Читать книгу Das Lebenselixier - Эдвард Джордж Бульвер-Литтон, Эдвард Бульвер-Литтон - Страница 8
Kapitel IV
ОглавлениеIch hatte nun das Alter erreicht, in dem ein ambitionierter Mann befriedigt auf seine Erfolge in der Welt zurückblickend das heftige Verlangen einer unbefriedigten Zuneigung und die Leere eines einsamen Herzens zu spüren beginnt. Ich beschloss zu heiraten und sah mich nach einer Frau um. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich der Leidenschaft der Liebe keinen Platz in meinem Leben gegönnt. Tatsächlich hatte ich sogar in frühester Jugend mit einer Art stolzer Verachtung auf die Leidenschaft wie auf eine Krankheit herabgesehen, die aus weibischem Müßiggang entsprang und von einer überreizten Einbildungskraft genährt wurde.
Ich hoffte in meiner zukünftigen Frau eine vernünftige Gefährtin, einen liebevollen und zuverlässigen Freund zu finden. Keine Heiratspläne konnten weniger romantisch und nüchterner sein, als meine Überlegungen. Genau so wenig stellte ich Ansprüche überheblicher oder gewinnsüchtiger Natur. Ich achtete nicht auf Vermögen oder Verbindungen. Mein ganzer Ehrgeiz galt meinem Beruf, dem weder eine adlige Verwandtschaft noch eine üppige Mitgift dienen konnten. Ich achtete nicht auf außergewöhnliche Schönheit und verlangte von einer Frau auch nicht das Bildungsniveau der Vorsteherin einer höheren Mädchenschule.
Als ich die Entscheidung getroffen hatte, mir eine Gefährtin zu suchen, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es schwer sein würde eine Wahl zu treffen, die meine Vernunft billigen würde. Aber es verging Tag um Tag, Woche um Woche und obwohl es in den Familien, die ich besuchte, viele junge Damen gab, deren Eigenschaften meinen Vorstellungen mehr als entsprachen und die, wie ich mir schmeicheln darf, meine Werbung nicht zurückgewiesen hätten, fand ich doch keine darunter, deren lebenslanger Gesellschaft ich nicht die Einsamkeit, die ich inzwischen so lästig fand, vorgezogen hätte.
Eines Abends kehrte ich von der Visite einer armen Patientin zurück, die ich unentgeltlich behandelte und deren Zustand mich mehr in Anspruch nahm, als irgendein anderer meiner Fälle – denn obwohl man ihren Zustand im Hospital als hoffnungslos eingestuft hatte und sie nach Hause zurückgekehrt war, um im Kreis ihrer Familien zu sterben, war ich mir sicher, dass ich sie retten könne und ihr Zustand schien sich tatsächlich unter meiner Pflege zu verbessern.
An diesem Abend – einem fünfzehnten Mai – fand ich mich plötzlich vor den Toren des Hauses wieder, welches Dr. Lloyd bewohnt hatte. Das Haus war seit seinem Tod unbewohnt; die Miete, die der Eigentümer forderte, wurde als sehr hoch angesehen und seine Lage auf dem geheiligten Berg schreckte aus Scheu oder Stolz die reicheren Kaufleute ab. Das Gartentor stand weit offen, genau wie in der Winternacht, in der ich dem Sterbenden den letzten Besuch abstattete. Die Erinnerung an das Sterbebett kehrte lebhaft zurück und die phantastische Drohung des Sterbenden dröhnte erneut in meinen Ohren. Ein unwiderstehlicher Impuls, den ich mir nicht erklären konnte und auch heute noch nicht erklären kann – das genaue Gegenteil des Drangs, der uns veranlasst den Platz einer schmerzhaften Erinnerung schleunigst zu verlassen – veranlasste mich, durch das geöffnete Tor den vernachlässigten, mit Gras bewachsenen Weg zu betreten und das Haus, das ich bisher nur in der Finsternis einer Winternacht unter einem melancholischen Mond gesehen hatte, im Licht der untergehenden Frühlingssonne zu betrachten.
Als das zum Teil mit Efeu bewachsene Haus mit seinen dunkelroten Backsteinen in Sicht kam, bemerkte ich, dass es nicht länger unbewohnt zu sein schien. Ich sah Gestalten sich hinter den geöffneten Fenstern hin und her bewegen; ein beladener Möbelwagen stand vor der Haustüre und ein Diener in Livré überwachte das Entladen des Inventars. Offensichtlich war gerade eine Familie dabei, hier einzuziehen. Ich fühlte mich durch mein Eindringen ein wenig beschämt und wollte mich gerade rasch wieder entfernen, als ich Vigors in Begleitung einer Dame mittleren Alters in der Nähe des Gartentors bemerkte. Gleichzeitig bemerkte ich einen Pfad, der seitlich durch das Gestrüpp zu einer kleinen Gartentüre aus dem Garten führte. Ich wollte der Dame, die ich für die neue Besitzerin hielt, nicht begegnen, um nicht eine unbeholfene Entschuldigung für das widerrechtliche Betreten ihres Grundstückes anbringen zu müssen und noch weniger wollte ich mich in der eigenartigen und unwürdigen Lage, in der ich mich befand, dem verächtlichen Blick von Mr. Vigors aussetzen. Unwillkürlich schlug ich deshalb den Seitenweg ein, auf dem ich unbemerkt zu entkommen hoffte. Auf halbem Weg zwischen Haus und Gartentüre hörte plötzlich das Gestrüpp auf und ermöglichte den Blick auf einen von den unregelmäßigen Trümmern eines alten Backsteinbaus umgebenen freien Platz, der zum Teil mit Farn, Schlingpflanzen, Unkraut und wilden Blumen überwachsen war. In der Mitte des Kreise befand sich ein Springbrunnen oder vielmehr ein Brunnen, über den sich ein auf kleinen normannischen Säulen ruhendes verwittertes und baufälliges gotisches Vordach spannte. Eine große Trauerweide ließ ihre Äste über das unverkennbare Relikt der alten Abtei hängen. Ein Hauch von Altertum, Romantik und Legende lag über dem Platz, der so plötzlich zwischen dem zarten Grün des jungen Gewächses auftauchte. Aber es war nicht das verfallene Gemäuer oder das gotische Brunnendach, das meinen Lauf hemmte und mein Auge bezauberte.
Es war eine einsame Gestalt, die inmitten der traurigen Trümmer saß.
Die Gestalt war so zart, das Antlitz so jung, dass ich beim ersten Anblick vor mich hin murmelte: „Was für ein hübsches Kind.“ Aber als mein Blick länger auf ihr ruhte, erkannte ich in den nachdenklich hochgezogenen Brauen, dem süßen, ernsten Ausdruck des Gesichts und den leichten Rundungen des Umrisses der zarten Gestalt die unbeschreibliche Würde einer jungen Frau.
Auf ihrem Schoss lag ein Buch und zu ihren Füßen ein Körbchen, das halb mit Veilchen und Blüten gefüllt war, die offensichtlich von den die Trümmer überwuchernden Pflanzen abgepflückt worden waren. Hinter ihr fielen wie ein grüner Wasserfall in einem Bogen die Zweige der Weide in einer Woge aus zartem Grün, am Gipfel hell von den freundlichen Strahlen der untergehenden Sonne beschienen, in immer dunkleren Schattierungen bis auf den Rasen herab.
Sie beachtete mich nicht, schien mich nicht einmal wahrzunehmen. Ihre Augen schienen derart an einem Punkt des Horizonts, an der Scheitelinie zwischen den Baumwipfeln, der Ruine und dem endlosen Blau des Himmels festgebannt zu haften – so konzentriert, dass ich mich unwillkürlich umwandte, um der Richtung ihres Blicks folgen zu können. Es schien, als warte sie darauf, dass irgend ein vertrautes Zeichen aus den Tiefen des Alls auftauchte oder als wolle sie vor irgend einem anderen Lebewesen das erste Blinken des Abendsterns wahrnehmen.
Die Vögel hüpften aus den Zweigen der umgebenden Bäume und Sträucher so furchtlos neben ihr herum, dass einer von ihnen sogar an den Blumen in dem Körbchen zu ihren Füßen herum pickte. Es gibt ein berühmtes deutsches Gedicht mit dem Titel „Das Mädchen aus der Fremde“, das ich in meiner Jugend gelesen hatte und je nach Ansicht des Kommentators als Allegorie auf den Frühling oder die Poesie gedeutet wurde. Es schien mir, als ob das Gedicht für sie geschrieben worden wäre. In der Tat hätte ein Dichter oder Maler in ihr eine Verkörperung beider Prinzipien, jedes eine Bereicherung für die Erde erkennen können: beide bezaubern die Sinne unserer Wahrnehmung und doch rufen beide Gedanken in uns hervor, die zwar nicht unbedingt traurig zu nennen, aber doch der Trauer verwandt sind.
Ich hörte hinter mir das Geräusch von Schritten und eine Stimme, die ich als die von Mr. Vigors erkannte. Der Zauber, der mich gebannt hielt, zerbrach und ich eilte verwirrt auf die kleine Gartentüre zu, welche mich über eine kleine abwärts führende Treppe auf die Hauptstraße hinaus führte. Und wieder lag der Alltag vor mir. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite Häuser, Läden, Kirchtürme; einige Schritte weiter das geschäftige Treiben der Straßen! Wie unendlich weit und doch so kurz liegt die normale Welt vom Feenland der Romantik entfernt, das sich vor uns aus der Härte der materiellen Welt öffnet, wenn sich die Liebe an unsere Seite stiehlt, um wieder in sie zurückzusinken, sobald die Liebe lächelnd oder seufzend sich von uns verabschiedet!