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11 MO 23.04.
ОглавлениеBei Lingua war friedliches Arbeiten angesagt. Mathilde las verschiedene Abschnitte für das Spanischbuch Korrektur, fand auch tatsächlich einige sachliche Fehler in den Übungen und besserte sie aus, danach übersetzte sie einen Text, bastelte selbst noch ein paar Übungen und eruierte für einige Texte, die sie gerne verwenden wollten, das Copyright.
Zufrieden lehnte sie sich dann zurück und lächelte unwillkürlich, als Wintersteiner eintrat. Der sah sie ganz verblüfft an. „Frau Carin, heute so gut gelaunt?“
„Bin ich sonst so muffig?“, gab Mathilde zurück.
„Aber nein, ich würde eher sagen – ernst.“
„Tut mir Leid.“
„Sie müssen sich doch dafür nicht entschuldigen! Aber heute sind Sie eindeutig in heiterer Stimmung, scheint mir.“
„Ja – äh, der Anlass ist eigentlich gar nicht so erfreulich, meine Großmutter ist gestorben.“
„Oh, das tut mir sehr leid.“
„Mir eigentlich nicht so, wenn ich ehrlich bin. Ich hab ihr das nicht gewünscht, aber ich habe sie nie gemocht.“
Wintersteiner sah etwas konsterniert drein. Mathilde seufzte: Da war wohl eine genauere Erklärung nötig?
„Also, bevor Sie mich jetzt für ein gefühlloses Monster halten: Meine Großmutter hat mir nicht nur eine absolut scheußliche Kindheit beschert, sie hat auch jahrelang versucht, dagegen zu klagen, dass eine Tante mir eine Wohnung hinterlassen hat und nicht ihr. Erst seit gestern traue ich mich, mich in dieser Wohnung richtig einzurichten. Das beflügelt wohl meine Laune.“
Wintersteiner runzelte die Stirn. „Entschuldigung, das wusste ich natürlich nicht.“
„Natürlich nicht. Das macht doch nichts. Jedenfalls geht es mir deutlich besser, seitdem ich weiß, dass ich die Wohnung tatsächlich behalten kann. Jetzt kann ich sowas wie ein Zuhause daraus machen. Und wenn ich deshalb herzlos wirke, kann ich´s auch nicht ändern.“
„Aber nein. So wie Sie es beschrieben haben, kann man Ihre Reaktion völlig nachvollziehen. Aber wenn Sie einen freien Tag brauchen oder so etwas, dann melden Sie sich bitte, ja?“
„Das hoffe ich doch nicht. Es sei denn, die Kripo verdächtigt mich. Ein Alibi habe ich nämlich blöderweise nicht.“
„Ach!“ Wintersteiner setzte sich auf die Schreibtischkante. „Soll das etwa heißen, Ihre Großmutter ist keine natürlichen Todes gestorben?“
Mathilde nickte. „Aber wie genau, das weiß ich auch nicht. Das haben mir die beiden von der Kripo nicht gesagt, und ich weiß auch gar nicht, ob ich das wissen will.“
„Verständlich.“ Wintersteiner rutschte wieder vom Schreibtisch und klopfte Mathilde etwas ungeschickt auf die Schulter. Mathilde bemühte sich, nicht zusammenzuzucken – seit wie vielen Jahren hatte sie niemand mehr berührt? Seit Manuel Keppel vermutlich.
Als die Nonna herausgebracht hatte, dass Manuel sich mit Mathilde angefreundet hatte (wie weit das gegangen war, wusste sie glücklicherweise nicht), hatte sie sofort reagiert: Manuels Mutter arbeitete als Filialleiterin bei Carin, und vor die Wahl gestellt, ihren Job zu verlieren oder Manuel soweit zu bringen, sofort mit Mathilde Schluss zu machen, entschied sie sich richtig. Manuel sagte allerdings Mathilde die Wahrheit, als er sich von ihr trennte, und Mathilde war ihm nicht weiter böse – gegen die Nonna kam man nicht an, das wusste sie auch mit sechzehn schon.
Danach hatte sie sich weitere Beziehungen verkniffen – die Nonna kriegte ja doch alles heraus, und dann gab es nur Stress. Jetzt konnte sie eigentlich wieder einen Freund haben, überlegte sie, während sie Wintersteiner nachsah, der in sein Büro zurückkehrte, aber wollte sie das überhaupt? Hatte sie sich nicht längst an das Alleinleben gewöhnt?
Sie hatte ja nicht einmal eine richtige Freundin, fiel ihr ein.
Aber woher nehmen? An Mädchen aus der Schule konnte sie sich kaum noch erinnern, die Kolleginnen bei Lingua waren ganz nett, aber mehr auch nicht, und an der Uni traf man auch nur Leute, die bereits in festen Freundeskreisen aufgehoben waren oder sich nur für ihre Forschungen interessierten.
Egal. Mit der Wohnung war sie bestimmt noch das nächste Jahr beschäftigt, und bis dahin hatte sie auch fertig promoviert. Sie hatte im Moment ja selbst keine Zeit für Freundinnen, Männer oder Verwandte. Obwohl, Verwandte hatte sie ja nun sowieso nicht mehr.
Und jetzt würde sie erst einmal in Ruhe weiterarbeiten. Sich unentbehrlich machen, sich eine sichere Position schaffen. Und dazu sollte sie sich jetzt unbedingt diese neue Übung ansehen – da stimmte doch was nicht?