Читать книгу Erlaubnistatbestände und -verfahren in der tierschutzrechtlichen Praxis - Eugène Beaucamp - Страница 29

6.Buchst. b) – Handel mit Wirbeltieren

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57a) Handel. Handel ist der An- und Verkauf von Wirbeltieren mit der Absicht, Gewinn zu erzielen.96 Hierunter fällt auch der Tausch gemäß § 480 BGB.97 Der Erlaubnistatbestand setzt nicht voraus, dass der Händler Eigentum und/oder Besitz an den gehandelten Tieren erlangt. Erlaubnispflichtig sind auch Agenturen, die Tiere nicht in eigene Obhut nehmen, AVV 12.2.1.5.2. Nach Lorz/Metzger, Rn. 25 und Hirt/Maisack/Moritz, Rn. 13, soll die Vermittlung nicht als Handel zu qualifizieren sein. Die Begriffe Agentur und Vermittlung sind im Kern identisch.98 Agenturgeschäft ist die Vermittlung des Verkaufs von Waren in fremdem Namen und auf fremde Rechnung.99 Vermittler und Agenten sind Händler i. S. v. Nr. 8 b).

58Anders als beim Erlaubnistatstand Nr. 8 a) gilt Nr. 8b) auch für landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild. Motiv des Gesetzgebers für diese differenzierende Behandlung waren Missstände bei Transporten von landwirtschaftlichen Nutztieren und Schlachttieren. Hierfür seien nicht nur Sachkunde und Zuverlässigkeit der verantwortlichen Personen erforderlich. Ebenso müssten geeignete Einrichtungen vorhanden sein.100 Diese Anforderungen wird man allerdings auch an denjenigen stellen müssen, der landwirtschaftliche Nutztiere oder Gehegewild hält und züchtet. Gemäß AVV 12.2.1.5.2 sollen Abgabe und Verkauf landwirtschaftlicher Nutztiere aus eigener Produktion einschließlich Zukäufe zur unmittelbaren Weiterveräußerung bis zu einem Umfang von 20 % der eigenen Produktion kein gewerbsmäßiger Handel im Sinne von Nr. 8 b) sein. Die Regelung ist anders als AVV 12.2.1.5.1 zu Schwellenwerten für gewerbsmäßiges Züchten nicht als Vermutung ausgestaltet. Die Bestimmung schränkt die gesetzliche Erlaubnispflicht in Bezug auf Zukäufe bis zu dem definierten Umfang generell ein und dürfte deshalb unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs des Gesetzes, Art. 20 Abs. 3 GG, rechtlich fragwürdig sein.

59Kein Handel i. S. v. Nr. 8 b) ist der Verkauf landwirtschaftlich – Bewirtschaftung auf der Grundlage überwiegend selbst produzierter Futtergrundklage – gezogener Tiere bzw. von Zucht- und Masttieren.101 Auch diese Einschränkung ist rechtlich nicht unproblematisch. Ziel der Einführung der Erlaubnispflicht war die Bekämpfung von Missständen bei Transporten von landwirtschaftlichen Nutztieren und Schlachttieren.102 Von solchen Missständen dürften landwirtschaftliche Nutztiere von landwirtschaftlichen Erzeugern potenziell gleichermaßen betroffen sein wie Tiere von gewerblichen Erzeugern.

60b) Vermittlung von Hunden durch Tierschutzvereine. Die Verwaltungsgerichte haben verschiedentlich die Vermittlung von Hunden durch Tierschutzvereine gegen eine Schutzgebühr als Handel i. S. v. Nr. 8 b) behandelt. Kernfrage ist, ob die Vermittlung gewerbsmäßig, insbesondere mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt. Für Gewinnerzielungsabsicht spricht eine Schutzgebühr, die ihrer Höhe nach mit Kaufpreisen für vergleichbare Tiere auf dem freien Markt vergleichbar ist.103 Weiteres Indiz für Gewinnerzielungsabsicht ist die Staffelung der Schutzgebühr nach Tierart, Alter, Zustand und Kastration, weil es sich hierbei um Umstände handelt, die typischerweise den Marktpreis eines Tieres bestimmen.104 Auch eine hohe Anzahl vermittelter Tiere soll für Gewerbsmäßigkeit sprechen.105 Das OVG Nordrhein-Westfalen106 stellt maßgeblich auf den Gesichtspunkt ab, ob ein wirtschaftlicher Überschuss über die eigenen Kosten angestrebt wird. Gegen Gewinnerzielungsabsicht spricht, dass die Einnahmen aus der Erhebung einer Schutzgebühr nicht annähernd die Kosten für den Transport, die Verpflegung und die tierärztliche Versorgung der Tiere decken.107 Unerheblich ist, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt worden ist.108 Ebenso wenig steht der Annahme von Gewinnerzielungsabsicht entgegen, dass die Vermittlung auch aus anderen Gründen – Tierschutz – betrieben wird.109 Für Tierschutzvereine birgt diese Rechtsprechung erheblicher Risiken. Wird die Vermittlung von Tieren als Handel i. S. v. Nr. 8 b) qualifiziert, sind die Konsequenzen weitreichend. Für gewerbsmäßigen Handel liegt die erforderliche Erlaubnis nicht vor. Es droht die Untersagung nach § 11 Abs. 5 S. 6. Des Weiteren ist der Bußgeldtatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 20 erfüllt. Damit ist die Zuverlässigkeit der tierschutzrechtlich verantwortlichen Personen in Frage gestellt, was zum Widerruf der Erlaubnis gemäß Nr. 5 führen kann, wenn der Verein keine andere verantwortliche Person findet, die über die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit verfügt.

61Für gemeinnützige Vereine i. S. v. §§ 51 ff. AO können mit der Vermittlung von Tieren gegen eine Schutzgebühr auch steuerliche Risiken verbunden sein. Nach einer Entscheidung des FG Baden-Württemberg vom 18.4.2011110 kann die entgeltliche Vermittlung von Tieren ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. v. § 65 AO sein, der nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i. S. v. §§ 66-68 AO erfüllt. Folge ist unter anderem, dass die Einnahmen aus der Schutzgebühr nicht mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) S. 1 UStG besteuert werden, sondern dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegen. Das Gericht nimmt einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der nicht Zweckbetrieb ist, an, wenn die Vermittlung von Tieren nicht das einzige und unentbehrliche Mittel ist, den steuerbegünstigen Zweck zu erreichen.111 Dem kann man durch eine entsprechende Gestaltung der Satzung entgegenwirken. Des Weiteren hat das FG Baden-Württemberg112 seine Rechtsauffassung im Entscheidungsfall auf die Erwägung gestützt, der Verein trete mit nicht begünstigten Unternehmen in größerem Umfang in Wettbewerb, als dies für die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.113 Das Gericht hat dies ohne Weiteres angenommen, weil der Verein durch die entgeltliche Vermittlung von Tieren in Konkurrenz zu Tierhändlern trete. Hierzu ist nicht der Nachweis erforderlich, dass der Verein tatsächlich in Konkurrenz zu steuerpflichtigen Unternehmen derselben oder ähnlicher Art tritt.114 Viele Tierschutzvereine bemühen sich, alte, kranke oder körperlich behinderte oder beeinträchtigte Tiere zu vermitteln. Für solche Tiere gibt es keinen Markt. Eine abstrakte Wettbewerbssituation mit Tierhändlern ist ausgeschlossen. Bei gesunden und jungen Tieren stellt sich die Situation möglicherweise anders dar. Nach einer Verfügung der OFD Frankfurt am Main v. 9.8.2005115 sind die Aufnahme von Fundtieren durch ein Tierheim gegen eine jährliche Pauschalvergütung der Kommune, die Aufnahme von Abgabetieren gegen Entgelt und die Abgabe von Tierheimtieren gegen eine nach Art, Alter und Abstammung gestaffelte Vermittlungsgebühr als steuerlicher Zweckbetrieb i. S. v. § 65 AO zu beurteilen. Die Entgelte unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a S. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.

62Das FG Nürnberg hat demgegenüber mit Urteil v. 21.1.2020116 entschieden, dass die Vermittlung von Tieren durch einen Tierschutzverein Zweckbetrieb i. S. v. § 65 AO ist. Im Urteilsfall war die Vermittlung von Tieren in der Satzung ausdrücklich als satzungsgemäßer Zweck des Vereins festgelegt, weshalb das Gericht die Vermittlung als unentbehrliches und einziges Mittel zu Erreichung des Vereinszwecks angesehen hat.117 Das Gericht hatte zudem Zweifel, dass eine Wettbewerbssituation bestand, weil sich der Verein an einen anderen Interessentenkreis richtete als gewerbsmäßiger Tierhändler oder -züchter. Selbst wenn eine solche Wettbewerbssituation bestehe, sei diese unvermeidbar und stehe deshalb der Annahme eines Zweckbetriebs nicht entgegen.118 Das FG Nürnberg hat im Hinblick auf die Entscheidung des FG Baden-Württemberg119 die Revision zugelassen. Die Revision ist unter dem Aktenzeichen XI R 4/20 beim BFH anhängig.

63c) Informationspflichten. § 21 Abs. 5 Nr. 1 regelt Informationspflichten des Händlers bei der erstmaligen Abgabe eines Wirbeltieres an den künftigen Tierhalter. Die Information ist schriftlich zu erteilen. Sie soll den künftigen Halter über die wesentlichen Bedürfnisse des Tieres i. S. v. § 2 Nrn. 1 und 2 unterrichten. Die Informationspflicht gilt nicht für den Handel mit landwirtschaftlichen Nutztieren. Die nachhaltige Verletzung dieser Pflicht kann die Zuverlässigkeit des Händlers in Frage stellen.

Erlaubnistatbestände und -verfahren in der tierschutzrechtlichen Praxis

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