Читать книгу Erlaubnistatbestände und -verfahren in der tierschutzrechtlichen Praxis - Eugène Beaucamp - Страница 28

5.Buchst. a) – Zucht und Haltung von Wirbeltieren

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36a) Landwirtschaftliche Nutztiere. Die Vorschrift nimmt explizit neben Gehegewild landwirtschaftliche Nutztiere aus. Damit unterliegen Haltung und Zucht von mehr als 200 Millionen Wirbeltieren75 nicht der Erlaubnispflicht und damit auch nicht der mit der Erteilung der Erlaubnis verbundenen Sachkundefeststellung und Prüfung von Räumen und Einrichtungen. Als Ausnahmetatbestände sind die Begriffe „landwirtschaftliche Nutztiere“ und „Gehegewild“ eng auszulegen. Dies gebietet auch der Gesetzeszweck der Vorschrift, bei der Zucht und Haltung von Wirbeltieren die erforderliche Sachkunde, Zuverlässigkeit und haltungsangemessene Räumlichkeiten sicherzustellen.76

37Landwirtschaftliche Nutztiere im Sinne von Buchst. a) sind deshalb grundsätzlich die „klassischen“ Nutztierarten, die seit längerem traditionell in Deutschland gehalten und gezüchtet werden;77 vgl. die Aufzählungen in § 9 Abs. 2 S. 3 Nr. 7 und AVV 12.2.1.5.1. Die Haltungsanforderungen dieser Tierarten sind hinlänglich bekannt, was für die Haltung von „exotischen“ Tierarten nicht gilt.78 Keine landwirtschaftliche Nutztiere sind „neue Nutztierarten“ wie etwa Büffel, Kängurus, Neuweltkamele oder Straußenvögel (AVV 12.2.1.5.1), für die in Deutschland noch keine oder nur geringe Erfahrungswerte bestehen.79 Steuerlich werden Lamas und Alpakas allerdings als landwirtschaftliche Nutztiere i. S. v. § 51 BewG qualifiziert.80 Ebenfalls keine landwirtschaftlichen Nutztiere sind Nerze81 und andere Pelztiere (AVV 12.2.1.5.1). Zu Fischen siehe ebenfalls AVV 12.2.1.5.1. Die Haltung von Kangal-Fischen für kosmetische Zwecke fällt unter Nr. 8 a).82 Die zunehmende Verbreitung und Nutzung exotischer Tiere in der Landwirtschaft könnten allerdings dazu führen, dass diese Tiere irgendwann als „landwirtschaftliche Nutztiere“ im Sinne von Nr. 8 a) zu qualifizieren wären und ihre Haltung und Zucht nicht mehr der Erlaubnispflicht unterliegen würden.

38Unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist die Ausnahmeregelung für landwirtschaftliche Nutztiere durchaus diskussionswürdig. Damit ist im Ergebnis die Mehrzahl aller in Deutschland gezüchteten und gehaltenen Wirbeltieren dem mit der Erlaubnispflicht einhergehenden qualifizierten Tierschutz entzogen. Dies ist durchaus bemerkenswert, weil der Gesetzgeber mit der Einführung der Erlaubnispflicht den Tierschutz optimieren und für den Schutz der Tiere unerlässliche Mindestanforderungen schaffen und verbessern wollte. Dies sollte durch die Erweiterung der Erlaubnispflicht und der damit verbundenen Erweiterung des Personenkreises geschehen, der seine Sachkunde nachweisen muss.83

39Demgemäß wird die Einschränkung der Erlaubnispflicht für landwirtschaftliche Nutztiere durchaus kritisch gesehen. So hat der Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik beim BMEL, Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung, 2015, Tz. 8.1.2.1.7, S. 125 die Ausweitung der Erlaubnispflicht für gewerbsmäßige Tierhaltung nach Nr. 8a) auf landwirtschaftliche Nutztiere angeregt, diese Anregung aber sogleich unter den Vorbehalt hinreichender Effizienz – „erhöhter Verwaltungsaufwand versus vollständigere Durchsetzung des Tierschutzrechts“ – gestellt. Hirt/Maisack/Moritz, Rn. 12 und Lorz/Metzger, Rn. 23, betrachten industrielle Massen(nutz)tierhaltung nicht als Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere i. S. v. Nr. 8 a), weil das Futter typischerweise nicht auf den zum Haltungsbetrieb genutzten landwirtschaftlichen Flächen erzeugt wird bzw. erzeugt werden kann.84 Solche Betriebe würden damit der Erlaubnispflicht nach Nr. 8 a) unterliegen. Die Befreiung von der Erlaubnispflicht würde nur für „landwirtschaftliche Nutztierhaltung“ gelten. Der Wortlaut der Vorschrift dürfte diesem Verständnis nicht entgegenstehen. Landwirtschaft im engen klassischen Sinne ist die Nutzung des Bodens zur Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Produkte.85

40b) Gehegewild. Der Begriff Gehegewild ist nicht klar abgegrenzt. § 43 Abs. 1 BNatSchG definiert lediglich den Begriff des Tiergeheges. Gemäß der in Bayern geltenden Richtlinie für die Haltung von Dam-, Rot-, Sika sowie Muffelwild vom 10.1.2014 (GehegewildR) werden die genannten Wildarten als Gehegewild betrachtet. Das „Merkblatt Gehegewild – Haltung und Vermarktung“ des Landkreises Celle, Stand März 2015, behandelt neben den in der GehegewildR genannten Wildarten auch Wildschweine, Strauße und – wegen seines territorialen Verhaltens – mit Einschränkungen Rehwild als Gehegewild. Der Ortenaukreis nennt in seinem „Merkblatt Gehegewildhaltung“, Stand 2018, sämtliche Wildklauentiere, die in Gehegen zum Zwecke der Gewinnung von Fleisch für den menschlichen Verzehr gehalten werden, als Gehegewild. Der Landkreis Rostock behandelt in seinem „Merkblatt Gehegewildhaltung“, Stand Dezember 2015, Schwarzwild, sowie Dam-, Rot-, Sika- und Muffelwild als „Wildklauentieren“. Gemäß Abs. 6 S. 1 ist die gewerbsmäßige Haltung von Gehegewild vor der Aufnahme anzuzeigen. Form und Inhalt der Anzeige, die Voraussetzungen für die Untersagung der Tätigkeit und das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen des angezeigten Sachverhalts können durch Rechtsverordnung geregelt werden, Abs. 6 S. 2. Von dieser Verordnungsermächtigung hat das zuständige Bundesministerium bisher keinen Gebrauch gemacht.

41Zu den Begriffen Halten und Zucht siehe oben die Erläuterungen zu Nrn. 1 a) und b), 2; Rn. 5, 4.

42c) Tierschutzvereine. Unter Nr. 8 a) können auch Tierschutzvereine fallen. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss v. 17.2.2017, 20 A 1897/15 entschieden, dass die Verwahrung von Fundtieren durch einen Verein bei vertraglich gebundenen Pflegestellen gegen die Kosten übersteigenden Aufwendungsersatz durch Gemeinden als gewerbsmäßiges Halten von Wirbeltieren zu qualifizieren ist. Es sei unerheblich, dass der Verein primär einen außenwirtschaftlichen Zweck – Tierschutz – verfolge.86

43d) Qualzucht. Im Kontext mit dem Erlaubnistatbestand in Nr. 8 a) – gewerbsmäßige Zucht – ist auf die Vorschrift des § 11 b hinzuweisen, die das Verbot der „Qualzucht“ normiert.87 Ziel der Einführung von § 11 b war es zu verhindern, „dass Veränderungen von Köpermerkmalen bestimmter Haustiere bewusst in Kauf genommen oder gar gefördert werden, obwohl sie für die betroffenen Tiere mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sein können“.88 Die Vorschrift ist damit eine Konkretisierung von § 1 Abs. 1 und der für das gesamte TierSchG definierten Zielsetzung, die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf wahrzunehmen und seine Würde und sein Wohlbefinden zu schützen. Im Sinne eines vorbeugenden Tierschutzes sind auch die Nachkommen einschließlich der noch ungeborenen Nachkommen von Wirbeltieren in den Schutz von § 11 b einbezogen, indem die Vorschrift gleichsam das „In-Gang-Setzen“ einer für spätere Generationen schädliche Vererbung unter Verbot stellt.

44Anders als § 1 S. 2 lässt § 11 b Einschränkungen des Verbots unter dem Gesichtspunkt eines „vernünftigen Grundes“ nicht zu.89 Das Verbot gilt vorbehaltlos. Der Würde und dem Wohlbefinden des Tieres wird damit im Bereich der Zucht und der Anwendung biotechnischer Verfahren grundsätzlich Vorrang vor menschlichen oder wirtschaftlichen Interessen eingeräumt. Eine Ausnahme von dem Verbot gilt gemäß Absatz 3 für durch Zucht oder biotechnische Maßnahmen veränderte Tiere, „die für wissenschaftliche Zwecke notwendig sind“. Der Verstoß gegen § 11 b wird als Ordnungswidrigkeit geahndet, § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 22. Soweit Zucht oder biotechnische Maßnahmen bei den betroffenen Wirbeltieren zu länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führen, kann neben der Verletzung des Verbots des § 11 b auch eine Straftat nach § 17 Nr. 2 b) vorliegen.90

45Gemäß § 11 b ist es verboten, Tiere zu züchten oder durch biotechnische Maßnahmen zu verändern, wenn nach züchterischen oder biotechnischen Erkenntnissen zu erwarten ist, dass als Folge der Zucht oder biotechnischen Veränderung bei der Nachzucht, den biotechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen die in § 11 b Abs. 1 Nrn. 1 und 2 definierten Folgen eintreten. „Qualzucht“ liegt danach vor, wenn erblich bedingt Körperteile oder Organe fehlen oder untauglich sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden eintreten, Nr. 1. Des Weiteren liegt „Qualzucht“ vor, wenn bei den Nachkommen Verhaltensstörungen auftreten, die Leiden verursachen, artgemäße Sozialkontakte bei den Tieren selbst oder Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden führen oder die Haltung der Tiere nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt, Nr. 2.

46Eine Auslegungshilfe zu § 11 b gibt das von der vom BMEL eingesetzten Sachverständigengruppe „Tierschutz und Heimtierzucht“ erarbeitete „Gutachten zur Auslegung von § 11 des Tierschutzgesetzes91 vom 2.6.1999, das allerdings nur Qualzuchten im Heimtierbereich behandelt. Fische und Reptilien werden in dem Gutachten nicht behandelt, was auch damit zusammenhängt, dass Qualzuchten bei diesen Tierklassen erst nach der Vorstellung des Gutachtens in größerem Umfang praktiziert bzw. bekannt wurden. Pläne, das Qualzuchtverbot auch für landwirtschaftlichen Nutztieren – insbesondere Rinder, Schweine, Masthühner, Puten – zu konkretisieren und Zuchtverbote zu formulieren, scheinen auf Betreiben des zuständigen Bundesministeriums nicht weiterverfolgt worden zu sein.92

47e) Typologie der Qualzuchten. Die nachfolgende Typologie der „Qualzuchten“ soll nur einen Überblick zu Qualzuchten im Heimtierbereich geben, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, aber einen Eindruck von der Tragweite dieser Problematik vermittelt. Einen instruktiven Überblich zu Qualzuchten im Nutztierbereich gibt Hirt/Maisack/Moritz, § 11 b, Rn. 23 ff.

48aa) Hunde. Das Gutachten zu § 11 b empfiehlt bei Hunden zahlreiche Zuchtverbote für Tiere, die Träger von bestimmten Genen oder eindeutig erblichen Merkmalen sind:

– Blue-dog-Syndrom; blaugraue Farbaufhellung mit Disposition zur Alopezie (Haarlosigkeit) und Hautentzündung insbesondere bei Dobermann, und anderen Rassen wie Dogge, Greyhound, Irish Setter, Pudel u. a.; Zuchtverbot für Merkmalsträger, Tz. 2.1.1.1.1 des Gutachtens

– Verkürzungen und Verkrüppelung der Schwanzwirbelsäule (Korkenzieherschwanz, Knickschwanz), Knick-Korkenzieherschwanz bei Franz. Bulldogge, Engl. Bulldogge, Mops, Teckel u. a., Stummelschwänze bei Bobtail, Cocker Spaniel, Entleburger Sennenhund, Rottweiler u. a.; Zuchtverbot für Tiere, die auch Wirbeldefekte an weiteren Abschnitten der Wirbelsäule aufweisen, Tz. 2.1.1.1.2 des Gutachtens

– Disproportionierter Zwergwuchs (Chondrodysplasie bei Basset Hound, Franz. Bulldogge, Pekinese, Scottish Terrier, Teckel, Welsh Corgi u. a.); Zucht gegen die Merkmalsausprägung, Tz. 2.1.1.1.3 des Gutachtens

– Dermoidzysten (Hauteinstülpungen am Rücken, die bis in den Wirbelkanal reichen können) bei Rhodesian Ridgeback; Zuchtverbot für Merkmalsträger, Tz. 2.1.1.1.4 des Gutachtens

– Grey-Collie-Syndrom (silbergraue Farbaufhellung verbunden mit schweren Störungen der Hämatopoese ­Blutbildung) bei verschiedenen Collie-Zuchtlinien; Zuchtverbot für silbergraue Tiere und bekannte Defektgenträger, Tz. 2.1.1.1.5 des Gutachtens

– Haarlosigkeit bei allen Nackthundrassen wie Chinesischer Nackthund oder mexikanischer Nackthund; Zuchtverbot für alle Defektgenträger, Tz. 2.1.1.1.6 des Gutachtens

– Merle-Syndrom (Pigmentierungsanomalien, die regelmäßig mit variabel ausgeprägten Sinnesorgandefekten (Auge und Ohr)) einhergehen bei Bobtail, Collie, Deutsche Dogge, Dunkerhund, Sheltie, Teckel, Australian Shepherd u. a.; Zuchtverbot für „Merle-Weißtiger“ und den Paarungstyp Tiger x Tiger (Mm x Mm) und Empfehlung eines generellen Zuchtverzichts mit dem Merle-Gen, Tz. 2.1.1.1.7 des Gutachtens

– diverse nicht rassespezifische monogen vererbte Einzeldefekte und Erkrankungen wie z. B. Albinismus, Gesichtsspalten, Hämophilie u. v. a.; Zuchtverbot für Merkmalsträger, Tz. 2.1.1.1.8 des Gutachtens

– Brachyzephalie/Brachygnathie (Rundköpfigkeit, also runde Ausformung des Schädels bzw. Verkürzung der Kiefer- und Nasenknochen, bei Boxer, Bulldogs, Chihuahua, Mops, Pekinese, Prince Charles Spaniel u. a.); Zuchtverbot für Merkmalsträger insbesondere bei disproportionierter Verkürzung der Gesichtsknochen, Tz. 2.1.1.2.1 des Gutachtens

– Ektropium (Auswärtsrollen des unteren Augenlidrandes) bei Basset Hound, Bernhardiner, Bluthund, Bulldoggen, Cocker Spaniel u. a.; Zuchtverbot für alle Merkmalsträger, Tz. 2.1.1.2.2 des Gutachtens

– Entropium (Einwärtsrollen des Augenlidrandes) bei Bullterrier, Chow-Chow, Pudel, Rottweiler u. v. a.; Zuchtverbot für alle Merkmalsträger, Tz. 2.1.1.2.3 des Gutachtens

– übermäßige permanente Hautfaltenbildung bei Pekinese, Toy Spaniel, Basset Hound, Shar Pei; Zuchtverbot für Tiere, die die festgelegten Grenzwerte überschreiten, Tz. 2.1.1.2.4 des Gutachtens

– Hüftgelenksdysplasie (HD) insbesondere bei großen Rassen wie Bernhardiner, Boxer, Deutsche Dogge, Deutscher Schäferhund, Retriever u. v. a.; Zuchtverbot für Merkmalsträger ab leichter HD, Tz. 2.1.1.2.5 des Gutachtens

– Hypertrophiertes Angriffs- und Kampfverhalten insbesondere bei bestimmten Zuchtlinien der Bullterrier, American Staffordshire Terrier und Pit Bull Terrier; Zuchtverbot für Tiere, die einen Wesenstest nicht bestehen, Tz. 2.1.1.2.6 des Gutachtens

– diverse nicht rassespezifische oligo- oder polygen vererbte Einzeldefekte und Erkrankungen wie Verkürzung des Oberkiefers, Ellenbogengelenksdysplasie u. v. a.; teilweise Zuchtverbote für Merkmalsträger, Tz. 2.1.1.2.7 des Gutachtens

49Neben Zuchtverboten formuliert das Gutachten zu § 11 b auch weniger weitreichende Empfehlungen wie etwa züchterische Maßnahmen gegen die Merkmalsausprägung in Form von Körperfunktionsprüfungen bei der Zuchtbewertung, Tz. 2.1.1.2.1, oder die Festlegung von Grenzwerten und Zuchtrichtlinien, die der Übertypisierung entgegenwirken, Tz. 2.1.1.2.4 des Gutachtens.

50bb) Katzen. Empfehlungen bei Katzen, für die Träger von bestimmten Genen oder eindeutig erblichen Merkmalen sind:

– Kurzschwänzigkeit bzw. Schwanzlosigkeit, die sporadisch bei allen Katzenpopulationen, besonders aber bei den Rassen Manx, Cymric, Japanese Bobtail, Kurilen Bobtail u. a. vorkommt; Zuchtverbot für Manx und Cymric auch mit anderen Katzenarten; Überwachung der Zucht bei Japanese Bobtail und Kurilen Bobtail, Tz. 2.1.2.1.1 des Gutachtens

– Farbaufhellung des Felles und der Iris, Taubheit bei rein weißen oder gescheckten Tieren zahlreicher Rassen; Zuchtverbot für Katzen, der Fellfärbung durch das W-Gen determiniert ist und Tiere mit Hör- oder Sehschäden, Tz. 2.1.2.1.2 des Gutachtens

– Anomalien des äußeren Ohres (Kippohr, Faltohr) bei Scottish Fold, Highland Fold, Pudelkatze; Zuchtverbot für Katzen mit dem Fd-Gen determinierten Kippohren, Tz. 2.1.2.1.3 des Gutachtens

– Anomalien/Abweichungen des Haarkleids (gestörtes Haarwachstum insbesondere bei Rex-Katzen, Haarlosigkeit bei Sphinx-Katzen, Fehlen der Tasthaare bei Devon-Rex- und Sphinx-Katzen); Zuchtverbot für Tiere, bei denen die Tasthaare fehlen, Tz. 2.1.2.1.3 des Gutachtens

– Polydaktylie (Vielfingerigkeit) gehäuft bei Maine Coon und gezielt gezüchtet bei der amerikanischen Rasse „Superscratcher“, im Übrigen sporadisch bei allen Rassen auftretend; Zuchtverbot für Merkmalsträger, Tz. 2.1.2.1.6 des Gutachtens

– diverse nicht rassespezifische monogen vererbte Einzeldefekte und Erkrankungen wie Hämophilie, Knickschwanz, Muskeldystrophie u. v. a.; Zuchtverbot für Merkmalsträger und Träger des Defektgens, Tz. 2.1.2.1.7 des Gutachtens

– Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit) als Zuchtziel insbesondere bei Perserkatzen und Exotic Shorthair; Zuchtverbot für extrem kurznasige Tiere und Tiere mit den beschriebenen Symptomen, Tz. 2.1.2.2.1 des Gutachtens

– Entropium sporadisch bei allen Rassen gehäuft bei brachyzephalen Rassen wie Perser; Zuchtverbot für Merkmalsträger, Tz. 2.1.2.2.2 des Gutachtens

– diverse nicht rassespezifische oligo- oder polygen vererbte Einzeldefekte und Erkrankungen wie Unterbiss, Gesichtsspalten, Hüftgelenksdysplasie u. v. a.; teilweise Zuchtverbote für Merkmalsträger, Tz. 2.1.2.2.3 des Gutachtens

51Neben Zuchtverboten formuliert das Gutachten zu § 11 b auch weniger weitreichende Empfehlungen wie etwa züchterische Maßnahmen gegen die Merkmalsausprägung im Fall der Chondrodysplasie (disproportionierter Zwergwuchs mit Verkürzung der langen Röhrenknochen), Tz. 2.1.2.1.6, oder bei Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit) die Vermeidung von Übertypisierungen durch gesundheitliche Überprüfung betroffener Individuen und Änderung der Zuchtstandards, Tz. 2.1.2.2.1.

52cc) Kaninchen. Für Kaninchen gelten folgende Empfehlungen:

– Punktscheckung (spezifische Punktmusterung bei ansonsten weißen Tieren) bei Scheckenkaninchen wie Englische Schecken, Deutsche Riesenschecken, Weiße Hotot u. a.; Zuchtverbot der Paarung Schecke x Schecke, Tz. 2.1.3.1.1 des Gutachtens

– Zwergwüchsigkeit aufgrund eines Verzwergungsgens bei Hermelinkaninchen und Farbenzwergen unter einem Mindestgewicht von 1,5 bis 1,0 kg; Zuchtverbot für Zwerg x Zwerg unter 1,0 kg Lebendgewicht, Tz. 2.1.3.1.2 des Gutachtens

– nicht rassespezifisch vererbte Einzeldefekte (Schüttellähmung, Spastische Spinalparalyse und Syringomelie-Spaltbildung); Zuchtverbot für Träger der Anomalie und des Defektgens; Tz. 2.1.3.1.2 des Gutachtens

– Langohrigkeit bei Widderkaninchen, insbesondere Englische Widder, mir Ohrlängen je nach Rasse von bis zu 65 cm; Zuchtverbot für Individuen, deren Ohrlänge den Grenzwert übersteigt, Tz. 2.1.3.2.1 des Gutachtens

– Brachygnatia (Kieferverkürzung) bei Zwergkaninchen und anderen Rassen; Zuchtverbot für Träger der Anomalie und des Defektgens, Tz. 2.1.3.2.2 des Gutachtens

53dd) Vögel. Die Empfehlungen für Vögel lauten:

– Seidenfiedrigkeit bei Zuchtformen der domestizierten Lachtaube und der Haustaube; Zuchtverbot wegen eingeschränkten Flugvermögens bzw. Flugunfähigkeit, Tz. 2.2.1.1.1 und 2.2.2.1.1 des Gutachtens

– „Almond“ (vielfarbige Gefiederfärbung) bei Haustauben bzw. Farbvarianten „De Roy“, „vielfarbig“, „Magnani vielfarbig“, „Sprenkel“ u. a.; wegen hochgradiger Schäden des optischen Apparates (homozygotische Tiere) und herabgesetzter Vitalität und gestörter Motorik (heterozygote Tiere) Zuchtverbot von Tauben, die beide Träger des „Almond“-Gens sind, Tz. 2.2.2.1.2 des Gutachtens

– „Dominat-Opal“ (Färbungsvariante) bei Haustaubenrassen, homozygote Tiere zeigen oft starkes Kopfzittern und erreichen häufig nicht die Geschlechtsreife; Zuchtverbot von Tauben, die beide das „Dominant-Opal“-Gen tragen, Tz. 2.2.2.1.3 des Gutachtens

– hypertrophiertes Wachstum der Schnabelwarzen und Augenringe bei Haustauben, insbesondere bei den Rassen Indianer und Carrier, die bei älteren Tieren das Gesichtsfeld und die Atmung beeinträchtigen können; Zuchtverbot für Tiere mit übertypisierten Merkmalsausprägungen, Tz. 2.2.2.3.1 des Gutachtens

– hypertrophiertes Imponierverhalten (übersteigertes Aufblasen des Kopfes bei Haustauben ­Kropfhauben), das die Funktion des Kropfes beeinträchtigt; Zuchtverbot für Tiere mit (dilatierten) Kropfsäcken, Tz. 2.2.2.3.2 des Gutachtens

– Fehlstellung der Intertarsalgelenke (Gelenk zwischen Laufknochen und Unterschenkel) bei zahlreichen Taubenrassen, die zu einer unphysiologischen Körperhaltung und Disposition für degenerative Gelenkerkrankungen führt; Zuchtverbot für Tiere mit Anzeichen degenerativen Gelenkerkrankungen, Tz. 2.2.2.3.3 des Gutachtens

– Kurzschnäbeligkeit bei einer Vielzahl von Rassen (insbesondere Mövchentauben), die zu schweren Schlupfproblemen und Verhaltensstörungen bei Küken führen und Schnabelmissbildungen begünstigen; Zuchtverbot für Tiere, deren Schnabel nicht den Indizes entsprechen und für Tiere mit Schnabelmissbildungen, Tz. 2.2.2.3.4 des Gutachtens

– atypisches Flugverhalten (Flugrollen, Flugpurzeln, Bodenrollen etc.) bei verschiedenen Haustaubenrassen; wegen Einschränkungen der Flugfähigkeit bzw. Flugunfähigkeit Zuchtverbot für „Bodenpurzler“, Tz. 2.2.2.3.6 des Gutachtens

– Federhauben und Federwirbel bei zahlreichen Haustaubenrassen; Zuchtverbot für sichtbehinderte Taubenrassen, Tz. 2.2.2.3.7 des Gutachtens

54Daneben enthält das Gutachten zahlreiche Empfehlungen an die Zuchtverbände etwa im Hinblick auf die Befiederung von Läufen und Zehen bei zahlreichen Haustaubenrassen (Parasitenbefall, Behinderungen bei der Fortpflanzung), Tz. 2.2.2.2.1 des Gutachtens, Zitterhalsigkeit (ruckartiges Zurückschnellen des Kopfes), die nahezu alle Funktionskreise des Normalverhaltens beeinträchtigt, Tz. 2.2.2.3.5 des Gutachtens, sowie zu nahezu allen als Qualzucht qualifizierten Merkmalen, für die partielle Zuchtverbote empfohlen werden.

55ee) Reptilien. Auch Reptilien sind zunehmend von Qualzucht betroffen. So werden schuppenlos gezüchtete Bartagamen (Silkbacks), Königs-Pythons oder Kornnattern (Scaleless Balls) gehandelt. Schuppen haben verschiedene Funktionen. Sie schützen gegen UV-Einstrahlung. Die Pigmentierung dient der Thermoregulation und der Kommunikation zwischen Artgenossen. Bei Schlangen unterstützen die Schuppen die Fortbewegung. Schuppenlose Bartagamen müssen während der Schuppung eingecremt werden, was die artgerechte Haltung auf einem natürlichen Untergrund – Sand, Erde – in dieser Phase unmöglich macht. Weiterhin problematisch sind Individuen mit speziellen unnatürlichen Farbausprägungen der Augen oder Musterungen. Hierzu zählt auch der Albinismus, der zu erhöhter UV-Empfindlichkeit führt, was gerade für tagaktive Arten, die sich gerne an warmen UV-lichtintensiven Orten aufhalten, mit erheblichen Gesundheitsrisiken – Verbrennungen, Tumorbildung – verbunden sein kann. Bei Leoparden-Geckos mit der Farbform „Enigma“ wird seit 2006 das „Enigma-Syndrom“ beobachtet, das sich in verschiedenen motorischen Anomalien äußert. Die Zucht von Reptilien mit dem Enigma-Syndrom ist in der Schweiz seit dem 1.1.2015 verboten; Art. 10 e der Verordnung des BLV (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen) über den Tierschutz beim Züchten. Königs-Pythons mit „Spider-Färbung“ – die schwarzen Anteile der Pigmentierung sind so stark reduziert, dass die Musterung an ein Spinnennetz erinnert – leiden bisweilen am „spider-tick“ oder dem „wobbling-Syndrom“. Die betroffenen Tiere verlieren vermutlich aufgrund neurologischer Anomalien die motorische Kontrolle über den Kopf- und Nackenbereich. Die Ursachen sind bisher nicht erforscht.93

56ff) Fische. Bei Aquarienfischen findet man bei verschiedenen Arten Zuchtformen, die Fachverbände wie der Deutschen Cichliden-Gesellschaft e. V. oder der Schweizer Dachverband der Aquarien- und Terrarienvereine als Qualzuchten einstufen. Sogenannte Papageienbuntbarsche (Red Parrot Cichlid) sind Mutanten des Bundbarsches Amphilofus labiatus oder Hybride aus zwei Amphilofus-Arten. Die Fische haben eine stark verkürzte Wirbelsäule – statt der normalen Länge von etwa 30 cm erreichen diese Tiere lediglich eine Länge von 15 cm – und leiden unter extremen Deformationen von Kopf und Körper. Typisch sind Missbildungen der Kiefer, des Maules und der Kiemendeckel. Bei dem Stamm Red Parrot no tail fehlen Schwanzstiel und Schwanzflosse. Die Fische sind in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt. Aufgrund der Deformationen im Maulbereich ist eine artgemäße Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich.94 Ähnlich problematisch sind „Ballonrassen“ wie der Ballonmolly (Poecilia velifera) sowie die „Ballonformen“ des „Küssenden Gurami“ (Helostoma temminckii) und des „Lachsroten Regenbogenfischs“ (Glossolepis incisus). Die Tiere zeigen ausgeprägte s-förmige Deformationen der Wirbelsäule, die das Längenwachstum stark einschränken. Die Tiere sind in ihre artgemäßen Fortbewegung und Fortpflanzung beeinträchtigt. Gleiches gilt für Discusfische mit fehlender Schwanzflosse (Symphysodon aquifasciata) und Goldfische (Carassitus auratus) mit fehlender Rückenflosse („Eierfische“) sowie für verschiedene Arten von Goldfischen, denen Wucherungen oder Veränderungen im Gewebe des Kopfbereichs angezüchtet sind wie „Pompon-Goldfisch“, „Ranchu“, Himmelsgucker“ oder „Blasenauge“. Wucherungen im Nasen- und Augenbereich behindern das Gesichtsfeld, die Nahrungsaufnahme und je nach Größe der Deformationen auch die Bewegungsfähigkeit.95

Erlaubnistatbestände und -verfahren in der tierschutzrechtlichen Praxis

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