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„Schau nicht dauernd auf die Uhr“, sagte Schuster zu Mahlmann. „Und geh von der Tür weg.“

Mahlmann kam herein, nahm seine Armbanduhr ab, legte sie auf den Küchentisch, an den Schuster sich gesetzt hatte. „Er ist schon eine halbe Stunde über der Zeit“, sagte er und lehnte sich an einen Küchenschrank. Die Küche war verdreckt, Ratten und Mäuse waren hier zu Hause. In diesem alten Bauernhof, der später zu einer LPG gehört hatte. In den neunziger Jahren hatte ein Westdeutscher Haus und Grundstück gekauft, um es mehr schlecht als recht instand zu setzen und zu bewirtschaften, bis er vor einigen Jahren plötzlich wieder verschwunden war. Seither stand die Immobilie leer und zum Verkauf. Der Makler war für die nächsten drei Monate auf den Bahamas.

Schuster hatte das alles ausgekundschaftet. Er war der Macher, er war der Chef. Mahlmann sah den Vierzigjährigen mit dem stoppeligen Military-Haarschnitt an und wurde die Angst nicht los, die er vor ihm hatte. Schuster lächelte sanft. Er hatte offensichtlich das bessere Gehör. Dann hörte Mahlmann es auch. Ein Motorrad kam näher, es fuhr auf den Hof.

Fred schloss das wacklige Gittertor hinter sich, schob die Maschine in eine Scheune, in dem auch zwei PKW standen, nahm den Aktenkoffer in beide Hände. Erfolg, dachte er. So muss Erfolg aussehen. Er trug den Koffer vor sich her, schob mit dem Fuß das Scheunentor zu, ging über den Hof zum Wohngebäude, trat stolz durch die offene Tür in die Küche. Er sah zu Mahlmann, der am Küchenschrank lehnte und ein Strahlen im Gesicht hatte, wie die Sonne, wenn sie morgens hinter dem Horizont hervorkroch. Er legte den Koffer vor Schuster hin, der am Küchentisch sitzen geblieben war und äußerlich nicht die geringste Reaktion zeigte. Milde, dachte Fred, er ist milde gestimmt. Er weiß, dass ich meinen Job gemacht habe. Jetzt ist Zahltag, jetzt kriege ich meinen Waschsalon. Wenn du dich nicht freuen kannst, ich tue es für uns alle.

Schuster nickte ihm zu, zog den Koffer zu sich her, öffnete ihn, blickte kurz auf den Inhalt. Er lächelte.

Fred erstarrte. Schusters Lächeln machte ihm Gänsehaut. Es war ein böses Lächeln. So böse, wie Fred es noch nie bei jemandem gesehen hatte.

„Hast du irgendwo unterwegs angehalten?“, fragte Schuster mit sanfter Stimme. „Oder hat dich jemand ausgeraubt?“

Fred war sprachlos. Er verstand nicht.

Schuster nahm die Geldbündel, warf sie einzeln auf den Tisch, zählte dabei. „Zwanzigtausend“, sagte er kalt. „Wir haben zwei Millionen verlangt. Wenn du den Rest nicht beiseitegeschafft hast, Fred, dann will der Graf uns verarschen.“

Schuster stand auf. Er lächelte nicht mehr. Er ging auf Fred zu, der plötzlich die Angst im Nacken hatte. Der Mann war früher bei einer Spezialeinheit der Bundeswehr gewesen. Vermutlich hatte kein Gefangener je eines seiner Verhöre überlebt. Schuster legte beide Hände auf Freds Schultern, die Daumen bohrten sich in seine Nervenstränge. Fred zog sich vor Schmerz zusammen, sah Schuster dabei in die Augen. Der schüttelte nach einer Weile resigniert den Kopf und ließ Fred los, nickte, wandte sich wieder dem Koffer zu, holte das Kuvert heraus, kippte den Schmuck auf den Tisch. Er sah nur kurz hin, las, was auf dem Umschlag stand: Bitte.

„Sie hat ihren ganzen Schmuck hineingesteckt“, sagte Fred.

„Nur den, den sie dabeihatte“, entgegnete Schuster kalt. Er schob den Schmuck zusammen und warf ihn in den Koffer zurück, wedelte mit dem Umschlag. „Bitte.“ Er schaute vor sich hin, nickte wieder, sah Mahlmann und Fred an. „Ich habe mal in einem Restaurant am Nebentisch gesessen und beobachtet, wie sie einen Kellner fertiggemacht hat.“ Schuster schüttelte leicht und fast nachsichtig den Kopf. „Das Wort ‚bitte‘ kennt die nicht, diese arrogante Schnepfe. Aber vielleicht hat sie inzwischen in einem Wörterbuch nachgeschlagen.“

„Vielleicht sind die ja tatsächlich so pleite, dass sie ihren Schmuck geopfert hat, um uns gnädig zu stimmen“, warf Mahlmann vorsichtig ein.

Schuster schaute ihn an, als zweifle er an seinem Verstand. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich so eine Geschichte plane, ohne dass ich mich vorher genauestens über die Vermögensverhältnisse informiert habe? Ich habe euch doch nicht engagiert, um einem Nackten in die Tasche zu greifen. Die Gräfin hat es nur einfach mit Schmierentheater versucht.“ Er ging zur Arbeitsplatte beim Herd, griff nach dem Werkzeugkoffer, der neben einem Einkaufskorb mit Gemüse stand. „Das Licht im Keller, hast du das hingekriegt?“

„Klar“, sagte Mahlmann mit einem Anflug von Stolz, „unsere Stromversorgung läuft jetzt einwandfrei.“

Schuster öffnete den Werkzeugkoffer, nahm einen 180er Seitenschneider heraus, sah auf das Gemüse. „Schon wieder Gemüse. Ich hab gedacht, du hast außer Elektriker auch Koch gelernt.“ Schuster schnitt mit dem Seitenschneider eine Möhre durch.

„Ich hab nicht vor, hier ein Restaurant aufzumachen“, erwiderte Mahlmann. „Hauptsache, unser Gast verhungert nicht.“

Schuster setzte sich eine Sturmhaube auf, ging zur Kellertür, schloss sie auf und stieg die Treppen hinab, den Seitenschneider in der Hand.

Fred starrte weiter auf die magere Beute im Aktenkoffer. „Scheiße ist das. Das sind nicht mal unsere Ausgaben.“

Mahlmann sah sich den Schmuck an. „Wenn das alles echt ist, dann muss sie ein Vermögen dafür hingelegt haben.“

„Sie nicht. Ihr Alter vielleicht. Aber bei einem Hehler kriegst du für die Klunker gerade mal ein paar Tausend.“

Ein Schrei gellte durch den Keller herauf in die Küche und ließ die beiden erstarren. Es hörte sich an wie ein Todesschrei. Die beiden sahen sich an.

„Nein“, sagte Mahlmann verzweifelt, „bitte nicht.“

Schuster kam aus dem Keller, nahm die Sturmhaube ab, warf den Seitenschneider in die Spüle und einen abgetrennten Finger in den Aktenkoffer zum Geld und dem Schmuck. Er sah Fred an. „Du warst doch mal Sani bei der Bundeswehr. Geh runter und verbinde unserem Gast die Hand. Er blutet wie Sau. Und vergiss deine Kapuze nicht.“

„Und wo nehme ich Verbandszeug her?“

„Ein Verbandskasten liegt im Kofferraum vom BMW. Und du, Mahlmann, fährst sofort mit dem Motorrad zum Grafen und stellst ihm seinen Koffer vors Tor. Und bist gleich wieder da. Vergiss den Helm nicht. Und denk an die Überwachungskameras.“

Gefährliche Erben

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