Читать книгу Gefährliche Erben - Elfi Hartenstein - Страница 14
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Оглавление„Arschloch“, schnauzte Schuster, der beim Klang des ankommenden Motorrads ans Fenster getreten war und durch den zur Seite geschobenen Vorhang hinausgespäht hatte. Als Fred die Küchentür öffnete und hereintrat, raunzte er ihn an: „Tickst du noch richtig, Feldmann hierher mitzubringen?“
Fred hob die Schultern. „Ging nicht anders. Er hat mich erkannt und wollte die Medikamente nicht rausrücken. Was hättest du denn gemacht an meiner Stelle?“
„Hat er eine Waffe?“
„Kein Messer, keine Pistole. Wie gut er mit den Händen oder Fäusten ist, weiß ich nicht.“
„Wer ist das, dieser Feldmann?“, fragte Mahlmann vom Tisch her. „Kenne ich den?“
„Lou Feldmann“, sagte Schuster, „Ex-Bulle. Jetzt Schlichter. Ziemlich harter Hund. Zieh dir was an.“
Er griff nach seiner Sturmhaube und zog sie sich über.
Mahlmann stellte sich hinter die Gardine und sah zum Fenster hinaus.
Feldmann war neben dem Motorrad stehen geblieben. Er zog sich den Helm vom Kopf und riss an dem um seinen Kopf verknoteten Schal. Er wickelte ihn ab, legte Helm und Schal auf die Maschine und schaute sich um. In der mondbeschienenen Dunkelheit konnte er nur vage die Dimensionen des Hofes erfassen, die Mauern neben dem Tor, durch das sie gekommen waren, das Wohngebäude, aus dem durch die Haustür und ein Fenster ein wenig Licht auf den betonierten Boden fiel, die Umrisse zweier über Eck stehender Anbauten, Garagen, Scheunen, was auch immer. Es roch modrig, unbewohnt. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Ein stillgelegtes Gehöft, irgendwo auf dem Land. Außerhalb der Einzäunungsmauer gab es Bäume und Gebüsch, jedenfalls waren kleine leise Geräusche wie von einem im Schlaf aufgestörten Vogel zu vernehmen. Sekundenlanges Flügelschlagen. Länger anhaltendes fernes Zirpen.
Drinnen stülpte Mahlmann sich die Sturmhaube über.
„Ich bring ihn runter“, sagte Fred, „er hat die Medikamente in seiner Tasche.“
„Warum nimmst du sie ihm nicht einfach ab?“, fragte Mahlmann.
„Weiß er etwas von der Entführung?“, fragte Schuster.
„Nein“, sagte Fred, „woher sollte er …“
„Warum ist er dann mitgekommen und riskiert sein Leben?“
„Es ist die Ärztin, nehme ich an, um die er sich Sorgen macht. Denn von dem Knaben kann er nichts wissen.“
„Wenn er uns Schwierigkeiten macht, Fred, löst du das Problem. Du hast es angeschleppt. Aber vielleicht kann er uns ja auch nützlich sein.“
Feldmann sah zu Fred, der in der Tür stand, sich eine Sturmhaube überzog und ihn heranwinkte. Feldmann ging auf ihn zu. Im Hausflur sah er rechts neben dem Eingang den Lichtschein unter der Tür, die zu dem Zimmer gehören musste, dessen helles Fenster er vom Hof aus gesehen hatte. In dem kleinen Windfang direkt bei der Haustür gab es noch eine andere Tür. Fred öffnete sie. Dahinter ging es offenbar in den Keller. Fred wies auf eine Treppe.
„Wenn du denen da unten sagst, dass du mich kennst, sind sie tot.“ Hintereinander stiegen sie die von einer schwachen Glühbirne kaum beleuchteten, abgetretenen Backsteinstufen nach unten. Zu seiner Linken nahm Feldmann zwei Stahltüren wahr, auf der anderen Seite Bretterverschläge. An der ersten Tür machte Fred sich mit einem Schlüssel zu schaffen. Als er das Schloss aufgesperrt hatte, ließ er Feldmann an sich vorbeigehen.
Im schwachen Licht einer von der Decke baumelnden Glühbirne sah Feldmann Sylvie am unteren Rand eines Diwans sitzen. Auf dem Diwan lag mit angezogenen Beinen ein schmächtiger Junge. Feldmann konnte nicht einschätzen, wie alt er war, vielleicht acht, vielleicht auch schon zehn oder elf Jahre. Den Kopf hatte er auf Sylvies Schoß gebettet, seinen linken Unterarm hielt er angestrengt in die Höhe. Die Hand daran war dick verbunden, der Verband rot durchnässt. Mit drei Schritten stand Lou neben Sylvie, bückte sich zu ihr hinunter und nahm sie in die Arme. Dann zog er das Päckchen mit den Medikamenten aus der Tasche.
„Ich hoffe, ihr habt schon mal angefangen, meinen Geburtstag zu feiern“, sagte Sylvie, als sie nach den Medikamenten griff und aufstand.
„Haben wir nicht“, sagte Lou. „Nur den Tisch festlich gedeckt.“
„Und ich dachte, ihr habt es vergessen.“
„Nur weil ich noch nicht dazu gekommen bin, dir alles Gute zu wünschen?“
„Schau, Albert“, wandte Sylvie sich an den Jungen, der ebenfalls aufgestanden war und erstaunt zwischen ihr und Feldmann hin- und hersah, „jetzt haben wir erst einmal das, was du am dringendsten brauchst. Und hier“, mit einer Kopfbewegung zu Feldmann, „das ist mein Freund Lou. Der sorgt dafür, dass wir hier wieder rauskommen.“
Albert nickte, machte eine halbe Drehung von ihr weg und starrte auf den Boden. Sehr überzeugt schien er nicht.
„Das reicht jetzt“, tönte Fred von der Tür her, wo er stehen geblieben war. Feldmann legte Albert eine Hand auf die Schulter. „Wir kriegen das schon hin. Und außerdem, Sylvie ist die beste Ärztin, die ich kenne.“ Er nickte ihr zu und ging an Fred vorbei durch die Tür. Fred schloss hinter ihm ab.
Oben in der Küche saßen Schuster und Mahlmann am Tisch und schwiegen sich an. Sie hatten ihre Sturmhauben auf, unter denen sie schwitzten. Als Fred und Feldmann hereinkamen, wies Schuster mit seinem Kinn auf die zwei freien Stühle. Fred nahm seine Haube ab, setzte sich. Feldmann blieb stehen. „Wer von euch macht den Chef?“
„Es ist schon zu viel, dass du mich kennst“, sagte Fred.
„Feldmann“, sagte Schuster. Er nahm eine Pistole aus einem Holster unter der Jacke, entsicherte sie mit dem Daumen, richtete sie fast gelangweilt auf Feldmanns Bauch. „Wir können dich gleich erschießen. Aber vielleicht geben wir dir die Möglichkeit, dass du dich in dieser, sagen wir: Angelegenheit, nützlich machst. Du giltst als ein hervorragender Schlichter.“
„Bei Entführungen schlichte ich nicht“, sagte Feldmann.
„Dann nennen wir es eben vermitteln. Du sorgst dafür, dass wir bis morgen unsere Kohle haben. Dann schaffen wir den Knaben ins Krankenhaus und lassen deine Freundin laufen. Wenn nicht, vergraben wir sie und den kleinen Schnösel da draußen im Wald. Du achtest darauf, dass uns keine Bullen in die Quere kommen. Du magst doch sowieso keine, habe ich gehört. Du traust keinem deiner Ex-Kollegen über den Weg. Wir genauso wenig.“
Feldmann schwieg. Nur der Kühlschrank dröhnte in die Stille hinein. Als er mit einem lauten Rülpser zur Ruhe kam, fragte Feldmann: „Um wen geht es, und um wie viel?“
„Zwei Millionen. Keinen Cent weniger. Aber der Herr hat gerade mal ein Prozent geliefert. Meinte wohl, wir geben uns damit zufrieden. Das hat seinem Jungen einen Finger gekostet.“
„Wer ist er?“, hakte Feldmann nach.
„Der Graf Steinfurt.“
„Sagt mir nichts.“
„Altes Geld. Großgrundbesitz.“
Feldmann sah Fred an. „Fahr mich hin.“
„Wir geben ihm bis morgen Nachmittag“, sagte Schuster kalt. „Vierzehn Uhr.“
Feldmann ging zur Küchentür, drückte die Klinke und trat auf den Hof hinaus. Fred lief eilig hinter ihm her.