Читать книгу Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz - Eva-Maria Kremer - Страница 68

1. Verwaltungszwangsverfahren

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Die Verweisung auf Vorschriften der Abgabenordnung betrifft nur die Durchführung der Vollstreckung. Die Beantwortung der Frage, wer materiell-rechtlich Vollstreckungsschuldner ist und welche tatbestandlichen Voraussetzungen vor der Einleitung der Vollstreckung erfüllt sein müssen, richtet sich nach den §§ 2 und 3 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes.

Hauptsächliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung ist, dass ein Leistungsbescheid wirksam erlassen und dem Schuldner ordnungsgemäß bekannt gegeben wurde. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen sind in jedem Stadium der Vollstreckung von Amts wegen zu prüfen (vgl. BFH B 4.7.1986 – VII B 151/85, juris = NVwZ 1987, 535; BFH U 30.3.1976 – VII R 94/75, juris = BFHE 118, 533).

Die Verfahrensweise bei der Vollstreckung ist in den genannten Vorschriften der Abgabenordnung eingehend geregelt. Hier sei auf zwei Besonderheiten hingewiesen:

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Nach § 287 Abs. 4 AO ist für die richterliche Anordnung einer Durchsuchung nicht etwa das Finanzgericht, sondern das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Durchsuchung vorgenommen werden soll (Beispiel: BGH B 30.8.1985 – I ARs 533/85, juris = MDR 1986, 123). Der Antrag kann nur von der Vollstreckungsbehörde gestellt werden. Das ergibt sich aus § 285 Abs. 1 AO.

Sollte die Behörde den Durchsuchungsantrag irrtümlich bei dem Finanzgericht stellen, müsste dieses ihn ablehnen. Gleiches gilt für das Verwaltungsgericht (VG Dresden B 8.1.1996 – 7 K 3270/ 95, juris = LKV 1997, 104). Eine Verweisung an das Amtsgericht ist nicht zulässig. Denn eine solche kommt nur bei einem Rechtsstreit in Betracht. Das ergibt sich aus § 155 FGO und § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG. Ein einseitiger Durchsuchungsantrag ist aber kein zweiseitiger Rechtsstreit.

Bei anderen Durchsuchungsfällen ist die Rechtslage in den Ländern nicht einheitlich.

Beispiele:

(1) Baden-Württemberg, § 6 Abs. 2 LVwVG: Verwaltungsgericht. Dieses und nicht das Amtsgericht ist auch dann zuständig, wenn die Durchsuchung in Amtshilfe nach § 4 Abs. 3 S. 1 vom Polizeivollzugsdienst vorgenommen wird (VGH Mannheim B 10.12.1999 – 11 S 240/99, juris = NVwZ-RR 2000, 394).

(2) Hamburg, § 35 Abs. 1 HmbVwVG i.V.m. § 287 Abs. 4 AO: Amtsgericht.

(3) Hessen, § 7 Abs. 3 HessVwVG: Amtsgericht.

(4) Niedersachsen, § 9 Abs. 2 NVwVG: Amtsgericht.

(5) Nordrhein-Westfalen, § 14 Abs. 4 VwVG NRW: Amtsgericht.

(6) Rheinland-Pfalz, § 9 Abs. 2 LVwVG: Verwaltungsgericht oder Sozialgericht.

(7) Saarland, § 5 Abs. 3 SVwVG: Amtsgericht.

(8) Sachsen, § 6 SächsVwVG: Amtsgericht.

(9) Sachsen-Anhalt, § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwVG LSA: Amtsgericht.

(10) Schleswig-Holstein, § 275 Abs. 4 LVwG: Amtsgericht.

(11) Thüringen, § 24 Abs. 2 ThürVwZVG: Amtsgericht.

Jedoch ist zu beachten, dass es bei der Vollstreckung von Geldbußen eine bundesrechtlich einheitliche gerichtliche Zuständigkeit gibt: Gemäß § 104 i.V.m. § 68 OWiG ist das Amtsgericht zuständig.

Befindet sich die Schuldnerwohnung im Mitgewahrsam einer Wohngemeinschaft, dann ist die richterliche Durchsuchungsanordnung allein gegen den Vollstreckungsschuldner ausreichend. Dabei kann es sich um Eheleute, eheähnlich Lebende, Verwandte oder andere Mitinhaber der Wohnung handeln. Kein Mitbewohner ist aber berechtigt, die Durchsuchung unter Berufung auf die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG zu verhindern (vgl. BFH B 12.5.1980 – VII B 9/80, juris = BFHE 130, 136 (140); OVG Bautzen B 8.4.1999 – 1 S. 186/99, juris = NVwZ 1999, 891; VGH München B 29.3.1994 – 4 C 94.1274, juris L = KKZ 1997, 34: OVG Lüneburg B 30.11.1983 – 12 B 145/83, juris L = NJW 1984, 1369).

In Sachsen bestimmt § 6 Abs. 3 SächsVwVG ausdrücklich, dass „Personen, die Mitgewahrsam an der Wohnung des Schuldners haben, die Durchsuchung zu dulden“ haben. Die gleiche Regelung gilt in Baden-Württemberg nach § 6 Abs. 3 LVwVG.

Gemäß § 287 Abs. 3 AO kann der Vollziehungsbeamte, wenn er Widerstand findet, Gewalt anwenden und hierzu um Unterstützung durch Polizeivollzugsbeamte nachsuchen (Sadler, Spezialgesetzliche Amtshilfe der Polizei, Polizei 2003, S. 194–198). Ferner ist nach § 288 AO bei Vollstreckungshandlungen auch ein Polizeibeamter als Zeuge zuzuziehen.

Die gleiche spezialgesetzliche Amtshilfe hat die Polizei gemäß § 758 Abs. 3, § 759 ZPO auch dem Gerichtsvollzieher zu leisten.

Widerstand bedeutet jedes rechtswidrige Verhalten des Vollstreckungsschuldners oder einer anwesenden Person, durch welches die rechtmäßige Vollstreckungshandlung verhindert oder erschwert werden soll. Dabei handelt es sich um Tätlichkeiten oder ernste Drohungen gegen den Vollziehungsbeamten.

Der gewaltbereite Störer sollte mahnend und warnend darauf hingewiesen werden, dass Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB strafbar ist.

Für Soldaten in Gemeinschaftsunterkunft ist der in § 2 Rn. 1 genannte Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung entsprechend einschlägig. Nach Nr. 504 kann der Vollstreckungsbeamte verlangen, dass ihm Zutritt zu dem Wohnraum des Soldaten gewährt wird, gegen den vollstreckt werden soll.

Vor Erlass der richterlichen Durchsuchungsanordnung ist dem Schuldner grundsätzlich kein rechtliches Gehör zuzubilligen. Das könnte nämlich den Durchsuchungserfolg gefährden (BVerfG B 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80, juris Rn. 54 = BVerfGE 57, 346 (359 f.)S ).

Das gilt auch in den Bundesländern.

Eine derartige Einschränkung gibt es im Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz für die Vollzugsbehörden bei der Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen nicht. Jedoch gibt es eine derartige umfassende Einschränkung nach Landesrecht (Rn. 8).

Gemäß § 289 AO darf zur Nachtzeit sowie an Sonntagen und staatlich anerkannten allgemeinen Feiertagen eine Vollstreckungshandlung nur mit schriftlicher Erlaubnis der Vollstreckungsbehörde vorgenommen werden. Die Erlaubnis ist bei der Vollstreckung vorzuzeigen.

Die Nachtzeit ist in § 289 Abs. 1 AO i.V.m. § 758a Abs. 4 S. 2 ZPO festgelegt. Sie umfasst die Stunden von einundzwanzig bis sechs Uhr.

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Die Bundesländer haben die Nachtzeit unterschiedlich bestimmt. Es gelten folgende Regelungen:

(1) Baden-Württemberg: § 9 LVwVG: Vom 1. April bis 30. September von einunzwanzig bis vier Uhr und vom 1. Oktober bis 31. März von einundzwanzig bis sechs Uhr.

(2) Bayern: Art. 5 Abs. 3 S. 2 VwZVG: wie Bundesrecht.

(3) Berlin: § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Berlin: Verweis auf Bundesrecht.

(4) Brandenburg: § 12 VwVGBbg: wie Bundesrecht.

(5) Bremen: § 2 Abs. 1 BremGVG i.V.m. § § 289 Abs. 1 AO: wie Bundesrecht.

(6) Hamburg: § 35 Abs. 1 HmbVwVG i.V.m. § § 289 Abs. 1 AO: wie Bundesrecht.

(7) Hessen: § 10 Abs. 2 HessVwVG: wie Bundesrecht.

(8) Mecklenburg-Vorpommern: § 111 Abs. 1 VwVfG M-V: wie Bundesrecht.

(9) Niedersachsen: § 12 Abs. 1 NVwVG: wie Bundesrecht.

(10) Nordrhein-Westfalen: § 16 Abs. 2 VwVG NRW: wie Bundesrecht.

(11) Rheinland-Pfalz: § 8 Abs. 2 LVwVG: Vom 1. April bis 30. September von einundzwanzig bis vier Uhr und vom 1. Oktober bis 31. März von einundzwanzig bis sechs Uhr.

(12) Saarland: § 8 Abs. 2 SVwVG: Vom 1. April bis 30. September von einundzwanzig bis vier Uhr und vom 1. Oktober bis 31. März von einundzwanzig bis sechs Uhr.

(13) Sachsen: § 9 Abs. 2 SächsVwVG: Von zweiundzwanzig bis sechs Uhr.

(14) Sachsen-Anhalt: § 12 Abs. 2 VwVG LSA: wie Bundesrecht.

(15) Schleswig-Holstein: § 324 LVwG: wie Bundesrecht.

(16) Thüringen: § 27 Abs. 2 i.V.m. § 12 Abs. 2 ThürVwZVG: wie Bundesrecht.

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Verfassungsrechtliche Grundlage des besonderen Schutzes von Sonntagen und staatlich anerkannten Feiertagen ist Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung vom 11.8.1919: Er ist gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes. Dazu kommen entsprechende Bestimmungen in den Verfassungen und Feiertagsgesetzen der Bundesländer. Außer den Sonntagen sind allgemeine Feiertage:

der Neujahrstag,
der Karfreitag,
der Ostermontag,
der 1. Mai,
der Himmelfahrtstag,
der Pfingstmontag,
der 3. Oktober als Tag der deutschen Einheit,
der 1. Weihnachtstag und
der 2. Weihnachtstag.

Regionale Feiertage, die für einzelne Länder und deren katholische oder evangelische Bevölkerung oder Gebiete gelten, sind:

das Fest der Heiligen Drei Könige am 6. Januar, auch Epiphanias,
Fronleichnam am 2. Donnerstag nach Pfingsten,
das Friedensfest am 8. August,
Mariä Himmelfahrt am 15. August,
der Reformationstag am 31. Oktober,
Allerheiligen am 1. November und
der Buß- und Bettag im November.

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Der Vollstreckungsschuldner ist verpflichtet, die Vollstreckung zu dulden. Er darf keinen Widerstand leisten. Tut er das trotzdem, begeht er eine Straftat nach § 113 StGB. Der Vollstreckungsbeamte hat das Recht, Widerstand mit Gewalt zu brechen. Auf sein Verlangen hat die Polizei Amtshilfe zu leisten. Der Vollstreckungsbeamte hat Zeugen zuzuziehen. Gemäß § 5 VwVG gelten die §§ 287, 288 AO. Die Abwehr des Widerstandes, die Unterstützung durch Polizeibeamte und die Zuziehung von Zeugen haben alle Bundesländer in folgenden Bestimmungen geregelt:

(1) Baden-Württemberg: §§ 7, 8 LVwVG.

(2) Bayern: Art. 25 Abs. 2 VwZVG: Geltung der §§ 287 Abs. 3, 288 AO.

(3) Berlin: § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Berlin: wie Bundesrecht.

(4) Brandenburg: § 2 Abs. 1, §§ 11, 22 VwVGBbg.

(5) Bremen: § 2 Abs. 1 BremGVG: Geltung der §§ 287 Abs. 3, 288 AO.

(6) Hamburg: § 35 Abs. 1 HmbVwVG: Geltung der §§ 287 Abs. 3, 288 AO.

(7) Hessen: §§ 8, 9 HessVwVG.

(8) Mecklenburg-Vorpommern: § 111 Abs. 1 VwVfG M-V: Geltung des Bundesrechts.

(9) Niedersachsen: §§ 10, 11 NVwVG.

(10) Nordrhein-Westfalen: §§ 14, 15 VwVG NRW.

(11) Rheinland-Pfalz: §§ 10, 11 LVwVG.

(12) Saarland: §§ 6, 7 SVwVG.

(13) Sachsen: §§ 7, 8 SächsVwVG.

(14) Sachsen-Anhalt: §§ 10, 11 VwVG LSA.

(15) Schleswig-Holstein: §§ 275, 276 LVwG.

(16) Thüringen: §§ 25, 26 ThürVwZVG.

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