie saß da und strickte, während ich an ihrer Seite abwechselnd sie selbst, bald ihre Arbeit betrachtete und mich der unbestimmten Vorstellung nicht erwehren konnte, dass es die Fäden meines eigenen Liebes- oder Lebensglückes waren, die da durch ihre lautlosen Finger glitten. Und wirklich wird selbst im überspanntesten Roman eine der Parzen durch einen unpoetischen weiblichen Charakter das „soziale Schicksal“ vertreten, das so wenig zur Romantik passt, wie diese weltliche Königin des Hills.