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Zur Metaphysik der Begegnung bei Jean-Luc Nancy
ОглавлениеIn der Ideengeschichte des Personalismus wird vor allem die dialogische Struktur des gelingenden menschlichen Daseins als ein Miteinander betont.65 Wir verweisen vor allem auf das Werk von Martin Buber und Romano Guardini sowie auch auf Ferdinand Ebner und Emil Brunner. In neuerer Zeit ist die Bedeutung des Werkes von Nancy stärker erkannt und diskutiert worden, zumal Nancy, anders als die klassische akademische philosophische und theologische Anthropologie der Person, explizit politisch dachte mit Blick auf die Chancen einer freien Vergemeinschaftung in der globalen Welt.
Die Gemeinschaftlichkeit menschlichen Seins, auf die Jean-Luc Nancy66 seinen Fokus als den Modus des Mitseins des Menschen legt, macht er als »singulär plurales Sein«67 zu einer Grundfigur seiner Philosophie. Kommunikation als »Mit-Teilung« ist dabei weniger als idealisierte Kommunikation reziproker Beziehungen zu verstehen, sondern verweist auf etwas viel Ursprünglicheres, etwas Vorgängiges, was früher als »Mit-Geteilt-Sein des göttlichen ›logos‹«68 begriffen worden ist, heute aber säkularisiert und immanent69 zu verstehen ist. Demokratietheoretisch relevant ist die ontologische Einschätzung, Gesellschaft sei kein Nebeneinander, sondern eingebunden in dem Horizont eines gemeinsamen Sinnerlebens, wodurch erst der Schauplatz des Mit-Seins eröffnet wird.70 Es geht also um die Ontologie des »cum«.71 Phänomenologisch, also von der Sicht der Erfahrung des Selbstwerdens des Menschen in seinem Weltverhältnis72 gesehen, ist es die empfangene Mich-Erfahrung, nicht der apriorische Ich-Status, der der Ausgangspunkt ist, um das »Wesen des Menschen«73 angemessen zu verstehen.
Lesen wir die klassischen Mythen eher psychoanalytisch und holen uns dort Deutungsangebote, um die existenzialen Probleme des heutigen Menschen besser zu verstehen – immer in der Absicht, die Lösungswege in ihrer sozialpolitischen Natur als Teil gestaltender Gesellschaftspolitik zu entfalten. Doch Schritt für Schritt muss dies geschehen, geordnet als ein Nacheinander. Die Wahrheit der Gestaltqualität des Menschen in seiner Daseinsführung als Existenzbewältigung ist eine diesseitige Herausforderung, eine Frage des Nicht-Scheiterns in der Immanenz der Geschichtlichkeit des Menschen, sich aus den Fehlentwicklungen seiner zeitgeschichtlichen Verstrickungen im Kontext der unvollendeten74 Moderne der langen Epoche und ihrer Sattelzeit von 1789 zu befreien und neue Wege einer Humanisierung des Zusammenlebens zu begehen.