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20. Fall: Einwohner, Bürger

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Sachverhalt

Der Wohnungslose W „haust" seit mehr als 20 Jahren in einem Pferdeunterstand auf einer Wiese des Landwirts L, idyllisch am Waldrand gelegen. Der Unterstand ist überdacht und hat an zwei Seiten eine Bretterwand. W hat nirgendwo sonst eine „Bleibe". Das Wiesengrundstück liegt im Gemeindegebiet der Gemeinde G. Landwirt L duldet den dauernden Aufenthalt von W. Den Unterhalt seines anspruchsarmen Lebens verdient sich W durch gelegentliche Arbeiten bei Landwirt L und durch Gelegenheitsarbeiten für andere Einwohner der Gemeinde G. W und sein Aufenthalt sind in der ganzen Gemeinde bekannt. W ist deutscher Staatsangehöriger; er ist bei der Gemeindebevölkerung beliebt.

W erfährt bei einem Kneipenbesuch, dass Thekennachbarn eine Wahlbenachrichtigung für die Kommunalwahl erhalten haben. Er hat eine solche ihm bis dahin unbekannte Nachricht nicht erhalten, möchte aber, nachdem er schon so lange in der Gemeinde lebt und sich dort sehr wohlfühlt, was er immer wieder erwähnt, auch den Gemeinderat mitwählen.

Er geht zum Wahlamt der Gemeinde G und fragt nach, warum er keine Wahlbenachrichtigung erhalten habe.

Der zuständige Sachbearbeiter erklärt ihm, dass nur Bürger der Gemeinde zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt seien. Da er in Ermangelung einer Wohnung in G nicht Bürger sei, besitze er in G auch nicht das Wahlrecht, dementsprechend könne er auch keine Wahlbenachrichtigung bekommen.

Aufgabe

Ist diese Auskunft rechtlich zutreffend?

Lösung

Nach § 21 Abs. 2 GO ist Bürger, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist.

Nach § 7 KWahlG NRW ist wahlberechtigt (und damit Bürger), wer am Wahltag

1.Deutscher i. S. v. Art. 116 Abs. 1 GG ist oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzt,

2.das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat und

3.mindestens seit dem 16. Tag vor der Wahl in dem Wahlgebiet (Gemeinde) seine Wohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebietes hat.

Die ersten beiden Voraussetzungen erfüllt der seit mehr als 20 Jahren in G lebende W laut Sachverhalt.

Hinsichtlich der dritten Voraussetzung ist zunächst zu prüfen, ob der Pferdeunterstand, in dem W lebt, eine Wohnung im Rechtssinne ist.

Nach § 15 Abs. 1 MG NRW ist Wohnung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Der überdachte aber nur an zwei Seiten geschlossene Unterstand erfüllt diese Voraussetzung nicht. W hat also keine Wohnung in der Gemeinde G.

Alternativ zur Wohnung ist nach § 7 KWahlG ausreichend, wenn man sich sonst (ohne eine Wohnung zu haben) gewöhnlich aufhält und auch außerhalb der Gemeinde keine Wohnung hat.

W hat lt. Sachverhalt nirgendwo eine Wohnung. Er lebt aber seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen in der Gemeinde G, verdient dort seinen Lebensunterhalt, fühlt sich in der Gemeinde nach eigenem Bekunden sehr wohl, ist bei der Bevölkerung beliebt, unterhält Kneipenkontakte und hat den ausdrücklichen Wunsch, den Rat in der Gemeinde zu wählen, in der er schon so lange lebt. Dies alles beschreibt, dass W sich in G „gewöhnlich aufhält".

Damit erfüllt W alle gesetzlichen Voraussetzungen, um wahlberechtigt zu sein. Die Auskunft des Sachbearbeiters des Wahlamtes der Gemeinde G ist folglich rechtlich unzutreffend.

Anmerkung: Grundsätzlich sind alle Bürger zugleich auch Einwohner der Gemeinde (§21 Abs. 1 GO), da sie normalerweise in der Gemeinde wohnen müssen, um Bürger zu sein (§ 7 KWahlG). Der Wohnungslose mit „gewöhnlichem Aufenthalt" ist insoweit eine Ausnahme, als er Bürger (wahlberechtigt) ist, ohne Einwohner zu sein.

Praktische Fälle zum Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen

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