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ОглавлениеFred Klotz brachte Feldmann nach Berlin zurück. Es war dunkle Nacht. Er fuhr vorsichtig, was ihm große Schwierigkeiten bereitete, und Feldmann auf dem Sozius war ihm unangenehm. Sie kamen in der Schloßstraße an, Fred hielt in einer Einfahrt. „Den Rest kannst du zu Fuß gehen“, sagte er, „Scharfschützen sind mir zuwider.“
Feldmann stieg ab. Fred gab Gas.
Feldmann nahm den Helm ab, überquerte die Straße, ging über die Hedwigstraße zu seinem Lokal. Davor auf dem Gehsteig stand noch ein Moped.
Drinnen lehnte Ricardo am Fenster, sah hinaus, stoisch wie immer. Keiner merkte ihm an, wie beunruhigt er war. In der einen Hand hielt er einen Teller, in der anderen eine halbe Bulette, die zweite Hälfte hatte er im Mund und kaute. Er beobachtete Lou, wie er den Helm an den Lenker des Mopeds hängen wollte, es sich anders überlegte und damit hereinkam.
Feldmann überblickte schnell die Gäste. Hassan und Irina standen inzwischen mit Flo am Billardtisch. Den Dienst hatten Remy und Aydin übernommen. Remy stand hinter dem Tresen und zapfte ein Bier. Aydin kam aus der Küche mit drei Tellern, auf denen Fleischpflanzerln mit Kartoffelsalat lagen, brachte sie an einen Tisch, an dem eine Skatrunde saß, wünschte hastig „Guten Appetit“ und lief auf Feldmann zu.
„Was ist mit Sylvie?“, fragte sie und fasste ihn an den Armen.
„Sie kommt heute nicht mehr“, sagte er.
Er sah hinüber an den für Sylvies Geburtstag gedeckten Tisch, an dem als Einziger Dimitri Cordalis saß und sich mit großem Genuss über die auch von ihm so geschätzten Kalbfleischpflanzerln hermachte. Er schaute kurz von seinem Teller hoch, sah Feldmann, der ihm zunickte und mit einer Kopfbewegung zu seinem Büro hindeutete.
Feldmann legte den Helm auf den Tresen. Aydin war neben ihm stehen geblieben.
„Abend, Remy“, grüßte Feldmann. „Habt ihr alles gut geschafft?“
„Ja“, sagte Remy, „hast du jemals an uns gezweifelt?“
„Nein“, sagte Lou, wiegte seinen Kopf, „nur manchmal ein bisschen. Ich bin in meinem Büro.“ Er schob ihr den Helm hin.
Remy nahm ihn und legte ihn beiseite. „Der Mopedfahrer ist schon weg. War zu besoffen, um weiter auf dich zu warten. Er holt seine Maschine und den Helm morgen ab.“
Feldmann nickte zu Ricardo hinüber. Der stellte seinen Teller ab, nahm sein halb leeres Glas vom Tresen und folgte ihm ins Büro. Dimitri steckte sich den letzten Bissen in den Mund und schlenderte den beiden hinterher.
Im Büro setzte sich Feldmann hinter den Schreibtisch, Dimitri fläzte sich in die Ledercouch, die ihm Lou nicht verkaufen wollte, Hund Rudi schnupperte über den Boden und drehte sich dreimal im Kreis, bevor er sich vor Dimitris Füße legte, Ricardo lehnte sich neben der Tür an die Wand.
„Lou, hat sich ein Bluter ins Bein geschossen, oder was ist passiert? Ich habe meine Kontakte abgefragt und nichts erfahren, was Sylvies Entführung begründen könnte.“
Es klopfte an der Tür.
„Ja!“, rief Feldmann.
Flo steckte seinen Kopf herein. „Ich will nicht stören.“ Er spürte die Anspannung im Raum. „Nur fragen, ob wir irgendwie helfen können“, sagte er vorsichtig, „wir merken doch, dass irgendetwas nicht stimmt. Ist was mit Sylvie?“
„Nein“, sagte Feldmann, „es gibt im Moment nichts zu helfen. Aber danke.“
Flo zog die Tür wieder hinter sich zu.
„Ein Junge hat seinen kleinen Finger verloren“, sagte Feldmann trocken. „Er ist Bluter.“
„Entschuldige meinen Scharfsinn“, sagte Ricardo, „aber da er nicht in die Klinik gebracht wurde, hat er den Finger wohl nicht freiwillig verloren. Schätze, man hält ihn versteckt. Wurde er entführt?“
Feldmann nickte, holte aus seinem Schreibtisch eine Flasche und ein Glas heraus, schenkte sich ein.
Cordalis fragte: „Was trinkst du da?“
„Einen zehnjährigen Malt.“
„Gib mir auch einen.“
Feldmann holte ein zweites Glas aus dem Schreibtisch und goss Dimitri ein.
„Wer ist der Erpresste?“, fragte Cordalis und griff nach seinem Glas.
„Steinfurt“, sagte Lou, „Graf Elmar von Steinfurt.“
„Sagt mir nichts“, sagte Dimitri. Er nahm einen Schluck, ließ ihn auf der Zunge zergehen und nickte zufrieden. „Hattet ihr den Adel nicht abgeschafft?“
„Ihr doch auch“, sagte Lou, „dann hattet ihr die Generäle.“
„Die haben wir auch abgeschafft.“
„Und jetzt habt ihr die Troika.“
„Die ist noch schlimmer.“
„Wer sind die Entführer?“, fragte Ricardo. „Hast du sie gesehen? Jemanden erkannt?“
„Drei Männer. Den einen, Fred, hast du auch gesehen, als er die Medikamente holen wollte.“
„Nicht wirklich. Er hatte einen Helm auf.“
„Aber ich kenne ihn. Will unbedingt einen Waschsalon eröffnen. Die Sache mit der Entführung ist eine Nummer zu groß für ihn. Mehr als ein Handlanger ist er dabei nicht.“
„Doch nicht etwa Fred Klotz?“, fragte Cordalis ungläubig.
Lou nickte. „Woher kennst du den?“
„Er hat sich einen Kredit von mir geben lassen. Für den Waschsalon. Aber er hat sich erst einmal ein Motorrad dafür gekauft und ich sehe nicht, dass er das stemmt.“ Er nippte an seinem Glas, leckte sich über die Lippen.
„Und die anderen zwei?“, fragte Ricardo.
„Hatten Sturmhauben auf und saßen am Küchentisch. Groß oder klein, alt oder jung – ich kann’s nicht sagen. Nur einer von denen hat geredet. Klang hart. Entschieden. Eine Stimme, die man wiedererkennt.“
„Also zwei Handlanger und ein Chef“, sagte Ricardo, trank sein Glas leer, stellte es auf den Schreibtisch. „Gibst du mir auch einen?“
„Whisky?“, fragte Lou. „Kommst du da nicht durcheinander?“
Ricardo deutete auf die Flasche, die vor Feldmann stand.
Feldmann nahm ein frisches Glas aus dem Schreibtisch, goss Ricardo ein, stellte es ihm hin.
„Soll ich das erledigen?“, fragte Ricardo, während er das Glas betrachtete und den Whisky darin kreisen ließ.
Lou schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo dieser unbewohnte Hof liegt. Wahrscheinlich ist der Fahrer mit mir ein paarmal im Kreis gefahren. Das kann nah an der Stadt sein oder weiter weg. Ich weiß es nicht. Ein älteres Haus. Ehemaliges Gehöft. Scheunen. Eine gemauerte Einzäunung. Eine verlotterte Küche. Ein Keller, Gewölbe vielleicht hundertfünfzig Jahre alt. Da ist Sylvie drin. Und der Junge.“
Ricardo trank sein Glas leer. Schmeckte nach, ließ die Zunge über die Zähne gleiten. „Vielleicht wechsle ich mein Getränk.“
„Das ist ein wenig teurer“, sagte Feldmann.
„Du hast Angst um Sylvie“, stellte Ricardo fest.
„Ja“, sagte Feldmann. Es klang wie ein Stöhnen.
„Sylvie ist mutig. Sie ist ein Kamikazeflieger“, warf Cordalis ein.
„Deshalb lieben wir sie ja“, nickte Ricardo und hielt Lou sein Glas hin.
„Steinfurt“, sagte Cordalis, „Graf Steinfurt. Elmar von. Der lässt sich orten. Ich höre mich um.“ Er stand auf, wartete, dass auch Rudi sich hochrappelte. „Komm. Wir laufen noch ein paar Schritte bis vor zur Schloßstraße.“
„Remy kann dir ein Taxi bestellen“, sagte Lou.
„Könnte ich auch“, sagte Cordalis. Er klopfte sich mit der Hand auf den Bauch. „Besser nicht.“