Читать книгу Berlin: Kontrollverlust - Frank Martin Hein - Страница 19
Woche 2—1
ОглавлениеLommel wachte früh vom anwachsenden Rauschen der Stadt auf. Er schlief mit offenem Fenster; das kalte, klare Hochdruckwetter wirkte auf ihn wie eine Energiequelle. Schnell zog er sich an und verließ das Haus schon vor acht Uhr, wie immer ganz schwarz gekleidet. Auf dem Weg in sein Büro im ersten Stock holte er einen Kaffee. Er schaltete den Computer ein – Pachlower und Stachelski hatten den Termin bereits bestätigt. Lommel hatte Petra gebeten, auch Batch einzuladen, den Geist der Fakultät. Und tatsächlich kam auch von der Seite eine Zusage. Nur Luc, der Älteste im Team nach ihm, wollte später kommen. „Das nervt. Immer muss er sich abgrenzen“, meinte Petra ungefragt, nachdem sie gleich nach Lommel aufgetaucht war. Aber Lommel war nicht in der Stimmung, über seine Mitarbeiter zu diskutieren. „Bitte sorge einfach dafür, dass alle gleichzeitig da sind. Dann muss ich nicht alles zwei Mal erklären“, sagte er. „Ach ja, Petra, dann brauchen wir auch noch Papier für das Flipchart und Klebeband.“ Um halb elf tauchten Lommels Mitarbeiter endlich der Reihe nach in seinem Büro auf. Peter kam als erster. Er wollte bei Lommel seine Diplomarbeit schreiben und war eifrig. Lommel mochte ihn, weil er schlau war, gut organisiert und ein harter Arbeiter. Peter hatte seine mündlichen Prüfungen bestens bestanden. Sein verwuscheltes Aussehen störte Lommel nicht. Aber die Qualmerei. Lommel platzierte ihn so weit weg im Raum wie möglich.
Luc De Blanc kam als nächster. Er war völlig anders: Sehr gepflegt, groß, breitschulterig, schwarzhaarig und stets mit einem Dreitagebart sah er aus wie von einem Werbeplakat. Er roch nicht, er duftete. Sein Platz war nicht die letzte Ecke, sondern die, an der alle anderen vorbei mussten. Luc war nicht Student – er gab den anderen die Ehre, hier seine Doktorarbeit zu machen. Dass das ausgerechnet bei Lommel passieren musste, war ein Zufall - auf keinen Fall Absicht oder ein Zeichen akademischen Respekts. Luc war intelligent, ehrgeizig und durch ein Austauschprogramm an der Humboldt gelandet. Vorher hatte er bei Verwandten in Kanada gelebt und an einer ,Grande Ecole‘ in Frankreich studiert. Für ihn war klar: ,Ich mach in Berlin meine Doktor und lerne Deutsch. Dann fange ich in Frankreich als Direktor an, verdiene viel und habilitiere schnell nebenher.‘ Petra schickte solchen Sätzen in Gedanken immer ein stummes ,et voilà‘ hinterher. Sie fand Lucs Angeberei so nervig wie ihn selbst. Ihr Desinteresse wiederum verstand Luc überhaupt nicht: ,Wann versucht die Kleine endlich, mich herumzukriegen? Was ist mir ihr los?‘
Sie kam als nächstes, und das mit Schwung und voll beladen. Petra hatte eine Flasche Wasser unter einem Arm, Flipchartpapier unter dem anderen und Pappbecher in der Hand. Dazu schleppte sie noch einen dicken Ordner. Die Rolle Klebeband trug sie mit dem Mund. Sogar jetzt, abgehetzt und voll bepackt, sah sie reizend aus. Ihre langen Beine steckten in engen Jeans und hohen Stiefeln, ihr hellgrauer Winterpullover war perfekt gewölbt. Egal was sie mit ihren Haaren gerade gemacht hatte, die Männer schauten sie unweigerlich an. Sie aber schien das nie zu merken. Sie nickte fröhlich ,Guten Morgen‘ und lächelte alle an. Jetzt fehlte nur noch Batch, trotzdem wirkte die Runde bereits wie eine Verschwörung. Die plötzlichen Einladungen, das Fehlen einer Agenda und der mysteriöse freie Stuhl – der sonst nie in Lommels Büro stand –, das alles steigerte die Erwartung. Lommel hatte keine Notizen vor sich. Es blieb ihnen nichts übrig, als zu warten, dass er sich räusperte und endlich loslegte.
„Zunächst mal vielen Dank dafür, dass ihr alle so kurzfristig gekommen seid. Ich hoffe, ihr werdet bald sehen, dass es sich gelohnt hat. Heute werden wir über unsere Arbeit, unsere Projekte für das nächste Semester – und wahrscheinlich für Jahre darüber hinaus entscheiden.“ Lommel pausierte und schaute allen in die Augen. Dann schlug er das Deckblatt seines Flipcharts nach hinten und trat einen Schritt zur Seite. „Also …“
In dem Moment ging die Tür auf und Batch kam herein. „Sorry. Tschuldigung für die Verspätung. Morgen allerseits.“ Batch schickte einen schnellen Blick in die Runde, entdeckte den einzigen freien Stuhl und setzte sich. Etwas irritiert rückten die anderen unwillkürlich zur Seite.
„Super, dass Sie kommen konnten, Batch. Wir haben gerade erst angefangen", sagte Lommel. „O. K., also wenn ihr einverstanden seid, stelle ich euch heute Morgen mein Konzept für das Semester vor – unsere Experimente und deren theoretische Grundlagen. Wir besprechen, was dafür an Vorbereitung nötig ist, teilen die Arbeit auf und gehen dann zusammen Mittagessen. Wir haben was reserviert, nicht wahr, Petra?“ Er schaute herüber und sie nickte.
„O. K. Ach ja: Wenn ihr irgendwo bei meiner Argumentation jetzt Lücken seht, dann unterbrecht mich bitte. Das, was ihr hören werdet, ist total neu. Daher möchte ich, dass unser Meeting heute vollkommen vertraulich bleibt. Gut. Erster Punkt. Ihr wisst alle, dass wir für das Fortgeschrittenen-Praktikum im nächsten Semester verantwortlich sind, für ungefähr zwanzig Studenten, meistens gute Leute. Da stehen Experimente auf dem Lehrplan. Spannende Experimente, die Spaß machen und nicht so simpel sind wie die im Grundstudium. Das müssten wir hinkriegen.“
Luc schaute zu Peter. So eine Zeitverschwendung. Was interessierten ihn Studenten? Petra nickte und lächelte Lommel aufmunternd an. Dass das Meeting jetzt stattfand, verbuchte sie als ihren Verdienst. Außerdem war sie neugierig, ob Lommel irgendwie Rob erwähnen würde. Petra wollte einfach alles über Psychologie aufsaugen, was möglich war. Deswegen hatte sie sich den Job als Assistentin erkämpft. Nur so konnte sie rauskriegen, was am Institut wirklich lief. Und auch noch ihr Studium bezahlen. Sie war leidenschaftlich bei der Sache. Schlaue Leute und gute Ideen zogen sie magisch an. Lommels Gruppe war, zugegeben, recht klein. Dafür kam sie hier als Küken näher an den Chef als in einem großen, etablierten Team. Und er war O. K. als Chef, manchmal sogar richtig nett. Wenn er nur sein – davon war sie überzeugt: umfassendes – Wissen einsetzte, dann würde sie auf jeden Fall bleiben. Heute war jedenfalls eine gute Gelegenheit zu sehen, was er drauf hatte.
„Dieses Frühjahr“, fuhr Lommel fort, „werde ich nicht unsere Zeit mit dem üblichen Kram verpulvern. Luc muss sein PhD angehen, Peter hat seine Diplomarbeit und ich muss Forschungsergebnisse liefern. Und für Batch ist das sicher nicht anders. Wenn wir also jetzt einen vernünftigen Plan verabschieden, dann haben wir alle was davon. Mehr noch. Wir können dieses Praktikum als Testlauf dafür verwenden, was wir sowieso tun müssen: nämlich ein neues, originäres Projekt auf die Beine zu stellen. Und wenn wir das ordentlich machen, können wir vielleicht während des Semesters sogar schon richtig Daten sammeln.“
Luc war von dieser Perspektive positiv überrascht. Andererseits hatte er keinerlei Lust auf Teamarbeit. Er spielte ungeduldig mit seinem Smartphone, bis es aus ihm herausbrach: „Also. Was sollen wir denn machen jetzt, Michael? Ich muss sehen, wie das zu mir passt …“
„Abwarten Luc, nicht ganz so ungeduldig. Und bitte steck das Teil weg. Schalte es bitte aus. Alle schalten bitte ihre Handys aus, O. K.?“ Lommel wurde deutlich und fuhr fort. „Unser Gebiet hier ist Motivationspsychologie. Das ist fix. Petra und ich haben deswegen schon mal einen Literaturordner zusammengestellt – da. Vielen Dank, Petra. Die zentralen Fragen unseres Faches beziehen sich auf die Richtung, Intensität und Dauer von Verhalten. Das ist der Blick vom Kirchturm. Je näher man kommt, desto mehr Details sieht man. Qualität und Quantität spontaner Handlungen, Erregung, Latenzen, Persistenzen, die relativen Effekte individueller Unterschiede, situative Faktoren – das ist ja alles bekannt. Jetzt wäre es total einfach, ein paar der Standardtheorien zu nehmen und sie von den Studenten testen zu lassen. Aber damit würden wir unsere eigenen Ziele verfehlen, nicht wahr?“ Niemand widersprach. Sie schauten ihn erwartungsvoll an. „Daher schlage ich vor, dass wir uns eben keine der bekannten Theorien wie McGregors Y, Herzbergs Zwei-Faktoren-Hygiene, die gute alte Pyramide von Maslow oder das modische Zielkonzept vornehmen. Wir alle und die Studenten – das glaube ich jedenfalls – hätten mehr davon, die Latte deutlich höher zu legen. Und stattdessen eines der klassischen Experimente zu nehmen, es aber mit einer völlig neuen, zeitgemäßen Methodik anzugehen.“
„Und welches soll das sein?“ Jetzt ging Peter die Geduld aus. Petra rollte mit den Augen. Ihre langen Wimpern reflektierten das Licht. Batch zeigte keine Reaktion.
Lommel machte einfach weiter: „Ich möchte einen der gut eingeführten, üblichen Versuche an den Anfang zu stellen. Attraktiv für die Studenten und gesellschaftlich relevant. Nähe zur aktuellen Populär-Kultur und dem Internet wäre auch kein Fehler.“ Lommel pausierte, trank einen Schluck Wasser und holte neue Luft.
Für Petra war die Sache damit klar: „Online Games, vermute ich“, preschte sie vor.
Lommel lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, Petra – nahe dran, aber eben doch nicht ganz im Ziel. Obwohl da wohl viel zu tun wäre. Wir werden weiter gehen als Online-Spiele. Wir werden reales Verhalten in der realen Welt studieren. Dabei kommt dann eine andere moderner Technologie zum Einsatz. Aber der Reihe nach: Die meisten von euch erinnern sich sicher an Erich Fromms Bücher zum Thema Liebe und Zuneigung – populäre Texte bei Studenten. Sein bestes Buch aber – wenigstens nach meiner Meinung – heißt ‚Die Flucht vor der Freiheit‘. Seine Analyse von Nazi-Deutschland und Faschismus ist noch immer aktuell. Und relevant. Nicht etwa, weil wir hier alle Nazis sind, Luc. Sondern weil der Eskapismus wieder einmal so in Mode ist. So viele Leute – weltweit – fliehen vor ihrer Freiheit und in den Populismus! Deswegen möchte ich, dass unsere Studenten ihre eigene Autonomie untersuchen. Mehr noch: die Autonomie ihres Willens und ihrer Handlungen. Also die Frage, ob sie ihre Freiheit nutzen und wenn ja, wie.“ Lommel pausierte wieder für einen Moment, den Luc sofort für sich ausnutzte.
„Das Benjamin-Libet-Experiment, klar – ist es das, was du hier wiederholen willst?“
„Gute Idee, aber leider wieder falsch geraten, Luc. Heutzutage gibt es ein neues, vortreffliches Gerät, um Verhalten zu verfolgen und zu studieren. Etwas, das nun praktisch alle Menschen haben. Viele verbringen damit mehr Zeit als mit ihren Partnern. Habt ihr nicht auch alle Handys dabei? Ist euch schon mal aufgefallen, dass die Leute ständig damit spielen? Pflegeverhalten, O.K. Smartphones aber transportieren auch Inhalte. Sie verraten die Position ihrer Träger. Und mit der Kamera kann man die Umgebung filmen. Lange Rede – sie sind ideal, um Daten zu sammeln und zu verschicken. Und um Leute fernzusteuern!“
Er fuhr fort: „Ganz klar wird die Cyberpsychologie sich stark entwickeln. Social Media spielen dabei eine große Rolle. Denkt an die Debatte über die sozialen Konsequenzen der computervermittelten Kommunikation. Das Kanalreduktionsmodel, De-Individuation, Eskapismus – da ist das Wort schon wieder – oder die hyperpersonelle Interaktion. Alle Modelle sind vom Wunsch getrieben zu analysieren. Aber unsere Kollegen folgen nur der Technik. Sie wollen erklären, was da ist, aber setzen sie nicht aktiv ein. Sie beobachten virtuelle Welten, statt sie zu nutzen. Wir aber nehmen die Methoden der virtuellen Welten und wenden sie auf reale Menschen an. Steuern sie. Fordern sie heraus. Manipulieren. Wir nehmen die Mobiltechnologie und übertragen damit Milgrams Experiment aufs Internet.“
Lommel sah, wie einige Gesichter an Farbe verloren, während die Idee langsam einsickerte. Stille. Dann wollten alle gleichzeitig reden. Diesmal gelang Peter das am schnellsten: „Jetzt muss ich eine rauchen.“ Lommel war ausnahmsweise einverstanden. „Gut. Wir machen eine kurze – hm – Bio-Pause. Wenn wir bitte in zehn Minuten fortfahren könnten? Ach ja, und lest bitte diese Seite in der Zwischenzeit. Als kleine Erinnerungshilfe.“ Lommel verteilte Fotokopien an alle. Petra lüftete den Raum.
Das Milgram-Experiment
Der amerikanische Psychologe Stanley Milgram entwickelte sein berühmtes Experiment 1961 in New Haven. Er wollte herausfinden, inwieweit durchschnittliche Menschen sich den Anweisungen einer bislang unbekannten Autorität unterordnen würden. Und das insbesondere dann, wenn deren Befehle den Werten und dem Gewissen der Kandidaten widersprachen. Milgrams Arbeit wurde von der J. D. Franks und von S. Asch beeinflusst, indirekt auch von F. Skinner und S. Freud. Milgram ging es weniger darum, die Gedanken seiner akademischen Vorgänger zu überprüfen, als die Verbrechen der Nazis mit den Mitteln der Psychologie zu erklären. Wenn die These galt, dass Deutsche ,anders‘ sind, würden sie sich Autoritäten unmittelbarer unterwerfen als beispielsweise amerikanische Bürger.
Milgram veröffentlichte seine Ergebnisse zuerst im ,Journal of Abnormal and Social Psychology‘ und dann 1974 in dem Buch ‚Obedience to Authority: An Experimental View‘.
Das Experiment selbst war sorgfältig inszeniert und wurde in einem Labor der Yale-Universität durchgeführt. An jeder Sitzung nahmen drei Individuen teil: Zuerst der Anführer, eine Rolle, die Milgram oft selbst einnahm. Dann sein Assistent, der stets vorgab, ein normaler Versuchsteilnehmer zu sein. Und schließlich die ,wirkliche‘ Versuchsperson selbst. Den Kandidaten wurde erklärt, dass der Versuch dazu diente, die Beziehung zwischen Lernbereitschaft und Strafe zu untersuchen. Die Teilnehmer wurden gut bezahlt. Die Rollen der Versuchsperson und des Assistenten wurden durch gespielte Verlosung zugewiesen. So wurde geklärt, dass die Versuchsperson als ‚Lehrer‘ agierte und Milgrams Assistent als ,Schüler‘. Die Schüler wurden auf einem elektrischen Stuhl platziert und hatten Wortpaare zu lernen. Bei jedem Fehler musste der Lehrer – also die wirkliche Versuchsperson – elektrische Schocks austeilen, deren Wirkung auch nur gespielt wurde. Es ging mit 45 Volt los, mit jedem Fehler stieg die Spannung um 15 Volt. Auf jeden – vermeintlichen – elektrischen Schlag hatte der Schüler – in Wirklichkeit ein erfahrener Schauspieler – in einer genau vordefinierten Weise zu reagieren (grunzen, rufen, Bitten um Abbruch, intensive Schreie, völlige Stille). Egal wie heftig der ,Schüler‘ gegen die Schocks protestierte, der Anführer fuhr fort, die Lehrer – also die wirkliche Versuchsperson – zu mehr und heftigeren Schocks anzuhalten. Ein Ende fand die Prozedur erst bei 400–450 Volt vermeintlicher Schocks.
In Milgrams erstem Experiment waren 65 Prozent der Teilnehmer bereit, die Schüler trotz ernsthafter Gewissensbisse Schlägen von bis zu 450 Volt auszusetzen. Niemand blieb unter 300 Volt.
Situative Einflüsse spielten dabei eine große Rolle: Nahm die physische Distanz zwischen dem Lehrer und dem Anführer zu, wie beispielsweise durch getrennte Räume, sank auch die Bereitschaft, den Anweisungen zu folgen. Tests mit zwei Anführern gleichzeitig führten zu einer höheren Gehorsamkeit (90 Prozent), falls beide das Gleiche verlangten, und 0–10 Prozent, falls nicht. Unterschiede zwischen Männern und Frauen traten nicht auf.
Typischerweise wurden die Versuchspersonen von den Experimenten stark verunsichert und mitgenommen. Wiederholungen des Versuchs führten zu ähnlichen Ergebnissen, unabhängig vom Land, in dem sie stattfanden. Das traf ebenso auf eine Fernsehshow in Frankreich im Jahr 2009 zu (‚La Zone Xtrême‘). Zwischen dieser und den ersten Berichten über das Experiment wurden eine Unmenge an Artikeln in den Medien, Bücher und sogar Filme zum Thema produziert. So wurde der Versuch ein populäres Thema einer breiten kulturellen Debatte. Viele Leute waren vom Ergebnis überrascht. Erklärungsversuche betrafen den Wunsch der Kandidaten, mitzumachen, die Herausforderung, etwas Neuem ausgeliefert zu sein, die Kraft und Relevanz sozialer Normen, den hohen Status der Wissenschaftler und vieles mehr. Der Mechanismus hinter dem gehorsamen Verhalten – auch ,Compliance‘ genannt – wird bis jetzt nicht voll verstanden. Milgram selbst nahm an, dass es zwei verschiedene funktionale Zustände gebe: Im ,autonomen‘ Zustand trägt ein Individuum die volle Verantwortung. Im anderen, dem ,Agens‘-Zustand, wird das Individuum durch ein autoritäres System absorbiert und geführt. Das Individuum wird zum Instrument der Pläne einer anderen Person. Fromm stufte die Berichte über die unmittelbaren emotionalen Reaktionen der Versuchsteilnehmer als ein positives Zeichen für die Stärke der menschlichen moralischen Urteilskraft ein.