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Einleitung

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Dieses Buch hat viel mit alten Karten zu tun, ist aber keine Geschichte der Kartographie, auch nicht ein Ausschnitt aus einer solchen. Vielmehr handelt es davon, welche Vorstellungen sich das Mittelalter von der irdischen Welt machte und wie es mit ihnen umging, um das Wirken Gottes zu begreifen. Gott in der Welt ist also weithin sein Thema, nur eben beschränkt auf die Welt des Menschen in seiner räumlichen und zeitlichen Existenz. Das eine ließ sich vom anderen schon deshalb nicht trennen, weil Geschichte als Heilsgeschichte, als planmäßiges Handeln Gottes auf Erden, aufgefasst wurde. Mittelalterliche Karten geben davon den anschaulichsten, sinnfälligsten und komplettesten Eindruck. Deshalb ist hier so oft von ihnen die Rede. Sie geben auf einen Blick wieder, welches Bild man sich von der Schöpfung und deren alles durchwaltendem Sinn machen konnte. Die kartographiehistorische Forschung hat lange gebraucht, die Eigenart mittelalterlicher Karten adäquat zu verstehen. Die allgemein übliche Vorstellung vom kontinuierlichen Fortschritt der Wissenschaften ließ sie als unvollkommene Machwerke erscheinen, als im Ansatz verfehlt und in der Ausführung misslungen. Erst die gründliche Entschlüsselung der auf ihnen versammelten Bilder und Zeichen, der kartographischen Symbole und Legenden, hat gezeigt, dass die Kartenmacher des Mittelalters andere Ziele als die modernen Kartographen verfolgten und ihre Erzeugnisse deshalb anders interpretiert werden müssen. Kein exakt vermessenes Abbild, sondern ein in allen Bestandteilen bedeutungsvolles Bild wollten die meisten vermitteln.

Das deutsche Wort „Weltbild“ machte im 19. Jahrhundert Karriere, wurde aber immer öfter mit Kants Neuschöpfung „Weltanschauung“ gleichgesetzt und teilte deren ambitiösen Gehalt. In andere Sprachen lässt es sich kaum übersetzen. Dabei reicht seine überlieferte Geschichte viel weiter, nämlich bis ins Althochdeutsche, zurück. Notker der Deutsche (Notker Labeo), Mönch in St. Gallen, übersetzte mit uuérlt-pílde die lateinische Verbindung imago mundi, sah die Vielfalt der Schöpfung darin begriffen und unterschied – ganz platonisch – zwischen einem Urbild (idea mundi), dem göttlichen Plan, und dessen Abbild (imago mundi), der sichtbaren Welt.1 Vom Ursprung des Wortes her ist also „Weltbild“ eine Weltvorstellung, die anschaulich geworden ist. Spätere Autoren nahmen es schlichter und trugen zusammen, was sie von der Welt wussten. Denn ein Bild von ihr zu entwerfen, setzte umfassendes Wissen voraus. Dieses konnte auf einer Weltkarte so gut wie in Form eines enzyklopädischen Texts präsentiert werden. Beide Darstellungsweisen hängen eng miteinander zusammen, auch wenn sie unterschiedliche Vorzüge besitzen. Beide kompilieren Informationen, ordnen verfügbares Wissen und streben eine abgerundete Darstellung an, freilich mit grundverschiedenen Mitteln. Man kann Karten als visuelle Enzyklopädien bezeichnen und in enzyklopädischen Texten Bilder der Welt vorfinden. In beidem spiegelt

sich Wissen, und durch beides wird Wissen vermittelt. Kommen sie zusammen zum Einsatz, etwa in der handschriftlichen Überlieferung antiker oder mittelalterlicher Schriften, können sie sich gegenseitig illustrieren oder einander ergänzen. Nach dem Wechselspiel von Kartenbild und Enzyklopädie wird in allen Kapiteln zu fragen sein.

Weltbilder können sich ändern, und es gibt sogar Zeiten, in denen der Wandel beschleunigt erscheint. Vor allem Reisen und die damit verbundenen Einsichten nehmen darauf Einfluss. Neue, zumal geographische Kenntnisse stehen zur Verfügung, der Horizont kann sich weiten, der Transfer kultureller Praktiken wirkt sich aus. Dennoch werden sich Weltbilder nie vollständig ändern. Denn ihr Fundament besteht im Wissen der Bücher, tradiert über Generationen. Neuigkeiten, die auf den Erfahrungen von Reisenden beruhen, werden mit überkommenen Gewissheiten verglichen und müssen sich gegen die gelehrte oder volkstümliche Überlieferung behaupten. Das kann sich hinziehen. Auch können alte Weltbilder neben neuen weiter bestehen. Gesichertes Buchwissen ist unreflektiertem Reisewissen oft überlegen, Empirie nicht an sich schon im Vorteil. Das hat Sebastian Münster richtig gesehen, als er den weltkundigen Gelehrten vom reisenden Grobian unterschied.2 In der Geschichte der Weltbilder steckt immer auch eine Geschichte des Reisens und seines Korrektivs, einer Existenz mit den Büchern.

1 Notker der Deutsche von St. Gallen, Die Hochzeit der Philologie und des Merkur. De nuptiis Philologiae et Mercurii von Martianus Capella, hg. von Evelyn Scherabon Firchow, Hildesheim 1999, Bd. 1, S. 60.

2 Sebastian Münster, Cosmographia, Basel 1544 [u. ö.], Vorrede.

Das Bild der Welt im Mittelalter

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