Читать книгу Kartellrechtliche Schadensersatzklagen - Fabian Stancke - Страница 30
2. Verjährung der Ansprüche
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Verjährungsfristen sollten stets von Anfang an im Blick behalten werden. Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche unterliegen nach der Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie durch die 9. GWB-Novelle gemäß § 33h Abs. 1 GWB einer fünfjährigen kenntnisabhängigen Verjährung. Die Verjährung beginnt nach zutreffender Ansicht nicht vor Veröffentlichung bzw. Offenlegung der kartellbehördlichen Entscheidung.70 Sie wird aufgrund eines kartellbehördlichen Verfahrens oder einer Auskunftsklage gemäß § 33h Abs. 6 GWB bis ein Jahr nach dessen Beendigung gehemmt. Kenntnisunabhängig verjähren Schadensersatzansprüche nach zehn Jahren ab Anspruchsentstehung und Beendigung des Verstoßes.71 Diese Regeln gelten gemäß § 186 Abs. 3 GWB nicht für vor dem 27.12.2016 entstandene Ansprüche. Für solche Ansprüche finden die jeweils geltenden Verjährungsvorschriften Anwendung.72 Um einer drohenden Verjährung zu entgehen, kommen verschiedene verjährungshemmende Maßnahmen in Betracht. Dazu zählt die Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. In einem frühen Stadium sind die Erfolgsaussichten jedoch häufig unklar. Selbst eine Auskunfts-, Stufen- oder nur eine Feststellungsklage erscheint wegen der hohen Kostenrisiken oft nicht angebracht.73 Vorzugswürdig ist der Abschluss von Einredeverzichtserklärungen bzw. Verjährungshemmungsvereinbarungen mit den Kartellbeteiligten. Sofern diese einem Verzicht nicht zustimmen, können auch gem. § 203 BGB Verhandlungen die Verjährung hemmen.74
44 § 33a Abs. 2 GWB enthält eine widerlegliche Schadensvermutung; BGH, 28.6.2005, KRB 2/05, NJW 2006, 163, 164f. – Berliner Transportbeton I; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 122ff. 45 Etwa Bezugspreise und -mengen, Lieferkonditionen und Bezugszeitpunkte. 46 EuGH, 20.9.2001, Rs. C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465 m. Anm. Nowak, EuZW 2001, 715 – Courage; EuGH, 13.7.2006, verb. Rs. C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU: C:2006:461 m. Anm. Lübbig, EuZW 2006, 529 – Manfredi. Vgl. auch Art 12 Abs. 1 der Kartellschadensersatzrichtlinie; ferner BGH, 28.6.2011, KZR 75/10, BGHZ 190, 145 – ORWI. 47 Für eine vertiefende Erläuterung: Oxera u.a., Quantifying antitrust damages: Towards non-binding guidance for courts, S. 116ff.; EU-Kommission, Study on the Passing on of Overcharges, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/publications/reports/KD0216916ENN.pdf (zuletzt aufgerufen am 15.6.2020); EU-Kommission, Leitlinen für die nationalen Gerichte zur Schätzung des Teils des auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzten Preisaufschlags, ABl. 2019 C 267/4. 48 Der EuGH hat in der Rechtssache Kone (EuGH, 5.6.2014, ECLI:EU:C:2014:1317, m. Anm. Zöttl, EuZW 2014, 586 – Kone) klargestellt, dass ein adäquater Kausalzusammenhang der Kartellabsprache und der Schädigung durch Preisschirmeffekte bestehen kann; vgl. dazu auch die anschließenden erste dt. Rechtsprechung: OLG Karlsruhe, 9.11.2016, 6 U 204/15 Kart (2), ECLI:DE:OLGKARL:2016:1109.6U204.15.0A = BB 2017, 398, 400f. – Grauzementkartell; BGH, 12.6.2018, KZR 56/16, ECLI:DE:BGH: 2018:120618UKZR56.16.0 = NJW 2018, 2479, 2482 – Grauzementkartell II. 49 Vgl. Ohlhoff, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26, Rn. 136ff.; Inderst/Maier-Rigaud/Schwalbe, WuW 2014, 1043; Beth/Pinter, WuW 2013, 228, 232. 50 Zu den Voraussetzungen vgl. Lettl, WuW 2014, 1032, 1038. 51 Vgl. EuGH, Rs. C- 435/18, 12.12.2019, ECLI:EU:C:2019:1069, NZKart 2020, 30 – Otis u.a.; siehe dazu auch BGH, 28.2.2020, KZR 24/17, ECLI:DE:BGH: 2020:280120UKZR24.17.0 – Schienenkartell II, Rn. 24. 52 In dem in der Rechtssache Otis dem EuGH vorgelegten Fall, stellte der Gerichtshof fest, dass das Land Oberösterreich höhere Förderdarlehen zur Finanzierung von Bauprojekten an Bauherren wegen durch das Aufzug- und Fahrtreppenkartells überhöhter Preise ausschütten musste, als dies ohne das Kartell der Fall gewesen wäre. Der Differenzbetrag, so der Gerichtshof, hätte für andere gewinnbringende Zwecke verwandt werden können. 53 Siehe Ungarn mit einer schon 2009 eingeführten widerlegbaren Schadensvermutung i.H.v. 10 % (88/C. § 116. évi LVII. törvény a tisztességtelen piaci magatartás és a versenykorlátozas tilalmáról) und ebenfalls Lettland (§ 21 Grozījumi Konkurences likumā), wo sich hierzu aber jeweils noch keine bekannte Spruchpraxis der dortigen Gerichte hat herausbilden können. 54 Vgl. § 186 Abs. 3 Satz 2 GWB. 55 Vgl. OLG Karlsruhe, 10.3.2017, 6 U 132/15 (Kart.), ECLI:DE:OLGKARL:2017: 0310.6U132.15KART.0A, BeckRS 2017, 149111, Rn. 72 – Schienenkartell; OLG Karlsruhe, 31.7.2013, 6 U 51/12 (Kart.), ECLI:DE:OLGKARL:2013:0731.6U51. 12.0A, NZKart 2014, 366, 367 – Löschfahrzeuge; OLG Jena, 22.2.2017, 2 U 583/15 Kart, ECLI:DE:OLGTH:2017:0222.2U583.15KART.0A, NZKart 2017, 540, 541 – Schienenkartell; KG Berlin, 1.10.2009, 2 U 10/03, ECLI:DE:KG:2009:1001.2U10. 03.0A, BeckRS 2009, 88509 – Transportbeton; OLG München, 8.3.2018, U 3497/16 Kart, ECLI:DE:OLGMUEN:2018:0308.U3497.16KART.0A, NZKart 2018, 230, 232 – Schienenkartell; OLG München, 28.6.2018, 29 U 2644/17 Kart, ECLI:DE: OLGMUEN:2018:0628.29U2644.17KART.0A, NZKart 2018, 379, 380 – Weichenkartell; OLG Celle, 14.8.2018, 13 U 105/16 (Kart), ECLI:DE:OLGCE:2018:0814. 13U105.16KART.0A, BeckRS 2018, 30077, Rn. 51 – Schienenkartell. 56 Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2019, 363, 368f.; eine Ausnahme bildete das OLG Düsseldorf, das jeweils von einer tatsächlichen Vermutung ausging, vgl. OLG Düsseldorf, 22.8.2018, VI-U (Kart) 1/17, ECLI:DE:OLGD:2018:0822.U.KART2.17.00, NZKart 2018, 477 – Schienenkartell I. 57 BGH, Urt. v. 11.12.2018, KZR 26/17, ECLI:DE:BGH:2018:111218UKZR26.17.0, NZKart 2019, 101 – Schienenkartell; siehe dazu auch z.B. Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2019, 363ff. 58 BGH, 11.12.2018, KZR 26/17, ECLI:DE:BGH:2018:111218UKZR26.17.0 – Schienenkartell. 59 BGH, 28.1.2020, KZR 24/17, ECLI:DE:BGH:2020:280120UKZR24.17.0 – Schienenkartell II. Hieran hat er auch in den Urteilen Schienenkartell III, Schienenkartell IV und Schienenkartell V festgehalten, siehe BGH, 19.5.2020, KZR 70/17, BeckRS 2020, 22798, ECLI:DE:BG H:2020:190520UKZR70.17.0 – Schienenkartell III, BGH, 19.5.2020, KZR 8/18, ECLI:DE:BGH:2020:190520UKZR8.18.0 – Schienenkartell IV, BGH, 23.9.2020, KZR 4/19 – Schienenkartell V, wobei der BGH klarstellt, dass der Erfahrungssatz, dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten, auch dann zu berücksichtigen ist, wenn „nur“ über längere Zeit Listenpreise ausgetauscht wurden. Bindende Feststellungen der Kommission sind bei der Schadensschätzung durch das Gericht umfassend zu berücksichtigen. Wobei daraus Schlussfolgerungen gezogen werden können, die als solche nicht von der Bindungswirkung umfasst sind. 60 BGH, 28.1.2020, KZR 24/17, ECLI:DE:BGH:2020:280120UKZR24.17.0 – Schienenkartell II, BGH, 23.9.2020, KZR 4/19 – Schienenkartell V, ebenso LG Dortmund, 30.9.2020, 8 O 115/14, siehe auch BGH, 23.9.2020, KZR 35/19, ECLI:DE:BGH: 2020:230920UKZR35.19.0 – LKW, wobei der BGH hier den Pass-On-Einwand dahingehend einschränkt, dass insbesondere bei Streuschäden mittelbar Geschädigter, die eine mehrfache Inanspruchnahme der Schädiger ausschließen, der Weiterwälzungseinwand wegen einer hierdurch drohenden unbilligen Entlastung der Schädiger ausscheidet. 61 Gleiches soll nun nach § 33c Abs. 3 GWB auch für mittelbare Abnehmer gelten. 62 BGH, 12.7.2016, KZR 25/14, ECLI:DE:BGH:2016:120716UKZR25.14.0 = NZKart 2016, 436 – Lottoblock II; BGH, 28.1.2020, KZR 24/17, ECLI:DE:BGH:2020: 280120UKZR24.17.0, Rn. 35ff. = NZKart 2020, 136, 139 – Schienenkartell II. 63 LG Dortmund, 30.9.2020, 8 O 115/14; vgl. dazu auch Kühnen, NZKart 2019, 515ff. 64 Vgl. EU-Kommission, Mitteilung der Kommission zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 13.6.2013, Nr. C 167/07, Rn. 6. 65 Dieser beträgt gemäß § 33 Abs. 4 GWB, § 288 Abs. 2 BGB mindestens fünf Prozentpunkte, bei Entgeltforderungen ohne Verbraucherbeteiligung sogar 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB, dazu BGH, 6.11.2013, KZR 58/11, NVwZ-RR 2014, 515, 521. Bei lang zurückliegenden Kartellen können sich entsprechend der damaligen Rechtslage andere Zinssätze ergeben. 66 Für einen ausführlichen Überblick der Methoden siehe Oxera u.a., Quantifying antitrust damages: Towards non-binding guidance for courts, S. 43ff.; Davis/Garcés, Quantitative Techniques for Competition and Antitrust Analysis, 2009, S. 354ff. 67 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 198ff. 68 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 247. 69 Trotz der Verbesserungen, die im GWB vorgesehen sind, vgl. dazu Kapitel G. 70 Makatsch/Mir, in: MüKo-Wettbewerbsrecht, § 33h GWB Rn. 45; Middelschulte/Hutschneider, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 43, Rn. 136ff.; allein die Presseberichterstattung oder Pressemitteilung der Kartellbehörden nicht als ausreichend erachten z.B. KG Berlin, 1.10.2009, 2 U 17/03, ECLI:DE:KG:2009:1001. 2U10.03.0A – Transportbeton; Soyez, ZWeR 2011, 407, 418ff.; a.A. in der Literatur z.B. Harms, NZKart 2014, 175, 177, OLG Düsseldorf, 18.2.2015, VI U (Kart) 3/14, ECLI:DE:OLGD:2015:0218.VI.U.KART3.14.00, NZKart 2015, 201 – Zementkartell II, das Urteil betrifft aber eine Einzelfallkonstellation und ist nicht pauschal übertragbar; vgl. dazu krit. Makatsch/Abele, WuW 2015, 461. 71 Gegen eine Beibehaltung der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist vor Umsetzung der 9. GWB-Novelle z.B. Schweitzer, NZKart 2014, 335, 340; Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7, 11; a.A. Pohlmann, WRP 2015, 546, 550. 72 Der BGH hat in dem vielbeachteten Urteil entschieden, dass die Hemmungsvorschrift des § 33 Abs. 5 GWB 2005, auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung findet, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1.7.2005 begangen wurden, und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, vgl. BGH, 12.6.2018 – KZR 56/16, ECLI:DE:BGH:2018:120618UKZR56.16.0, NJW 2018, 2479, 2483 – Grauzementkartell II. Umstritten ist indes weiterhin die Auslegung des in § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 verankerten Begriffs der Verfahrenseinleitung, hierzu Makatsch/Mir, in: MüKo-Wettbewerbsrecht, GWB § 33h Rn. 93ff. 73 Zu möglichen Kosten einer Anspruchsgeltendmachung aus § 33g GWB siehe Mallmann/Lübbig, NZKart 2016, 518, 520. 74 § 33h Abs. 6 GWB verweist auf die allg. Regeln.