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1.2 Betriebswirtschaftslehre und Steuerwissenschaft

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Die Besteuerung gehört zum Untersuchungsbereich vor allem dreier Wissenschaftsdisziplinen. Neben der Steuerrechtswissenschaft und der Finanzwissenschaft beschäftigt sich die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre seit fast einhundert Jahren systematisch und kritisch mit dem Steuereinfluss auf Unternehmen und Gesellschafter. Im Rahmen einer ökonomischen Analyse der Besteuerung werden ökonomische Wirkungen positiv und normativ erforscht. Dabei fragen wir einerseits nach den tatsächlichen Wirkungen unterschiedlicher Ausgestaltungen der Sachverhalte und andererseits nach Wertungen und Diskussionsvorschlägen.

Die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre gliedert sich üblicherweise in drei Teilbereiche auf:

Steuerwirkungslehre

Im Bereich der Steuerwirkungslehre werden zunächst die für Unternehmen und Gesellschafter in Betracht kommenden Steuerarten mit ihren jeweiligen Bemessungsgrundlagen und Tarifen identifiziert. Dazu ist es notwendig, den Faktenrahmen der Besteuerung zusammen mit dem Rechnungswesen und dem Bilanzrecht, dem Handels- und Gesellschaftsrecht und dem Steuerarten- und Verfahrensrecht zu kennen. Aufbauend auf diesem Faktenrahmen werden im Bereich der Steuerwirkungslehre dann Messungen der Steuerbelastung durchgeführt und deren Bestimmungsfaktoren erforscht. Fragen der Erfolgs- und Vermögensmessung stehen seit jeher im Blickfeld der Betriebswirtschaftslehre (Rechnungswesen, Finanzierung, Unternehmensbewertung), sodass die Messmethoden auch für die Besteuerung eingesetzt werden können.

ABB. 1.1: Aufgaben der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre Quelle: Eigene Darstellung.


Steuerplanungslehre

Die Steuerplanungslehre als zweiter Aufgabenbereich zielt auf die Ermittlung von Verhaltensregeln, um die Besteuerung in die Optimierung betriebswirtschaftlicher Entscheidungen einzubeziehen. Hierfür finden sich auch die Termini „Steuerplanung“ oder „Betriebliche Steuerpolitik“. Betrachtet werden genetische (konstitutive) Entscheidungen, beispielsweise über Standort, Rechtsform oder Zusammenschlüsse, daneben Entscheidungen, die die betrieblichen Funktionen betreffen, und Entscheidungen bei der (steuerlichen) Rechnungslegung. Entscheidungswirkungen können auf modellanalytischem Weg erforscht werden, wobei die komplexe Realität, die steuerrechtlich zudem zum Sachverhalt verdichtet wird, nur mehr oder weniger stark vereinfacht im Modell abgebildet werden kann. Um Steuerwirkungen auf Investitionsentscheidungen zu messen, werden etwa das Kapitalwertkriterium, das Endwertkriterium oder vollständige Finanzpläne zugrunde gelegt. Dabei werden regelmäßig vollkommene und vollständige Kapitalmärkte und Sicherheit vorausgesetzt. Mit der Unsicherheit in den Zahlungsströmen lässt sich umgehen – etwa mittels Simulationsrechnungen –, nur schwer hingegen mit der Unsicherheit bei der Entwicklung des Steuerrechts. Die Betriebswirtschaftslehre gibt das methodische Rüstzeug für steuerberatende Berufe, die nicht nur bei der Befolgung der gesetzlichen Pflichten tätig werden, sondern auch Mandaten bei der Steuergestaltung unterstützen. Die dargestellten Aufgaben zeigen sich in den facettenreichen Arbeitsfeldern, die hier nur ansatzweise abgebildet werden können.

ABB. 1.2: Wesentliche Aufgaben der Steuerberatung Quelle: Eigene Darstellung.


Die empirische Überprüfung, ob in der Realität tatsächlich die Entscheidungswirkun-gen der Besteuerung festzustellen sind, gehört ebenfalls in den Bereich der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Unser Wissen über die tatsächlichen Entscheidungsstrukturen und -prozesse in Unternehmen ist begrenzt. Leitbild in der Ökonomie war lange Zeit der homo oeconomicus, der rationale Entscheidungsträger, der individuelle Nutzenmaximierung betreibt. Es zeigen sich in der Lebenswirklichkeit aber auch andere Verhaltensmuster, sodass diese wissenschaftliche Blickverengung aufgegeben worden ist. Deutlich geworden ist auch, dass Menschen aufgrund ihrer begrenzten kognitiven Ressourcen nur sehr beschränkt Informationen aufnehmen und verarbeiten können. Experten sind in Situationen großer Ungewissheit Entscheidungsanomalien stärker ausgesetzt als Laien, da sie sehr auf ihre Modelle und Daten der Vergangenheit vertrauen. Inwieweit dies auf steuerliche Entscheidungsprozesse übertragen werden kann, ist Gegenstand der Forschung.

Gestaltung des Steuerrechts

Ein dritter Zweig der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre beschäftigt sich mit der Gestaltung des Steuerrechts. Hier werden aus ökonomischer Sicht Vorschläge zur Weiterentwicklung des Steuerrechtes gemacht. Neben der Integration von Steuern in unternehmerische Planungsprozesse liegt es nahe, steuerliche Normen und Reformvorhaben zu analysieren und den Gesetzgeber auf (Fehl-)Wirkungen aufmerksam zu machen. In die prinzipiengeleitete Diskussion von steuerlichen Regelungen und Systementwürfen kann die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre eigene Sichtweisen und nachprüfbare Kriterien einbringen. Unterschiedliche Ansätze aus der betriebswirtschaftlichen Theorie können nutzbringend auf steuerliche Problembereiche übertragen werden. Rechtswissenschaft und Ökonomie können von ihren unterschiedlichen Sichtweisen und Methoden profitieren und zu einer Problemlösung beitragen.

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