Читать книгу Berlin: Kontrollverlust - Frank Martin Hein - Страница 11
Zweiter Durchlauf
ОглавлениеFrederike Felsensprung hielt sich nicht für besonders verklemmt. Aber mit Schnecken hatte sie es noch nie so. Sie hockte im Innenhof des Instituts im abendlichen Halbdunkel mitten auf der feuchten Wiese und fühlte sich miserabel. ‚Such! Verdammt noch mal!‘ Die verzerrte Stimme über Kopfhörer klang bedrohlich. Frederike fuhr vorsichtig mit den Fingern durch das halbhohe Gras und spähte aufmerksam umher. Ihre Ohren kochten noch von den Stromstößen, die sie ein paar Minuten zuvor bekommen hatte. Das sollte sich nicht wiederholen. ‚Los, streng dich gefälligst an. Hier muss es Nacktschnecken geben! Geh halt zu den Büschen da rüber.‘ Die Studentin erhob sich langsam, suchte weiter das Gras ab und peilte die kahlen Sträucher an. Ihre Ohren zuckten. ‚Jetzt mach mal hinne, Mädel! So kommen wir ja nie zum Ziel!‘ Frederike war sich nicht sicher, ob sie überhaupt am Ziel ankommen wollte. Ihr war jetzt schon übel von den Schmerzen und der nach vorne gebückten Haltung. Schließlich entdeckte sie tatsächlich eine fette, orangerote Nacktschnecke. Shit. ‚Na also, mein Schatz, wer sagt’s denn! Nimm sie auf, bitte, nimm sie auf deine Hand, mein Engel.‘ Das Experiment ging Frederike eindeutig zu weit. Was sollte dieser vertrauliche Ton. Einfach anmaßend und geschmacklos. Und ihr Durchlauf war erst in zehn Minuten vorbei. ‚Na los, mein Schatz, sonst setzt’s was! Nimm deinen Liebling in die Hand.‘ Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihren Ekel zu überwinden und zuzugreifen, wenn sie die Regeln nicht brechen wollte, oder noch mehr Stromstöße bekommen. Frederike bückte sich, schob drei Finger unter das glitschige Etwas und hob es auf. Dann reckte sie sich und streckte den Arm weit von sich weg. Das Tier krümmte und streckte sich in der fremden Umgebung. ‚Wunderbar, na also, es geht doch. Hol deinen Freund näher ran, schau ihn von ganz nah an, meine Beste. Näher!‘
Nicht nur der Auftrag war widerlich, der Ton war ebenso eine Zumutung. Frederike war nicht mehr klar, wieso sie sich je auf das Seminar eingelassen hatte. Als es wieder anfing, tief in ihren Ohren zu schmerzen, winkelte sie ihren Arm ab und brachte ihre Hand mit dem Tier näher an ihr Gesicht. ‚Prima, gut gemacht. Schau genau hin, mein Engel.‘ Frederike fürchtete, dass damit noch nicht alles vorbei war. Aber mal sehen. Langsam ergab sie sich ihrem Schicksal. Sie hielt die Hand direkt vor die Kamera, die ihr vom Hals baumelte. ‚Ist es nicht niedlich, das Tierchen? Jetzt lecke es ab.‘ Frederike war sprachlos vor Ekel und Entsetzen. Die beleuchteten Institutsfenster rings um sie drehten sich. Gleich würde sie umfallen. ‚Los, leck deinen neuen Freund, sonst muss ich dir helfen!‘ ,Perverser geht es kaum‘, dachte Frederike noch, als ein heftiger Stromstoß sie traf. Sie zuckte unfreiwillig und fuhr mit ihrem Mund über das schleimige Getier in ihrer Hand. ‚Spürst du nichts? Soll ich dir noch mal helfen? Jetzt leck endlich, mein Schatz! Richtig!‘ Frederike streckte die Zunge aus und fuhr über die raue, bittere Oberfläche der Schnecke, bis der Brechreiz übermächtig wurde, sie sich übergab und das schleimende Tier fallen ließ.