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4.3 Zusammenfassung

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Trotz grundlegender theoretischer Mängel und fehlender empirischer Validität fand das Konzept der Förderdiagnostik in der Sonderpädagogik eine weite Verbreitung. Immer wieder wurde versucht, das Charakteristische und Typische der Förderdiagnostik herauszuarbeiten, ohne dass eine zufriedenstellende Abgrenzung jedoch bisher gelungen wäre. Dennoch lassen sich in der einschlägigen Fachliteratur Bestimmungsstücke ausmachen, die von vielen Autoren mit dem Konzept der Förderdiagnostik in Verbindung gebracht werden und die offensichtlich für das sonderpädagogische Denken und Handeln zentrale Aspekte zum Ausdruck bringen:

• Förderdiagnostik analysiert Lernprozesse und stellt unter Zuhilfenahme von struktur- und entwicklungsorientierten Bezugstheorien fest, wie weit ein Lernender bereits in das zu Lernende eingedrungen ist und welche nächsten Lernschritte mit welchen Hilfestellungen zu gehen sind. Eine solide theoretische Grundlegung für dieses Durchschreiten der Zone der proximalen Entwicklung findet sich in der entwicklungspsychologischen Theorie von Wygotski (2002).

• Förderdiagnostik geht davon aus, dass jegliches Verhalten kontextabhängig ist und bezieht deshalb das gesamte Umfeld in die Analyse mit ein. Als problematisch vor allem in der Praxis erweist sich jedoch das Bestimmen relevanter spezifischer Umweltbedingungen im Zusammenhang mit bestimmten Verhaltens- und Erlebensweisen. Kurt Lewin (1969) beschreibt in seinem Konzept des Lebensraumes, der ein psychologisch-funktionaler ist, wie eine nähere Beschreibung dessen, was im konkreten Fall unter Situation und Umfeld zu verstehen ist, durch die Übernahme der Perspektive der Lernenden gelingen kann.

• Die konsequente Verknüpfung von Diagnose und Förderung ist nicht zu verstehen als direktes Ableiten der Förderziele aus vorliegenden diagnostischen Daten, sondern als das Erfassen der Lernausgangslage, die zusammen mit Theorien über Lernen, über Entwicklungsverläufe und Störungsbilder sowie über entsprechende Präventions- und Interventionskonzepte den Förderdiagnostiker in die Lage versetzt, Hypothesen zur Beschreibung förderlicher und hemmender Entwicklungs- und Lernbedingungen aufzustellen, nächste Förderziele und mögliche Maßnahmen zum Erreichen dieser Ziele zu benennen. Förderdiagnostik ist ein zyklischer hypothesengenerierender und hypothesenprüfender Prozess, der seinen Ausgang in einer Bestandsaufnahme nimmt, um ein Förderkonzept und einen Förderplan zu entwickeln sowie dessen Umsetzung zu begleiten und zu evaluieren.

• Förderdiagnostik muss somit immer pädagogischen, didaktischen und psychologischen Theorien nachgeordnet gedacht werden. Nur mit Bezugnahme auf solche vorgeordneten Theorien ist es möglich, im Verlauf des förderdiagnostischen Prozesses vorliegende Lernprobleme zu verstehen und weiterführende Fördermöglichkeiten zu finden.

• Förderdiagnostik erfasst und berücksichtigt gleichermaßen Stärken und Schwächen, da sich beide gegenseitig bedingen und gemeinsam die Individualität einer Person ausmachen. Förderdiagnostisch aussagekräftige Informationen ergeben sich an dem Punkt, wo Können in Nicht-Können übergeht. Stärken erhalten dann eine besondere Bedeutung, wenn sie als Kompensationsmöglichkeiten zur Bewältigung spezifischer Situationen eingesetzt werden können.

Die Förderdiagnostik ist als Modifikationsstrategie in Abhebung zur Selektions- oder Platzierungsdiagnostik zu verstehen.

Psychologie in der Heil- und Sonderpädagogik

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