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Eiskalter ferner Vogelgesang

Die Mädchen blieben in Eskilstuna. Hedvig traf sich immer häufiger mit Karl Gustaf. Sie waren jetzt ein Paar, hatten es einigen Freunden gesagt, Karl Gustaf hatte es seinen Eltern erzählt.

Hedvig schrieb ihrer Mutter einen Brief. Sie erwähnte ihren Verlobten nur beiläufig, fragte jedoch ganz genau nach, ob Carl Weiteres aus Amerika geschrieben habe. Auf den Tod ihres Vaters kam sie nur mit wenigen Worten zu sprechen.

Dann wollte Karl Gustaf Hedvig zuhause vorstellen, in Tallstugan, außerhalb von Eskilstuna. Sie wurde zum Kaffee eingeladen, es war an einem Sonntag. Sie saßen in der fliederumrankten Gartenlaube außerhalb der Hütte. Karl Gustafs Mutter Katarina hatte Plunderteigschnecken gebacken. Vater Erik Eriksson hatte ein weißes Hemd und eine schwarze Weste angelegt. Er war Zimmermann und Waldarbeiter, er war ein ungewöhnlich großer Mann.

Hedvig sagte guten Tag, als sie kam, knickste und gab die Hand, dann aßen und tranken sie schweigend. Auch Karl Gustafs Bruder Fredrik war dabei. Er war gewachsen, jetzt war er genauso groß wie sein älterer Bruder.

Es war Fredrik, der schließlich das Schweigen brach; er erzählte, dass er das Buch Gullivers Reisen gelesen habe. Besonders lustig hatte er gefunden, dass die Liliputaner Gulliver auf dem Boden festgebunden hatten. Sie waren klein, aber da sie so viele waren, verfügten sie über Kraft.

Keiner der Übrigen hatte das Buch gelesen. Hedvig merkte sich den Titel. Sie erzählte, dass ihr Bruder Carl in Amerika sei.

»Wie geht es dem Bruder dort?«, wollte Erik wissen.

»Er scheint es gut getroffen zu haben«, antwortete Hedvig.

»Viele reisen hinüber.«

»Ja, mehrere aus meiner Familie sind gefahren, die Schwester meiner Mutter ist auch dort, und es folgen wohl noch einige.«

Hier entstand eine Pause in der Unterhaltung. Katarina schenkte Kaffee nach und bot Hedvig noch eine Schnecke an. Sie lehnte ab, aber als Katarina drängte, nahm sie die Schnecke. Sie war frisch gebacken, mit Hagelzucker und etwas Zimt.

»Ja, viele fahren hinüber«, sagte Erik nach einer Weile.

»Ich trage mich ebenfalls mit dem Gedanken«, sagte Hedvig.

»Ja, tatsächlich, Hedvig, tust du das?«

Mehr wurde dieses Mal nicht über Amerika gesagt. Später dachte Hedvig, dass hauptsächlich sie und Erik geredet hatten. Fredrik hatte auch an der Unterhaltung teilgenommen, auch dann, wenn er nichts gesagt hatte, hatte er sich mit Gesten und Mienenspiel beteiligt.

In diesem Herbst hörte Karl Gustaf in der Fabrik auf und begann eine Lehre bei einem Schuhmacher. Er sagte, er wolle einen richtigen Beruf erlernen, Messer zu schleifen brachte zwar Geld ein, aber es hatte keine Zukunft.

Hedvig gab ihm Recht. Es war eine gute Wahl.

Sie hatte jetzt fast fünfundvierzig Kronen zusammengespart. An den Abenden hatte sie Mehrarbeit in der Fabrik übernommen und einmal die Woche bei einer Ingenieursfamilie geputzt.

Aber immer noch fehlten für die Fahrkarte mindestens dreißig Kronen, außerdem benötigte sie ja auch Geld für Essen und Unterkunft.

Da traf ein Brief von Carl ein. Er schrieb, dass er der Meinung sei, Hedvig solle schnell herüberkommen. Falls sie Geld für die Reise brauche, könne er aushelfen.

Hedvig antwortete innerhalb einer Woche. Ja, sie hätte sich entschlossen. Sie hatte Geld gespart, aber es fehlte noch etwas.

Carl schrieb noch einen Brief. Er wusste, dass Hedvig bei Tante Clara unterkommen könne, und das Geld für die Überfahrt dürfte kein Problem sein. Er konnte ihr leihen, was noch fehlte, sie würde schnell gut verdienen und könne es dann zurückzahlen.

Hedvig schrieb: »Ich erwäge jetzt, dein Angebot anzunehmen, und ich werde es sobald wie möglich Mutter erzählen.«

Dann wurden Hedvig und Hulda sechzehn Jahre alt. Die Zwillinge feierten den Geburtstag in der Küche des Onkels, mit Kaffee und frischgebackenen Haferkeksen. Abends, als sie aus der Fabrik nach Hause kamen, bekamen sie auch ein gutes Essen.

Karl Gustaf schenkte Hedvig ein hübsches kleines Notizbuch mit linierten Seiten. Hier konnte sie ihre Gedanken niederschreiben. Er wusste, dass sie abreisen wollte. Er hatte sich entschlossen, nicht mitzukommen, endlich sagte er Hedvig Bescheid. Das machte er an ihrem Geburtstag. Sie fand, er hätte sich einen besseren Tag aussuchen können. Aber sie war froh, dass er sich endlich entschieden hatte.

»Ich fahre, wie du weißt«, sagte Hedvig, »aber wir werden einander schreiben, und du wirst wohl bald nachkommen?«

»Zuerst will ich meinen Beruf haben, dann werden wir an eine gemeinsame Zukunft denken können.«

»In Amerika?«

»Oder hier zuhause.«

Sie nickten einander zu. Es war nicht viel gesagt worden, trotzdem hatten sie eine Vereinbarung getroffen.

Hedvig sparte weiterhin ihr Geld. Hulda fuhr im Oktober zurück nach Råberga, Hedvig blieb in der Messerfabrik und traf Karl Gustaf weiterhin wie vorher auch.

Es wurde ein langer Winter, der Frühling kam spät, bis in den April hinein hielt sich das Eis.

Hedvig wurde siebzehn, ehe das versprochene Geld von Carl eintraf. Im August bekam sie einen eingeschriebenen Brief, der hundert schwedische Kronen enthielt, zehn Zehnkronenscheine. Hedvig hatte noch nie so viel Geld besessen.

Sie fuhr nach Hause nach Råberga, um auf Wiedersehen zu sagen. Ihre Mutter war mager geworden, sie lächelte nicht, als Hedvig kam, und sagte nicht viel, als ihre Tochter nach drei Wochen wieder abreiste.

Dann begab sich Hedvig auf die lange Reise nach Amerika. Zuerst mit dem Zug nach Göteborg, dann mit dem Schiff, mit dem Zug, wieder mit dem Schiff. Sie schrieb es in das Büchlein, das sie von Karl Gustaf geschenkt bekommen hatte. Jeden Tag schrieb sie etwas hinein.

3. Oktober 1892

Eine gute Reise nach Göteborg. Übernachtung in einem Hotel am Hafen. Ich habe mehrere große Schiffe anlegen sehen. Ich bin in einem Zimmer zusammen mit zwei Mädchen aus Småland und einem Mädchen aus Värmland.

6. Oktober 1892

Abreise bei leichtem Nebel. Bald sind wir in Hull, und von dort fahren wir mit der Eisenbahn nach Liverpool.

17. Oktober 1892

Das Schiff ist ungeheuer groß. Ich schlafe ganz unten im Schiff in einem Raum zusammen mit den Mädchen, die ich in Göteborg kennengelernt habe, und vielen Frauen aus anderen Ländern. Wir sind jetzt auf See, hoffentlich wird die Reise nicht allzu mühselig. Aber der Himmel ist nachts so mächtig, es gibt mehr Sterne, als ich jemals zuvor gesehen habe, wie glitzernde kleine Augen über dem schwarzen Ozean, auch erinnern sie an eiskalten, fernen Vogelgesang.

Das Erbe von Samara und New York

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