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Kapitel 9
ОглавлениеDaron war in seiner Bewegung wie eingefroren und sah mit seinen halb erhobenen Armen aus wie ein Zombie, der vergessen hatte, dass er auf der Suche nach einem frischen Gehirn war. Wäre ich nicht so wahnsinnig wütend gewesen, ich hätte am liebsten aufgrund der eigentlich drollig hilflosen Haltung aufgelacht und ihm den Schokoladenpudding vom ganzen Körper geschleckt. Also eher von der Kleidung. Ach, jetzt war nicht die Zeit, um pingelig zu werden. Jedenfalls sah er süß aus, und ich war sauer. Auch das war eine Situation, die mir irgendwie bekannt vorkam.
„Bitte nicht, ich muss mich jetzt abreagieren“, sagte ich zu meinem Gefährten und wand mich elegant wie ein glitschiger Aal aus der drohenden Umarmung. So gern ich mich von ihm halten ließ, manchmal missbrauchte Daron diese Nähe, um mich vor mir selbst zu schützen. Vielleicht dachte er, der Schokoladenpudding sei erst der Anfang. Wahrscheinlich hatte er damit gar nicht mal so unrecht.
„Aline, bitte lass mich dir erklären ...“
„Stopp!“ Entschlossen streckte ich erneut meine Handfläche in Laurins Richtung aus. Ich wusste, mit dem, was ich als Nächstes sagen wollte, würde ich mich bei Cayden mächtig in die Nesseln setzen. Andererseits konnte man mir sicher nicht verübeln, wenn ich in Laurins Gegenwart etwas paranoid reagierte.
„Bei allem Respekt – eine andere Bewahrerin ist ehrlich gesagt die Letzte, von der ich mir irgendwelche Erklärungen anhören will.“
Alan sog scharf die Luft ein, während Daron mir ein leises, aber mahnendes „Aline!“ zuraunte. Caydens Augen verengten sich kurz zu Schlitzen und funkelten gefährlich kalt. Normalerweise hätte mich sein Anblick sofort in die Knie zwingen müssen, so bedrohlich wirkte auf einmal Darons großer Bruder, gleich einem Fürsten über eine alles vernichtende Eiszeit. Doch mein Alarmmodus heizte mir von innen zu sehr ein, als dass ich auf der Stelle hätte erfrieren können. Ja, ich hatte ihn gewaltig verärgert. Hätte Laurin mich so angefahren, wäre Daron sicherlich auch tierisch angefressen gewesen. Dennoch blieb Cayden überraschend fair.
„In Anbetracht der jüngsten Geschehnisse kann ich deine Reaktion verstehen und sehe diesmal über deine ungeschickte Ausdrucksweise hinweg. Sag Bescheid, wenn du bereit bist, Laurin anzuhören.“ Kaum ausgesprochen, legte Cayden einen Arm um seine Freundin und verließ mit ihr umgehend die Küche.
Alan pfiff leise durch die Zähne, während er immer noch den Löffel hielt.
„Menschenskind, Aline, das war knapp.“
Auf meinen fragenden Blick hin fügte der Ewige mit der braunen Igelfrisur hinzu: „Es gibt nur eins, was Cayden noch mehr anpisst, als wenn man ihn bei seinem menschlichen Dämonennamen nennt. Und das ist, wenn man seine Herzensdame angreift.“
„Na, dann habe ich meine Karte bei ihm jetzt voll. Die Nummer mit Satan habe ich ja bereits abgehakt.“
Sogleich packten mich starke Hände an den Schultern und drückten mich auf den Stuhl links neben Alan.
„Du bleibst jetzt sitzen und rührst dich keinen Millimeter“, knurrte mir Daron streng ins Ohr. Ich kannte diesen Tonfall. Er benutzte ihn zwar nur selten, aber selbst ich Dickschädel wusste, dass ich gehorchen musste, wenn er es tat. Also hielt ich artig meine Klappe und schaute Daron zu, wie er mit einem nassen Küchentuch versuchte, die Reste des Puddings von seiner Jeans zu entfernen. Nach kurzem Rubbeln flog das Handtuch unter lautem Gefluche in die Spüle.
„Die kann ich jetzt entsorgen.“
Ich musste unwillkürlich schmunzeln. Der Tod fluchte wegen einer schmutzigen Hose. Man sollte meinen, er hätte weitaus größere Probleme als Schokoladenflecken.
„Glasreiniger“, sagte plötzlich Alan und ging zu seinem Bruder, um in einem der zahllosen Schränkchen sämtliche Inhalte zu inspizieren. Im Fach unter der Spüle, gleich neben dem Siphon, wurde er fündig und hielt Daron eine durchsichtige, blaue Flasche hin. „Das sprühst du drauf, lässt es eine Runde einwirken und haust die Jeans dann wie gewohnt in die Waschmaschine. Ich verspreche dir, danach ist sie fast wieder wie neu.“
Daron und mir klappten gleichzeitig unsere Unterkiefer runter. Alan bedachte uns mit einem Stirnrunzeln.
„Was denn? Ich liebe Schokopudding und bin nun einmal nicht der Sorgfältigste im Umgang mit Besteck.“ Ein verschmitztes Grinsen umspielte seinen Mund, als er abwechselnd von Daron zu mir und wieder zurückblickte. Das musste man Alan einfach lassen. Gerade noch hatte eine gewaltige Krise im Raum hochzukochen gedroht und uns dadurch in einen extrem angespannten Zustand versetzt ... und im nächsten Augenblick nahm er mit einer so banalen Sache wie einem Glasreiniger als Fleckenschreck der Situation ein Stück weit den Druck. Schnell horchte ich in mich hinein. Meine Wut war schlagartig um ein Vielfaches zusammengeschnurrt. Ein Blick in Darons markantes Gesicht verriet mir, dass es ihm genauso ging.
„Was meint ihr, wie oft Franziska mit diesem Trick meine Sachen schon wieder sauber bekommen hat?“
Innerhalb einer Millisekunde legte eine unsichtbare Hand in meinem Gehirn einen Schalter um, packte mich im Genick und schickte umgehend kalte Wellen abwärts bis in die kleinsten meiner Zellen. Das Lämpchen, das mir bei der Erwähnung meiner besten Freundin gerade aufgegangen war, leuchtete heller als tausend Straßenlaternen. Abermals schaute ich mit großen Augen in Darons Gesicht, doch diesmal war es nicht vor Erstaunen. Entsetzen hatte nun vollkommen von mir Besitz ergriffen.
„Dann ... dann ist Franziska auch eine Bewahrerin?“
Mit einem dumpfen „Puff“ landete der Glasreiniger auf den Boden und gesellte sich zu der noch immer dort verweilenden Schüssel.
Mehr war als Antwort auch nicht nötig.