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Meer oder Mehr

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In der Lüneburger Heide angekommen, bin ich erstaunt, wie still es hier ist. Wochenende und kein Mensch weit und breit?! Das sähe rund um die Hamburger Alster um diese Uhrzeit ganz anders aus. Tut aber sehr gut nach dem ganzen Premierentrubel.

Nachdem wir eine Stunde vor uns hingelaufen sind, erkenne ich auch, warum so wenig los ist. Die Menschen, die hier gerade nicht sind, haben wahrscheinlich den Wetterbericht studiert. Der April macht ja bekanntlich, was er will. Und jetzt macht er, dass sintflutartiger Regen auf uns niederprasselt. Vorhin noch habe ich mich über Carstens Obsession, mit einem perfekt ausgestatteten Equipment-Rucksack auf einen kleinen Spaziergang zu gehen, lustig gemacht. Ja, ihn sogar verspottet, als er eine Stunde daran herumgepackt hat. Jetzt muss ich kleinlaut zugeben, dass ich sehr dankbar bin, weil er einen Regenponcho für mich parat hat.

»Schau. Da hinten ist ein kleiner Unterstand. Lass uns da doch den schlimmsten Guss abwarten.«

Es ist richtig gemütlich in der kleinen Hütte, und wir haben es trocken.

»Darf ich dir einen Kaffee anbieten?«

»Woher willst du den jetzt zaubern?«, frage ich verblüfft.

Carsten zieht einen kleinen Esbit-Kocher, einen Beutel mit Instantkaffee und einen weiteren mit Milchpulver aus seiner Jackentasche.

»Voilà!«

»Jetzt fehlt nur noch das Yes-Torty …«

Stattdessen gibt es Prinzenrolle zum Kaffee, während der Regen auf das Dach des Shelters prasselt und wir unsere Zweisamkeit genießen.

Zurück in der Stadt spuckt der Kontoauszugdrucker einen Stapel Zettel aus. Hektisch blättere ich darin herum. Und da steht es. Schwarz auf Weiß. Ein leichter Schimmer scheint mein allererstes Gehalt zu umgeben. Die Summe glitzert mir entgegen und sagt: »Du hast mich verdient! Und jetzt lass uns Spaß zusammen haben!!«

Morgen habe ich frei, und ich werde: shoppen, shoppen, shoppen.

Meine schönen neuen Klamotten müssen dann natürlich auch ausgeführt werden. Carsten und ich gehen schick essen und stehen danach in der Bar 76 herum, trinken Wodka Tonic aus großen, schweren Gläsern und unterhalten uns. Ich fühle mich angekommen: toller Typ, Hammer-Wohnung, interessanter Job.

Statt über den Isemarkt zu laufen und zu versuchen, uns an den Leckereien nur sattzusehen, gehen wir jetzt dort einkaufen. Und das ist herrlich. Carsten kommt um acht Uhr morgens von der Nachtschicht nach Hause, und wir treffen uns an der S-Bahn-Haltestelle Hoheluft. Morgen Abend haben wir Tanja und Peter zu uns eingeladen. Tanja habe ich über die Arbeit kennengelernt, und ich bin froh, dass sich langsam ein Freundeskreis hier in Hamburg entwickelt, dass Carsten und ich gemeinsam neue Leute kennenlernen, mit denen wir gern Zeit verbringen. Denn ich vermisse meine Mädelsgang aus München, und jeden Dienstagabend, wenn Carrie Bradshaw sich in Zeitlupe von dem Bus wegdreht, der sie unerhörterweise nassspritzt, wird mir bewusst, wie sehr. Denn das war natürlich unser Ritual: Sich treffen, quatschen, kochen, Sex and the City gucken.

Ich drücke Carstens Arm ein bisschen fester, nehme mir vor, bald den nächsten Trip nach München zu planen und an diesem schönen Morgen kein Trauerkloß zu sein.

Wir kaufen Auberginen-, Zucchini- und Knoblauchdips, Oliven, Schafskäse und Fladenbrot für den Abend mit den beiden. Bei unserem Lieblings-Käsestand probieren wir verschiedene Sorten, bis wir uns entscheiden. Beim Franzosen besorgen wir für unser Frühstück buttrige Croissants und Baguette. Und zum Schluss Gemüse für ein Thai-Curry und noch ein paar Blumen, die ich auf den Fensterbrettern über den antiken Kassetten in Vasen platzieren werde.

Schweren Herzens verlasse ich später unsere Wohnung, um zur Arbeit zu fahren, während Carsten ins Bett geht und über ihm Madame Trampel wieder ihren Stöckel-Parcours absolviert.

Ich schwinge mich aufs Fahrrad und fahre in Gedanken versunken los. Wenn ich heute Abend nach Hause komme, wird sich Carsten gerade für seine Nachtschicht fertigmachen. In letzter Zeit sehen wir uns viel zu selten …

Fast schon feierlich übergebe ich meiner Urlaubsvertretung einen Leitz-Ordner mit allen Informationen, die ich für relevant erachte. Der Ordner heißt The Book. Manch einer würde sagen, ich sei hysterisch. Aber ich bin zwei Wochen weg. Mein erster Urlaub. Und ich möchte schließlich wiederkommen dürfen. Die ständige Panik, gefeuert zu werden, ist leider immer noch vorhanden. Aber auch die Freude, zwei Wochen ganz viel Zeit mit Carsten verbringen zu können – und dann auch noch in Griechenland –, ist riesengroß und verdrängt die Angst etwas.

In Athen angekommen, suchen wir uns am Hafen ein günstiges Hotel und setzen am nächsten Morgen mit der Fähre auf die Insel Milos über. Das Wetter ist himmlisch. Wir sitzen am Strand, essen Spinat-Blätterteig-Taschen und freuen uns darüber, dass wir hier ganz allein sind. Dieses Nur-wir-zwei-an-einem-Ort-Ding fängt an, mir zu gefallen. Es ist irgendwie so viel mehr Platz da.

»Wollen wir heute hier übernachten?«, schlägt Carsten vor.

»Hier? Am Strand? Das find ich schon ein bisschen gruselig, und außerdem dürfen wir das doch bestimmt nicht, oder?« Wieder mal die gute alte Kopf-Polizei.

»Uns wird schon keiner verhaften. Was meinst du?«

Die Idee finde ich schon gut. Wir haben ja schließlich auch Schlafsäcke und Isomatten dabei. Aber so in echt? Ich weiß nicht. Andererseits. Eigentlich will ich es schon.

»Okay. Einverstanden.«

Wir sitzen zusammen vor den Wellen und schauen dabei zu, wie die Sterne aufgehen und der Mond ihnen folgt. Sein Licht tanzt silbern auf dem Wasser. Wir trinken Wein und essen Oliven. Mein Mut ist durch den Wein gestärkt. Es war eine ganz famose Idee, einfach hierzubleiben.

Ich robbe in meinem Schlafsack ganz dicht an Carsten heran, stupse ihn in die Seite und sage: »Ich liebe dich und danke dir für diese famose Idee, hier zu übernachten.«

Am nächsten Morgen erzähle ich ihm nicht, dass ich einige Stunden lang wach lag und versucht habe, die Schatten zu verfolgen, die mein Gehirn sich um uns herum eingebildet hat. Mit dem ramponierten blauen Emaillebecher voller Kaffee in der Hand sind die Schrecken der letzten Nacht so gut wie vergessen. Ich bin stolz auf mich, dass ich mich getraut habe. Als Belohnung darf ich hier an diesem wunderschönen Strand sitzen mit dem Mann, den ich so liebe – und den ganzen Vormittag kommt kein einziger Mensch vorbei. Das ungute Angstgefühl der letzten Nacht ist einer angenehmen, tiefen Freude und Dankbarkeit gewichen. Wie schön wäre es, immer so einen Platz nur für uns zu haben.

Kaffee mit Käuzchen

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