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9.Buchst. e) – Bekämpfung von Wirbeltieren als Schädlinge

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75a) Schädlinge. Das Gesetz enthält keine Legaldefinition des Begriffs des Schädlings. § 2 Nr. 12 IfSG definiert den Gesundheitsschädling im seuchenrechtlichen Sinne als Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können. § 2 Nr. 12 IfSG differenziert nicht zwischen Haustieren, Nutztieren oder Wildtieren.144 Der tierschutzrechtliche Schädlingsbegriff umfasst nur Wirbeltiere. Hierzu zählen etwa Bisam, Ratten oder Mäuse.145 Ein Wirbeltier ist ein Schädling, wenn von ihm eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder das Eigentum privater oder der öffentlichen Hand ausgeht.146 Die von einem Tier ausgehende abstrakte Gefahr für die vorgenannten Rechtsgüter ist ein vernünftiger Grund i. S. v. § 1 S. 2.147 Nach der Definition des BVerwG unterscheidet sich eine abstrakte Gefahr von einer konkreten Gefahr nicht durch die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern den Bezugspunkt der Gefahrenprognose. Eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zustände zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz, zu bekämpfen; Folge ist, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann.148

76Das VG Wiesbaden149 hat Tauben lediglich als „Lästlinge“ qualifiziert, die für den Menschen nicht gefährlich sind, sondern deren Anwesenheit lediglich als störend empfunden wird, und offengelassen, ob Lästlinge auch Schädlinge im Sinne von Nr. 8. e) sind; eine „Taube auf dem Dach stört niemanden“.150 Das VGH Hessen151 hat das Urteil VG Wiesbaden152 aufgehoben. Nach seiner Rechtsauffassung sind Tauben jedenfalls dann als Schädlinge im Sinne von Nr. 8 e) einzustufen, wenn sie in größeren Populationen auftreten, was bei Schwärmen ab einer Größenordnung von mehr als 10 Tieren pro 100 qm Grundfläche anzunehmen sein soll153 – vgl. zur Kritik an diesem Schwellenwert die Stellungnahme der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. www.djgt./system/files/94/original/Stellungnahme_VGH_Kassel_Tauben.pdf. Stehen der Duldung von Tauben Gründe des Gesundheits- oder Arbeitsschutzes entgegen, können auch Tauben, die in kleineren Populationen leben, als Schädlinge i. S. v. Nr. 8 e) qualifiziert werden.154

77b) Tötung. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 darf die Tötung von Wirbeltieren ohne Betäubung im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen nur erfolgen, wenn den betroffenen Tieren hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen. Die Tötung von Wirbeltieren im Rahmen der Schädlingsbekämpfung unterliegt damit wie jede Tötung von Tieren dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auf eine vorherige Betäubung der Tiere kann nur dann verzichtet werden, wenn sie aus praktischen Gründen nicht durchführbar ist.155 Zu beachten ist die Vorschrift des § 4 BArtSchV, die auch für Stadttauben gilt.156 Danach sind bestimmte Fang- und Tötungsmethoden verboten, § 4 Abs. 1 S. 1 und 2 BArtSchV.

78Für Bisams gelten gemäß § 4 Abs. 2 BArtSchV Sonderregelungen. Ausnahmen von den Verboten in § 4 Abs. 1 BArtSchV können zur Abwehr gemeinwirtschaftlicher Schäden, zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt oder zum Zwecke der Forschung und Lehre, Wiederansiedlung oder Nachzucht für einen dieser Zwecke zugelassen werden, § 4 Abs. 3 BArtSchV.

79c) Andere Tierarten. Die gewerbsmäßige Bekämpfung von Tieren als Schädlinge, die nicht Wirbeltiere sind, fällt nicht unter den Erlaubnistatbestand von Nr. 8 e). Wildlebende Tiere wie Wespen, Hornissen, Bienen oder Hummeln dürfen nicht ohne vernünftigen Grund getötet werden, § 39 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verbietet insbesondere den Fang und die Tötung wild lebender Tiere der besonders geschützten Arten.157

Erlaubnistatbestände und -verfahren in der tierschutzrechtlichen Praxis

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