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Kapitel 7

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Ich weiß nicht, wie lange ich tatsächlich dort auf dem Boden gesessen und Laurin mit offenem Mund angestarrt hatte. Es musste jedoch eindeutig länger gewesen sein, als es sich für mich anfühlte, denn irgendwann machte Laurin einige Schritte auf mich zu und hielt mir ihre Hand erneut hin, um mir aufzuhelfen.

Instinktiv zuckte ich zurück, ohne es wirklich zu beabsichtigen. In meinem Kopf herrschte gerade Gedankenkirmes der ganz besonderen Art. Wie wild überschlugen sich die Eindrücke und Erinnerungsfetzen, während ich versuchte, wieder Herrin über mich selbst zu werden.

Irritiert blickte mich Laurin an und legte den Kopf leicht schief, so als wäre sie ein Kätzchen, das verstehen wollte, was sich gerade ereignete.

Noch eine Bewahrerin!, schrie das Grauen über all meine Vernunft hinweg nur für mich wahrnehmbar in meinen Gehörgang. Gerade erst hatte ich der übelsten Vertreterin meiner Gattung – wenn man das denn so nennen konnte – mit Anlauf in den Arsch getreten und sie dadurch zurück in eine andere Welt gekickt, auf dass sie hier nie wieder Schaden anrichten konnte. Jetzt stand da eine mir fremde Frau und behauptete, ebenfalls eine wie ich zu sein. In dieser Situation schien mir paranoide Vorsicht tausendmal angebrachter als naive Freundlichkeit. Und als wäre das noch nicht genug, war die Frau nicht irgendeine Fremde. Auch wenn ich sie bis jetzt noch nie getroffen hatte, so wusste ich sofort, mit wem ich es hier zu tun hatte.

Laurin war Caydens große Liebe und mir in Darons Erzählungen stets als zart, freundlich und liebenswert beschrieben worden. Er hatte wirklich nicht übertrieben. Wäre mein verständliches Misstrauen nicht gewesen, ich hätte mich von Laurins elfenhafter Ausstrahlung umgehend verzaubern lassen.

Unbeholfen und geradezu tollpatschig krabbelte ich zur Seite und stand auf, ohne jedoch meinen Blick von Laurin zu lassen. Ich kam mir vor wie ein Raubtier, das man zu sehr gefoltert hatte und das nun vor einem erneuten Zähmungsversuch zurückschreckte.

Laurin eine Bewahrerin, drehten diese drei Worte einen Gedankenlooping nach dem anderen zwischen meinen Ohren. Fast meinte ich, sie dabei „Jippie“ kreischen zu hören.

Laurin hatte inzwischen ihre Hand sinken lassen und war zwei Schritte rückwärts gegangen. Offenbar hatte sie verstanden, dass mich ihr plötzliches Auftauchen komplett überfahren hatte.

„Entschuldige“, flüsterte sie, „ich wollte dich nicht erschrecken.“

Noch immer unfähig, mein Sprachzentrum zu aktivieren, nickte ich nur kurz und schlich mich dabei langsam, aber zielstrebig hinter den bequemen Ohrensessel neben dem Kamin. Nein, aktuell war ich wahrlich nicht dazu in der Lage, neue Leute in mein Leben zu lassen, geschweige denn dazu, ihnen sofort zu vertrauen. Erst jetzt, während ich meine Finger in die flauschig weichen Ohren des Stuhls krallte, bemerkte ich, welchen Schaden die vergangene Episode zusammen mit dem frisch Erfahrenen in mir angerichtet hatten. Plötzlich brach sie über mir zusammen, die bislang mühsam hinter einem Deich aus schier übermenschlicher Anstrengung zurückgehaltene Welle aus Wut, Angst, Selbstzerfleischung und abgrundtiefer Trauer. Sie schlug mit tosender Wucht gegen meine Mauer aus Tapferkeit, welche letztlich unter all ihren Brüchen und Rissen nachgab und die Massen an Emotionen über mein Herz fluten ließ, als wollten sie nichts übrig lassen außer tonnenschwerem, unerträglichem Schmerz. Mir schwanden die Kräfte, meine Knie gaben nach, und ich sank bitterlich weinend zwischen Sessel und Kamin zu einem schreienden Häufchen Elend zusammen. Hätte ich nicht geschrien, Trauer und Schuld hätten mich auf der Stelle von innen zerrissen und verbluten lassen. Verzweifelt schlang ich meine Arme um mich und wippte wie von Sinnen auf und ab, als mich warme, weiche Hände an Schultern und Gesicht berührten und sanft an eine ebenso warme Brust zogen, unter der ich ein starkes Herz aufgeregt schlagen hörte.

„Alles in Ordnung, Aline. Lass es raus. Ich halte dich fest, egal, wie lange es dauert.“

So hielt mich Laurin, deren Nähe ich eigentlich hatte ausweichen wollen, zart und fest zugleich in ihren Armen, während ich ausgezehrt und unfähig, mich aus ihrem Griff zu winden, einfach meiner Trauer hingab.

Entfesselt

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