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Die Kreuzzugsidee und ihre Wurzeln Heiliger Krieg, Dschihad und Kreuzzug

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Am Ausgang des 11. Jahrhunderts als bewaffnete Pilgerfahrt ins Leben gerufen, entwickelte sich der Kreuzzug zum Kampf um die Bewahrung oder Rückeroberung des Heiligen Landes. Er war die unmittelbare und quasi natürliche Fortsetzung jener Kriege, die gegen die Mauren auf der Iberischen Halbinsel, die Muslime auf Sizilien und die sarazenischen Freibeuter im Mittelmeer geführt worden waren und wurden. Von der Kirche institutionalisiert und instrumentalisiert, sollte er noch verschiedenen Zwecken dienen, sei es die kirchliche Expansion im Nordosten Europas, sei es die Unterdrückung von Häretikern und politischen Gegnern. Häufig trafen Kreuzzug und christliches Missionsideal zusammen, wobei sie mal im Widerspruch zueinander standen, mal einander ergänzten. In jedem Fall ging der Kreuzzug mit dem Streben nach innerem Frieden der Christenheit einher, lag darin doch die Grundvoraussetzung für ein wirksames Vorgehen gegen die Ungläubigen. Als die südöstlichen Grenzen Europas im 14. und 15. Jahrhundert zunehmend durch die osmanische Expansion bedroht wurden, änderte er erneut sein Erscheinungsbild und gab sich nun als Verteidigungskrieg eines geeinten Kontinents und »seines« Meeres gegen die neue Bedrohung durch die Barbaren. Die folgende Phase einer Politik der Bündnisse gegen den Türken, die bis ins 18. Jahrhundert andauerte, ließ neben das religiöse Element ein politisch-diplomatisches treten, wobei Ersteres nie ganz verloren ging, sondern im kollektiven Bewusstsein bis heute weiterlebt.

Es stellt sich also die Frage: Was waren die Kreuzzüge? Religionskriege, ideologische Kriege oder doch Kolonialkriege? Ein frühes Beispiel systematischer Aggression des Okzidents gegenüber dem Orient? Ein fernes Modell rassistisch motivierter Bluttaten? Im gesammelten Schrifttum – mittelalterlichem wie modernem – werden die Kreuzzüge häufig bella sacra, Heilige Kriege, genannt. Bisweilen wird das Adjektiv sacrum, nicht immer mit der gebührenden Sorgfalt gegenüber den theologischen Implikationen, durch sanctum ersetzt. Dessen ungeachtet ist es im Christentum nie zur Ausbildung einer wirklichen Theologie des Heiligen Krieges gekommen. Ebenso wenig waren die Kreuzzüge – also die von dem Wunsch, die heiligen Stätten in Besitz zu behalten oder (zurück) zu erobern, befeuerten Feldzüge, die seit dem 13. Jahrhundert kanonistisch entsprechend untermauert waren – jemals als Religionskriege konzipiert. Und noch weniger galten sie bei der Bekehrung der Ungläubigen als parallele oder gar alternative Form zum Missionsauftrag. Kam es trotz allem zu Fällen von erzwungener Konversion, sind diese von der Kirche nie als Ergebnis einer Missionsabsicht legitimiert worden.

Dies gilt im Übrigen auch für den Islam: Der Dschihad ist kein Heiliger Krieg, sondern eine absolute Bemühung (eine Anstrengung), die man im Namen einer Sache auf sich nimmt, die theologisch und rechtlich als gottgefällig gilt. Zwar kann sie unter Umständen auch in einem militärischen Akt bestehen, ist aber meist ziviler, moralischer oder humanitärer Natur. Heute scheint der Begriff des Dschihadismus die älteren Begrifflichkeiten von Fundamentalismus und Islamismus ersetzt zu haben. Tatsächlich ist er insofern besser legitimiert als diese, als muslimische Gruppierungen existieren, die sich über ihren Einsatz im Dschihad definieren. Doch wie immer sind die Dinge vielschichtiger. Das klassische islamische Recht teilt die Welt in zwei große Gebiete ein: den dār al-Islām, wo der Islam die Vorherrschaft hat, das Leben seinen Gesetzen unterliegt und Krieg nicht nur verboten, sondern völlig unmöglich und undenkbar ist; und den dār al-Harb, wo die Heiden leben (sprich die Götzenanbeter, die durch Vernichtung oder Konvertierung verschwinden müssen) und die sogenannten »Leute des Buchs« (ahl al-Kitāb). Gemeint sind Monotheisten, die den wahren, ihnen von einem heiligen Buch enthüllten Gott kennen: Juden und Christen, einigen islamischen Schulen zufolge aber auch Mazdaisten, Mandäer, Jesiden und Buddhisten. Diese »Buchbesitzer« müssen dem Islam unterworfen werden und seine Überlegenheit als »Siegel der Prophezeiung« und vollkommenen Glauben anerkennen, sollen jedoch nicht gezwungen werden, sich zum Islam zu bekehren. Unter Vorbehalt diverser zivilrechtlicher Einschränkungen dürfen sie im dār al-Islām bleiben und ihren Kult als dhimmi (»Subjekte«, aber auch »Schutzbefohlene«) privat ausüben. Im Übrigen bedeutet das Wort harb, Krieg, das genaue Gegenteil von Islam, welcher Begriff mit salam, Frieden, eng verwandt ist. Da das Arabische eine konsonantische Sprache ist, handelt es sich in letzter Konsequenz sogar um dasselbe Wort, nämlich s-l-m, und bedeutet somit ureigentlich genau das: Frieden, Eintracht, innerstes Einverständnis (soll heißen zwischen göttlichem Willen und menschlichem Wollen, das gehalten ist, jenem zu entsprechen). Islam ist damit ein Synonym von din (Glaube) und nicht zu trennen von dawla (Recht).

Der Islam stützt sich auf fünf Säulen oder Grundprinzipien (Arkan al-Islam). Es sind die fünf wesentlichen Pflichten, die ein guter Muslim zu erfüllen hat: das Glaubensbekenntnis, das tägliche rituelle Gebet, das Fasten im Ramadan, die Pilgerreise nach Mekka mindestens einmal im Leben und die »Almosensteuer« (zakāt). Viele islamische Rechtsschulen fügen diesen fünf Säulen auch den Dschihad hinzu, der buchstäblich in der verdienstvollen Anstrengung des Gläubigen besteht, der aus freiem Willen in eine gottgefällige Richtung strebt. Dies kann, wie gesagt, auch Krieg beinhalten, was in der muslimischen Welt faktisch häufig der Fall gewesen ist. Tatsächlich ist aber jedes im Namen Gottes oder in Erfüllung seines Willens eingegangene Engagement Dschihad – auch ziviles, soziales oder humanitäres. Weder der Islam noch das Juden- oder Christentum kennen einen Heiligen Krieg im eigentlichen Sinne, einen Krieg also, der allein aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine Person daran teilnimmt, diese »heiligt«, sprich ganz und gar gottgefällig sein lässt. Ein solcher Krieg, der heiligt, nur weil er aus religiöser Absicht geführt wird, existiert in keiner der drei abrahamitischen Religionen. Der Mensch muss vielmehr vor Gott für jede einzelne seiner Taten Rechenschaft ablegen, nicht nur für den Zweck, dem sie dienen sollen. Dennoch steht fest, dass man sich im Islam oft auf jenen Aspekt des Dschihad berufen hat, der auf den von Gott gewollten, Gott wohlgefälligen Krieg abzielt. Ebenso hat der Islam, obwohl er für sich in Anspruch nimmt, ein einender, befriedender Glaube für alle Gläubigen zu sein, seit dem Tod des Propheten Spaltung und Bürgerkrieg (fitna) zwischen seinen beiden Hauptgruppen, den Sunniten und den Schiiten, erlebt. Dabei ist die unterschiedliche Konfession in gewisser Hinsicht auch Ausdruck ethnokultureller Unterschiede und Rivalitäten: Das Schiitentum hat sich vornehmlich auf persischem Gebiet durchgesetzt, während die Sunniten als größte Glaubensgruppe fast alle übrigen ethnischen Gruppen umfassen. Schiiten finden sich jedoch auch unter Arabern und ural-altaischen Völkern. Die fitna hat zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert vor allem die Form eines Konflikts zwischen Osmanischem Reich (Sunniten) und persischen Safawiden (Schiiten) angenommen. Dabei ist der Dschihadismus, so wie wir ihn heute kennen, das Ergebnis einer komplexeren Situation, die sich erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts herausgebildet hat.

Der Kreuzzug, obgleich mit dem Konzept des Heiligen Krieges ebenso wie mit dem des Dschihad verknüpft, ist etwas anderes. Seine Entstehung ist das Ergebnis eines langen, peinvollen Prozesses, der mindestens bis zu Augustinus von Hippo und seiner Idee vom »gerechten Krieg« zurückreicht, die er nach dem Modell der von Gott gewollten Kriege im Alten Testament entwickelte. Als iustum bellum konnte nur derjenige Krieg gelten, der von einer legitimen Obrigkeit befohlen wurde, deren Macht von Gott selbst verliehen worden war. Als es im Laufe des 11. Jahrhunderts dann zum Bruch zwischen Papsttum und Kaisertum kam, schwand damit zwangsläufig die Möglichkeit, diese Art von Kriegen zu erklären. Das Papsttum kompensierte dies, indem es sich zum Sprachrohr eines vermeintlich göttlichen Willens machte und eine ganze Reihe von Kriegen rechtfertigte, mit seinem Segen versah, gar heiligte. So beispielsweise Papst Alexander II. (1061–1073), der in einem Brief an den Klerus von Volterra Anweisung gab, wie mit jenen Kämpfern verfahren werden sollte, die gegen die Mauren auf der Iberischen Halbinsel ziehen wollten: Ein jeder von ihnen solle seine Sünden beichten und die dafür angemessene Buße auferlegt bekommen. »Wir für unseren Teil«, bekräftigte der Papst, »befreien sie kraft Autorität der heiligen Apostel Petrus und Paulus von dieser Buße und vergeben ihnen ihre Sünden.«

Noch handelt es sich nicht um einen Ablass, der erst gegen Mitte des 12. Jahrhunderts seine theoretische Fundierung erfuhr, sondern um eine Umwandlung: Der Feldzug trat an die Stelle der Buße. Genau dies geschah auch im Fall des ersten Kreuzzuges. Alexander II. rief noch nicht zu einem Feldzug auf, sondern beschränkte sich auf die Unterstützung jenes Vorhabens, das man später als Reconquista definieren würde. Im November des Jahres 1095 wagte sich dann Papst Urban II. in der Schlussphase des Konzils von Clermont ein ganzes Stück weiter vor, als er die christlichen Ritter zu einer Unternehmung anstachelte, die andere Ziele verfolgte. Dabei ging es um die Unterstützung der Christen im Orient und, wie zumindest eine Version seiner Rede glauben macht, womöglich sogar um die Rückeroberung Jerusalems. Der Feldzug nahm in dem Moment die ambivalenten Züge eines Heiligen Krieges an – »Deus vult!«, Gott will es!, sollen die Teilnehmer manchen Chronisten zufolge gerufen haben –, als die vereinte christianitas zur Überzeugung gelangte, dass sich der Sieg mit himmlischer Hilfe würde erringen lassen. Der Appell Urbans II. entspricht faktisch den Kriterien einer echten »Geschichtstheologie«: Unserer Sünden wegen – nostris peccatis exigentibus – habe Gott zugelassen, dass die Sarazenen die heiligen Stätten besetzten. Nun aber vergebe er seinem Volk, das so begierig auf Besserung sinne, und gewähre deshalb seine Hilfe bei der christlichen Rückeroberung, die vielerorts vorangetrieben werde, von der Iberischen Halbinsel bis nach Sizilien – und nun weiter bis in den Orient.


Der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos, Istanbul, Hagia Sophia.

Doch im Vergleich zur iberischen Reconquista und zur Bekämpfung der sarazenischen Piraterie im Mittelmeer, die von den italienischen Hafenstädten aus gesteuert wurde, stellte der Jerusalem-Auftrag ein Novum dar. Nehmen wir den Feldzug nach Mahdia, der nur wenig früher, im Jahr 1087, auf Betreiben Papst Viktors III. stattfand und an dem sich Einwohner der Städte Pisa und Genua beteiligten: Er besaß alle Merkmale eines Kreuzzuges wie päpstliche Billigung, Dämonisierung des Gegners, Vergebung der Sünden für die Kämpfer, Aussicht auf die Märtyrerkrone für diejenigen, die im Kampf den Tod finden würden. Dazu kamen selbstredend die materiellen Anreize, die allgegenwärtig waren. Und doch lag Jerusalem fern. Dabei war die Vorstellung von der Befreiung der Heiligen Stadt ganz sicher nicht neu. Einen Vorboten solcher Bestrebungen kann man zu Beginn des Jahrhunderts ausmachen, nachdem der fatimidische Imam al-Hākim im Jahre 1009 die Jerusalemer Grabeskirche hatte zerstören lassen. Ein weiteres, noch deutlicheres Warnsignal bedeutete in den 1060er-Jahren die Ankunft der seldschukischen Türken in der Levante, die innerhalb kurzer Zeit die gemäßigtere arabische Dominanz ablösten, nachdem sie das byzantinische Heer in der Schlacht in der Ebene von Manzikert 1071 geschlagen und keinen geringeren als den Basileus Romanos IV. Diogenes gefangen genommen hatten. Drei Jahre später verkündete Gregor VII. unmittelbar nach der Besteigung des päpstlichen Throns in wenigstens sechs Briefen sein Vorhaben, sich höchstpersönlich an die Spitze eines Feldzuges in den Orient zu setzen und bis nach Jerusalem vorzudringen. In die Tat umgesetzt wurde dieser Plan allerdings erst gegen Ende des Jahrhunderts und man fragt sich, weshalb. Nun, sagen wir, dass der Appell von Clermont nicht nur lang gehegte Erwartungen aufgriff, sondern auch die Vorstellungswelt eines Publikums ansprach, das überaus empfänglich für eine »starke« Idee wie jene war, manu militari zur Befreiung Jerusalems zu schreiten. In dieser Idee läuft manches zusammen: Seit geraumer Zeit dienten im byzantinischen Heer auch Söldner aus dem Westen, in der Regel Normannen, die in den 1080er-Jahren allerdings auch etliche Überfälle auf die dalmatinischen Küstenregionen des Kaiserreichs verübten. Der neue Basileus Alexios I. Komnenos rief ausdrücklich den Papst um Hilfe an. Im Frühling des Jahres 1095 empfing Urban II. während eines Konzils in Piacenza mehrere griechische Gesandte, die auf Entsendung eines Kontingents »fränkischer« Krieger drängten, die als Söldner verdingt werden sollten. Möglich, dass dies die Entscheidungen des Papstes in eine bestimmte Richtung gelenkt hat. Im darauffolgenden November schilderte Urban im auvergnischen Clermont jedenfalls eindringlich die Notlage der Christen im Orient und forderte die anwesende Ritterschaft auf, sich auf Pilgerfahrt über das Meer zu begeben. »Wer die Reise nach Jerusalem allein aus Frömmigkeit unternimmt, um die Kirche Gottes zu befreien«, so liest man in den Kanones des Konzils, »und nicht um Ehre und Geld zu gewinnen, dem wird diese Reise als vollständige Buße angerechnet.«


Francesco Hayez, Papst Urban II. ruft in Clermont zum ersten Kreuzzug auf, 1835, Mailand, Gallerie di Piazza Scala.

Nun ist alles beisammen. Wir haben das Ziel des Feldzuges: Jerusalem, seinen Zweck: die Befreiung der Christen, seinen Wert: die Buße. Und das unter nur einer Bedingung: dass die Reise im Geiste der Buße und frei von weltlichen Beweggründen sei.

Wie sollen wir also den Kreuzzug verstehen, wie seine konkreten und seine verborgenen Motive deuten? Handelte es sich um einen Heiligen Krieg, eine bewaffnete Pilgerreise, um beides zusammen oder um noch etwas anderes? Alles kreist zweifelsohne um das Ziel Jerusalem, mit dem sich eine ganze apokalyptische und eschatologische Vorstellungswelt verknüpft, die es so vorher nicht gab. Allein dieser Aspekt genügt, um aus dem Kreuzzug (oder zumindest aus dem ersten Kreuzzug) auch eine Pilgerfahrt zu machen. Doch die Meinungen über das Wesen des Kreuzzugsgeschehens sind so vielfältig wie das Thema. Kurzgefasst lassen sich vier grundlegende Linien ausmachen: Die »Generalisten« wollen jegliche Form kriegerischer Handlung als Kreuzzug bezeichnen, die mit dem heiligen Willen zur Rückeroberung Jerusalems gerechtfertigt wird (das brisante Thema des Heiligen Krieges). Die »Popularisten« (abgeleitet von dem lateinischen Wort populares, das insbesondere die Chronisten des ersten Kreuzzuges gern verwenden) glauben, dass die Essenz des Kreuzzuges in seinem prophetischen und eschatologischen Charakter, in seiner kollektiven Exaltation zu finden ist. Die »Traditionalisten« hingegen wollen Kreuzzüge nur jene Feldzüge nennen, die in engerem Sinne der Eroberung, Verteidigung oder Rückgewinnung Jerusalems und des Heiligen Grabes galten. Die »Pluralisten« schließlich begreifen die Geschichte der Kreuzzüge in langen Zeiträumen und richten ihren Blick auf die mannigfaltigen Fronten, die unter dem Etikett des Kreuzzuges zum Ziel militärischer Expeditionen wurden.


Karte von Jerusalem, unten Tempelritter, Fragment eines Psalters, 12.–13. Jh., Den Haag, Koninklijke Bibliotheek.

Was die Ursachen der Kreuzzüge angeht, so teilt sich das Lager in »Materialisten« unterschiedlicher kultureller Provenienz, die in den religiösen Beweggründen einen »Überbau« zur sozialen und wirtschaftlichen Realität im östlichen Mittelmeerraum lesen, und in die Vertreter eines »holistischen« Ansatzes. Diesen Letzteren zufolge sollte der lebendige, dynamische Prozess einer komplexen Realität, wie sie etwa die Kreuzzugsbewegung darstellt, unter Berücksichtigung aller ihrer Komponenten angegangen werden, vom Glauben bis zu den Praktiken der Pilgerfahrt, zu millenaristischen Erwartungen, wirtschaftlichen Interessen, diplomatischen Ereignissen, zu den Vorstellungen über den Islam und den durch Propaganda und Predigt verbreiteten Vorurteilen. In der Vielfalt dieser Ansätze ist eines gewiss: Nach dem Wenigen zu urteilen, was wir sicher wissen, ist der Kreuzzug aus einer komplizierten Gemengelage von einzelnen Elementen und Beweggründen entstanden. Um über den Kreuzzug zu sprechen, bedarf es also notgedrungen einer Vielzahl von »Zutaten«: Es bedarf des heiligen Augustinus und seines Konzepts des bellum iustum, der germanischen Krieger, Karls des Großen und seiner »Missionskriege«, eines Papsttums und einer Kirche auf der Suche nach Verteidigern, eines neuen Konzepts des miles Christi, des Sündenerlasses, der Verbreitung von Bußwallfahrten, eines Rahmens kirchlicher und spiritueller Reformen, der im 11. Jahrhundert von Genua und Pisa ausgehenden militärischen Unternehmungen im Tyrrhenischen Meer, der Reconquista auf der Iberischen Halbinsel, der morgenländischen Christen in Gefahr, eines mutigen Papstes. Und zu guter Letzt bedarf es der Heiligen Stadt Jerusalem, des ureigentlichen Ziels jener bewaffneten Pilgerreise mit den Merkmalen eines Heiligen Krieges, die wir üblicherweise Kreuzzug nennen. Der Kreuzzug besteht nicht aus alledem zugleich und doch entspringt er aus alledem.

Die große Geschichte der Kreuzzüge

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