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„Sagtest du, für sechs Personen decken?“

Lou Feldmann ließ das Messer sinken, die Zwiebeln auf dem Schneidebrett vor sich Zwiebeln sein und wandte den Kopf in Richtung Tür zur Gaststube, wo Hassan stand, der versuchte, gegen die schrägen Jan-Garbarek-Töne aus dem CD-Player anzukommen, und ihn fragend ansah. Lou kniff die Augen zusammen. Richtig, heute machte Hassan die Theke. Nicht Remy. Heute war Dienstag.

„Ja“, nickte er und zählte an den Fingern ab. „Sylvie, Dimitri, Remy, Aydin, Ricardo, ich – sechs.“ Bevor er sich wieder seinen Zwiebeln zuwandte, fragte er: „Weißt du, wo Irina steckt?“

„Holt eben noch die Baguettes ab. Muss jeden Moment da sein.“

Lou nickte zufrieden. Es war Remys Vorschlag gewesen. In ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin hatte sie für Aushilfen zu sorgen. Irina kam für Aydin, Hassan für Remy. Zweimal die Woche, dienstags und donnerstags, ergänzten die jungen Stammgäste vom Billardtisch das Team. Zuverlässig. Bis Remy und Aydin gegen halb elf erschöpft, aber zufrieden, dass sie diesen Sprung geschafft hatten, aus der Schule kamen. Mit dieser Regelung war allen geholfen: Irina sparte auf einen Motorroller, Hassan konnte sein Studium finanzieren. Und über den Tresen hinweg ausgiebig mit Anni flirten, die dann, wenn sie Feldmanns Bestellungen vorbeibrachte, die dieser bei Metzgermeister Schulz, ihrem etwas tyrannischen Vater, geordert hatte, gern noch eine Weile blieb, um sich damit vorübergehend der väterlichen Kontrolle zu entziehen.

In der Gaststube waren bisher nur zwei der kleineren Tische besetzt. Ein Pärchen mit Salattellern und Energydrinks vor sich, drei Bier trinkende Büromenschen jüngeren Alters. Im hinteren Teil machte Hassan sich daran, zwei Vierertische zusammenzuschieben und eine weiße Tischdecke darüber zu breiten. Als er sah, dass Irina, die Tüte mit den Baguettes im Arm, vor Dimitri Cordalis und Hund Rudi zur Tür hereinkam, winkte er sie zu sich heran. „Machst du hier weiter? Sechs Personen.“ Er wusste, Cordalis wartete nicht gern. „Wein? Ouzo? Whisky? Bier?“, fragte er ihn, als er an ihm vorbei wieder hinter den Tresen ging.

„Espresso, einen doppelten.“ Cordalis hievte sich auf einen Barhocker und fuhr sich mit den Fingern durch seine dichte weiße Mähne. „Wird noch lang genug, der Abend.“ Er nahm Rudi die Leine ab, legte sie vor sich auf den Tresen und deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden neben seinem Hocker. „Setz dich hin.“

Rudi blieb mit dem Rücken zu ihm stehen und witterte in Richtung Küche. Was er von dort in die Nase bekam, gefiel ihm offensichtlich, denn er schnupperte intensiv, wandte den Kopf und sah Cordalis auffordernd an.

„Du bleibst hier“, Cordalis legte ostentativ die Hand auf Rudis Leine, „sonst …“ Rudi machte zwei vorsichtige Schritte auf die Tresenecke zu, schlug dann aber doch den Rückwärtsgang ein und sank mit einem resignierten Seufzer neben Cordalis’ Hocker zu Boden, wo er sich, den Kopf zwischen den Vorderpfoten, schlafend stellte.

Die Gerüche aus der Küche ließen auch Cordalis aufschauen und beifällig vor sich hin nicken. Bei Lous Kalbfleischpflanzerln langte auch er gern zu. Hassan, der vor der Espressomaschine darauf wartete, dass der Kaffee durchgelaufen war, beobachtete ihn. „Sylvies Lieblingsessen. Mit Kartoffel-Gurken-Salat“, sagte er, als er die Espressotasse und ein Glas Wasser vor Cordalis auf den Tresen stellte. Cordalis zog eine Grimasse, fuhr sich mit der Hand über den Bauch und seufzte. „Wird also wieder nichts mit Diät.“

Hinten in der Gaststube brachte Irina die Servietten auf dem fertig gedeckten Tisch in Position, trat einen Schritt zurück und begutachtete ihr Werk. Ganz zufrieden war sie nicht. Auf der Türschwelle zur Küche fiel ihr ein, was fehlte.

„Findest du nicht, Lou, dass zu einem Geburtstagsessen auch Kerzen gehören?“

„Unbedingt. Nimm die Tafelkerzen, Irina, und dann“, Lou zog den Topf mit den gekochten Kartoffeln von der Platte, „dann brauche ich dich hier zum Kartoffelnpellen.“

„Ist Manu immer noch nicht wieder da?“, fragte Irina, als sie mit Kerzen und Kerzenständern an Cordalis vorbei zurück an den Tisch ging.

„Dem hab ich für länger freigegeben.“

„Wo ist er eigentlich?“

„Dubrovnik. Hatte überraschend eine Mitfahrgelegenheit gefunden. Und gemeint, ich sei ihm sowieso einen ganzen Jahresurlaub schuldig“, knurrte Cordalis. Erfreut schien er darüber nicht zu sein. Vielleicht, dachte Irina, beleidigt es seinen griechischen Stolz, dass Manu sich die „Perle der Adria“ als Urlaubsziel erkoren hat. Und es stößt ihm sauer auf, dass er deshalb auf Manus Chauffeurdienste verzichten muss. Sie hatte gehört, dass Cordalis von den Männern in seiner Umgebung ohne die geringste böse Absicht Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit verlangte. Auch wenn er sehr gut wusste, dass diese Zeiten der Ausbeutung vorbei waren. Aber Probleme mit Lou Feldmann konnte er sich nicht erlauben. Feldmann war Manus Onkel, und es war seine Idee gewesen, Manu im Rahmen eines ordentlichen Arbeitsverhältnisses seine Schulden bei Cordalis abarbeiten zu lassen. Eine Regelung, mit der Cordalis inzwischen hoch zufrieden war, da Manu sich ganz offensichtlich als umsichtiger und zuverlässiger Fahrer entpuppt hatte. Kein Wunder, dachte Irina und verkniff sich ein Lächeln, wenn Dimitri Cordalis es lästig findet, dass zu einem ordentlichen Arbeitsverhältnis auch Anspruch auf Urlaub gehört.

Ohne auf Cordalis’ griesgrämigen Unterton einzugehen, sagte sie bloß: „So viel Glück wie der möchte ich auch mal haben.“ Sie stellte die Kerzen ab, rückte die Teller zurecht und ging dann zu Lou in die Küche.

„Dreimal Linsensuppe!“ Vom Tresen her tönte Hassans Stimme gegen die Bob-Marley-CD, die er gerade eingewechselt hatte, an. Es waren neue Gäste eingetroffen. Hinten in der Küche nahm Lou sich – nicht zum ersten Mal – vor, Hassan nahezulegen, für Essensbestellungen doch bitte die drei oder vier Schritte bis zur Küchentür zu kommen. Der Lautstärke halber, der Diskretion halber, der ganzen Atmosphäre halber. Oder werde ich alt, dachte er, unleidlicher, empfindlicher, intoleranter?

Er stellte drei Suppenschalen auf einem Tablett bereit und gab Irina einen Wink. Er war dankbar, dass sie auch ohne Worte verstand, Besteck und Servietten dazulegte, auch ein Körbchen mit Baguettescheiben, und das Tablett draußen an Hassan weitergab. Heute Abend – ein Blick aus dem Fenster zum Hinterhof belehrte ihn, dass es bereits dunkel war – also in absehbarer Zeit ging es um Sylvie, nur um sie. Um ihrer aller Freundin Dr. Sylvie Westphal.

Und der Kartoffelsalat war noch nicht fertig. Er musste einen Gang zulegen. Die Zeiger der Küchenuhr bestätigten ihn: kurz vor acht. Er stellte die Flamme unter der Pfanne mit den letzten Fleischpflanzerln kleiner, vergewisserte sich, dass er die Warmhaltestufe unter den bereits fertig gebratenen eingeschaltet hatte, und griff sich den Gurkenhobel. In Stress geraten würde er trotzdem nicht. Schon in seiner aktiven Polizistenzeit war es eine seiner wichtigsten Eigenschaften gewesen, dass er Ruhe bewahren konnte. Stoische Ruhe, umso mehr, wenn alle anderen um ihn herum ins Flattern kamen. Gelassenheit, einen kühlen Kopf. Als er fast mit den Gurken fertig war, klopfte es an die Hintertür. Im Flur zum Hintereingang stand Ricardo, einen Strauß Sonnenblumen in der linken Hand. Lou musterte ihn amüsiert. Zu diesem langen, sehnigen Kerl mit dem Meckihaarschnitt über dem stets melancholischen Pferdegesicht passten Schusswaffen aller Art eindeutig besser als Blumensträuße.

„Ricardo.“

Ricardo, mit richtigem Namen Richard Mittelberger, war Präzisionsschütze beim SEK und einer der wenigen ehemaligen Kollegen, die Lou über seinen Abschied hinaus die Freundschaft gehalten hatten. Außerdem hatte er, seitdem er drei Stockwerke über ihm im Dachgeschoß wohnte, das LOU’s zu seinem Wohnzimmer erkoren.

„Ich dachte, wir feiern.“ Er ging durch die Küche zur Gaststubentür und schaute sich suchend im Raum um. „Wo ist denn unser Geburtstagskind?“

„Müsste jeden Moment da sein. Aber du weißt ja, wie das bei Sylvie ist. Braucht bloß noch ein Notfall reingekommen zu sein.“

Ricardo legte die Blumen neben die Spüle. „Wieso steht dann ihr Auto vor der Tür?“

„Was sagst du?“ Lou wischte sich die Hände ab und folgte Ricardo durch den Hintereingang nach draußen.

Der rote Alfa Giuletta war unverkennbar Sylvies Wagen. Noch bevor Feldmann feststellte, dass die Türen nicht verschlossen waren, verhakte sich sein Blick an einem auf dem Gehsteig liegenden Schlüsselbund. Er hob ihn auf, drückte die Fernbedienung, die Verriegelung schnappte ein. Kopfschüttelnd holte Lou sein Mobiltelefon aus der Hosentasche, wählte Sylvies Nummer. Dass es klingelte, war deutlich zu hören. Ebenso die abrupte Unterbrechung, noch bevor die Mailbox sich einschalten konnte. Schweigend gingen sie hintereinander her zurück, durch die Küche, an den Tresen. Lou blieb dahinter stehen, Ricardo baute sich auf der anderen Seite neben Cordalis auf. „Mach uns mal bitte zwei Corretto, Hassan“, sagte Lou. Ricardo hob abwehrend die Hand. „Gin.“ Er wies mit dem Zeigefinger ins Regal hinter dem Tresen. „Da steht meine Flasche.“

Gefährliche Erben

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