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2.8Scrum Master – eine Frage der Haltung

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Was ist eigentlich Haltung und weshalb ist diese für Scrum Master wichtig? Für uns zeichnet sich Haltung durch verinnerlichte Grundüberzeugungen aus. Diese haben Einfluss sowohl auf unsere bewussten als auch unbewussten Verhaltensweisen und Handlungen. Letztere sind von allen Teammitgliedern immer wieder beobachtbar, sodass deine Haltung sozusagen durchscheint. Das hat sehr große Auswirkungen auf das Verhalten der beobachtenden Personen, denn Menschen lernen viel durch Imitation. Gut beobachten können wir das vor allem bei Kindern: Wenn Eltern überzeugte Sportler sind, werden deren Kinder sie deutlich öfter beim Sport wahrnehmen und das Verhalten als positiv werten. Die Kinder werden dann versuchen, das Verhalten zu imitieren. Tragischerweise funktioniert das gleiche Prinzip natürlich genauso mit Nikotin oder Alkohol. Wir sollten also mit gutem Beispiel vorangehen, wenn wir Menschen Veränderung nahebringen wollen. Dieser Weg kann nur gelingen, wenn die Haltung stimmt, denn kein Mensch kann dauerhaft gegen seine innere Überzeugung handeln und dabei gesund bleiben.

Und was ist nun eine förderliche Haltung für Scrum Master? Einen guten Leitsatz hat Norman L. Kerth mit seiner »Prime Directive« [Kerth 2013] für Retrospektiven geliefert:

»Unabhängig davon, was wir entdecken werden, verstehen und glauben wir aufrichtig, dass jeder sein Bestes in der gegebenen Situation, mit dem verfügbaren Wissen, den Ressourcen und unserem individuellen Kontext getan hat.« (Übersetzung der Autoren)

Die Prime Directive beschreibt eine Selbstaussage: Bist du in der Lage zu glauben, dass jeder sein Bestes gegeben hat? Bist du in der Lage, die positive Intention hinter einem vielleicht irritierenden Verhalten zu sehen? Kannst du stets interessiert und neugierig zuhören, anstatt vorschnell zu urteilen? Sich immer wieder in diese nicht urteilende Jeder-hat-sein-Bestes-gegeben-Haltung zu versetzen, ist eine wichtige Qualität eines guten Scrum Masters. Denn die Psychologie sagt uns, dass wir Menschen – wenn wir einmal eine Theorie über etwas oder jemanden gebildet haben – dazu neigen, uns selbst zu bestätigen (siehe »Theory Induced Blindness« in [Kahneman 2012]). Wenn wir also eine Kollegin als »schlechtes Teammitglied« eingeordnet haben, dann werden wir dazu neigen, diese Theorie zu festigen und »schlechtes« Verhalten an dieser Kollegin zu beobachten. Damit nehmen wir ihr die Möglichkeit, »gut« zu sein, und werden selbst zum Problem.

Daher ist es sinnvoll, die eigenen blinden Flecken zu erkunden. Denn als Scrum Master kannst du selbst zum limitierenden Faktor deines Teams werden. Sind wir beispielsweise zu harmoniebedürftig, dann glätten wir mitunter Konflikte, die aber ein Team für seine Weiterentwicklung braucht. Um an sich selbst zu arbeiten, hilft regelmäßiges Feedback von außen, sei es vom Team, von Kollegen, Mentoren oder Coaches.

Ein weiterer Aspekt der Scrum-Master-Haltung liegt darin, agile und Scrum-Werte sowie Prinzipien vorzuleben. Inwieweit hast du z.B. die Scrum-Werte Mut, Respekt, Offenheit, Fokus und Commitment verinnerlicht, sodass sie sich in deinem täglichen Handeln widerspiegeln? Gehst du Konflikte oder schwierige Themen mutig und gleichzeitig respektvoll an? Kannst du offen mit deinen eigenen Unsicherheiten und Fehlern umgehen? Arbeitest du fokussiert und verlässlich an Aufgaben, die du zugesagt hast?

Eine ähnliche Betrachtung lässt sich mit den Prinzipien des Agilen Manifests [AM] machen. Achtest du z.B. für dich auf nachhaltige Geschwindigkeit? Oder leidest du unter dem »Helfersyndrom«, niemanden hängen lassen zu wollen, selbst wenn es dich in die Überlastung führt? Gibst du deiner eigenen regelmäßigen Reflexion und Verbesserung genügend Zeit und Raum? Wenn dich deine Antworten auf diese Fragen nicht überzeugen, was lebst du deinem Team damit vor?

Während agile und Scrum-Werte sowie Prinzipien eine grundsätzliche Ausrichtung bedingen, gibt es zudem einen dynamischen Aspekt der Haltung. So gilt es immer wieder, die richtige Balance zwischen verschiedenen Ambivalenzen zu finden, so z.B. zwischen folgenden Handlungen:

 Liefern und lernen

 Übersicht schaffen und Fokus wahren

 Ändern und bewahren

 Trainieren/beraten und coachen

 Intervenieren und laufen lassen

 Optionen generieren (Divergenz) und Entscheidungen fördern (Konvergenz)

 …

Eine Betrachtung von Ambivalenzen kannst du gemeinsam mit anderen und alleine durchführen. Wichtig ist dabei, sich eine »Sowohl als auch«- anstatt einer »Entweder oder«-Haltung zu bewahren. Dies ermöglicht es, die aktuelle sowie eine passende neue Ausbalancierung und die dafür notwendige Entwicklungsrichtung zu ermitteln. Das geht oft einher mit dem Hinterfragen bestehender Überzeugungen und der Weiterentwicklung der eigenen Haltung. Eine dafür hilfreiche Methode ist das Wertequadrat von Nicolai Hartmann [WQNH] und Friedemann Schulz von Thun [WQSVT].


Abb. 2–1Wertequadrat

Mit der folgenden Übung kannst du – falls du dich in einem der oben beschriebenen oder einem anderen Ambivalenzfeld befindest – eine Selbstreflexion anhand des Wertequadrats durchführen, um sinnvolle nächste Schritte für dich und deine Weiterentwicklung abzuleiten.

Workshop 2:Wertequadrat Selbstreflexion

Teilnehmerzahl 1
Zeit 35 Minuten für die Betrachtung einer Ambivalenz
Vorbereitung, Material DIN-A4-Blatt, Stift sowie grüne und rote Post-its
Ablauf 1 min: Skizzierung der Struktur eines Wertequadrats auf einem DIN-A4-Blatt unter Nutzung von grünen Post-its für Wert und positiven Gegenwert (Tugenden) sowie rote Post-its für deren negative Überhöhungen (Untugenden).2 min: Ausfüllen des Werts und Gegenwerts (z.B. aus den obigen Ambivalenzen oder der Wertequadratskizze).3 min: Prüfen und ggf. anpassen, dass beide für einen selbst positiv belegt und indirekt proportional sind (sprich ein Mehr des einen Werts bedingt ein Weniger des Gegenwerts und umgekehrt).2 min: Ausfüllen der jeweiligen negativen Überhöhungen.4 min: Prüfen und ggf. anpassen, dass die negativen Überhöhungen wirklich den übersteigerten Wert oder Gegenwert darstellen und wirklich negativ belegt sind.5 min: Wo habe ich mich in der Vergangenheit in einer der übersteigerten Werte agieren sehen?1 min: Festlegen der eigenen gewünschten Entwicklungsrichtung in dem aufgestellten Wertequadrat.6 min: Ermitteln gelebter Verhaltensweisen, in denen wir bereits in der gewünschten Entwicklungsrichtung agieren. Wie können diese verstärkt werden?6 min: Ermitteln gelebter Verhaltensweisen, in denen wir entgegen der gewünschten Entwicklungsrichtung agieren. Wie können diese reduziert oder verändert werden?5 min: Auswahl von 1–2 Maßnahmen, um Verhaltensweisen gemäß gewünschter Entwicklungsrichtung zu verändern.
Anmerkungen Die Übung lässt sich auch mit Teams durchführen. So können z.B. mehrere Ambivalenzen parallel in Paaren bearbeitet werden. Im Anschluss kann ein Gallery Walk mit darauffolgender Priorisierung der Maßnahmen stattfinden. Unabhängig von der gewählten Variante wird dafür mehr Zeit benötigt.
Weiterführende Informationen Templates für die Verwendung des Formats im Online-Setting findest du unter [SMK].
Scrum Master Kompagnon

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