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25. Fall: Bürgerbegehren, Entscheidungsfrage

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Sachverhalt

Mit der erforderlichen Zahl von Unterschriften wird in der kreisfreien Stadt K ein Bürgerbegehren zur Verkehrsplanung vorgelegt. Das Begehren ist ordnungsgemäß begründet, enthält die vorgeschriebene Kostenschätzung der Verwaltung und benennt drei Bürger als Vertreter.

Die Entscheidungsfrage ist in dem Begehren wie folgt formuliert: „Soll das Straßenbahnnetz modernisiert oder der gesamte Personennahverkehr in der Stadt neu organisiert werden?".

Der Rat der Stadt K stellt durch einstimmigen Beschluss die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens fest.

Aufgabe

Ist diese Feststellung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens durch Ratsbeschluss rechtmäßig?

Lösung

Nach § 26 Abs. 6 Satz 1 GO entscheidet der Rat unverzüglich über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens.

Die Feststellung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ist nur rechtmäßig, wenn das Bürgerbegehren die in § 26 GO vorgeschriebenen Zulässigkeitsvoraussetzungen nichterfüllt.

Ein Bürgerbegehren ist gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 GO nur zulässig über eine gemeindliche Angelegenheit (Verbandskompetenz der Gemeinde). Dass eine innerörtliche Personenverkehrsplanung eine solche gemeindliche Angelegenheit ist, steht außer Zweifel.

Weiterhin muss der Rat für die Entscheidung der fraglichen Angelegenheit zuständig sein (Organkompetenz des Rates). Dies formuliert die GO nicht ausdrücklich; es ergibt sich aber daraus, dass die Bürger „an Stelle des Rates" (§ 26 Abs. 1 Satz 1 GO) entscheiden wollen. Ebenso folgt dies aus § 26 Abs. 8 Satz 1 GO, wonach der gegebenenfalls dem Bürgerbegehren nachfolgende Bürgerentscheid die Wirkung eines Ratsbeschlusses hat.

Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 GO ist der Rat grundsätzlich für alle gemeindlichen Angelegenheiten zuständig, soweit die GO nichts anderes bestimmt.

Der Rat wäre nicht zuständig, wenn es sich bei der Entscheidung über ein solches Verkehrskonzept um ein Geschäft laufender Verwaltung handeln würde. Für Geschäfte der laufenden Verwaltung ist nach § 41 Abs. 3 GO der Oberbürgermeister (in kreisangehörigen Gemeinden der Bürgermeister) zuständig.

Geschäfte der laufenden Verwaltung sind solche Angelegenheiten, die nach Regelmäßigkeit und Häufigkeit zu den üblichen Verwaltungsgeschäften gehören und nach feststehenden Grundsätzen gewissermaßen routinemäßig erledigt werden können.

Die Frage, ob das städtische Straßenbahnnetz modernisiert oder der gesamte innerstädtische Personenverkehr neu organisiert werden soll, ist keine regelmäßig oder häufig wiederkehrend zu entscheidende Frage. Es handelt sich vielmehr um eine grundlegende Planungsfrage, die für lange Zeit in der Zukunft Auswirkungen haben wird. Es handelt sich somit keinesfalls um ein Geschäft laufender Verwaltung, für dessen Entscheidung der Oberbürgermeister zuständig wäre.

Es ist auch keine andere Regelung der GO erkennbar, die eine vom Grundsatz der Ratszuständigkeit abweichende Zuständigkeit begründen würde. Folglich hat das Bürgerbegehren eine Entscheidung zum Gegenstand, für die der Rat zuständig ist.

Nach ausdrücklicher Angabe im Sachverhalt sind weitere vorgeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzungen, nämlich Unterschriftsquorum (§26 Abs. 4 GO), Begründung (§ 26 Abs. 2 Satz 1 GO), Angabe der Kostenschätzung (§26 Abs. 2 Satz 5 GO), Vertreterbenennung (§26 Abs. 2 Satz 2 GO) gegeben.

Aus dem Sachverhalt ergibt sich auch, dass die Schriftform (§ 26 Abs. 2 Satz 1 GO) gewahrt wurde, da das Bürgerbegehren „vorgelegt" worden ist.

Ein Ausschluss des Bürgerbegehrens gem. § 26 Abs. 5 Satz 1 GO (Negativkatalog) ist offensichtlich nicht gegeben. Ebenso ist eine Missachtung der Sperrfrist gem. §26 Abs. 5 Satz 2 GO in Ermangelung entsprechender Angaben im Sachverhalt nicht erkennbar.

Bedenken bezüglich der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens könnten sich allerdings hinsichtlich der im Begehren formulierten Entscheidungsfrage ergeben. Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GO muss das Bürgerbegehren die zur Entscheidung zu bringende Frage enthalten. Diese Frage muss so formuliert sein, dass über sie im Falle des Bürgerentscheids mit Ja oder Nein abgestimmt werden kann (§ 26 Abs. 7 Satz 1 GO). Die im Bürgerbegehren enthaltene Entscheidungsfrage ist als Alternativfrage (oder) formuliert. Über sie kann nicht mit Ja oder Nein abgestimmt werden. Das Bürgerbegehren enthält damit eine unzulässige Frageformulierung. Somit ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für das Bürgerbegehren nichterfüllt.

Das Bürgerbegehren ist folglich unzulässig. Der Ratsbeschluss zur Feststellung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ist daher rechtmäßig.

Praktische Fälle zum Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen

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