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Champagner für alle!

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»Hallo, Papi. Ja, wir hatten eine super Zeit in Frankreich. Danke! Du – auch wenn jetzt schon einige Zeit vergangen ist, denke ich immer noch an das Haus. Ja, genau. Die Bruchbude mitten im Wald.«

Ich sammle mich, um möglichst elegant und zielführend meine vorbereiteten Argumente vorzubringen. Aber heraus kommt: »Ich liebe es, und ich glaube ganz fest daran, dass es eine gute Entscheidung ist! Kannst du uns bitte helfen?«

Und zu meiner Überraschung sagt er: »Ja, ich helfe euch. Aber ich bin nach wie vor dagegen. Das ist keine werthaltige Immobilie, und in zwei Jahren seid ihr den Wald leid und könnt das Ding nicht wieder loswerden.«

Ich hingegen höre nur: »Ich helfe euch!« Mein Kreischen ist so laut, dass es den Nachbarshund im Erdgeschoss zum Jaulen bringt. Ich habe keine Ahnung, was meinen Vater dazu bewegt hat, seine Meinung zu ändern, aber das ist mir in diesem Moment auch völlig egal. Wir kaufen das Haus! Wir kaufen das Haus! Wir kaufen das Haus!

Unser Ikea-Trip war erfolgreich. Caro und ich haben natürlich zu viele Servietten und unzählige Kerzen gekauft, aber auch eine riesige Pflanze, die als Deko für den Laden gedacht ist. Allerdings passt sie nur auf dem Beifahrersitz ins Auto, und das auch nur, wenn das Faltdach offen ist. Caro sitzt hinten.

»Wir werden das Haus kaufen …« Im Rückspiegel sehe ich ihr schockiertes Gesicht. Sie beißt sich auf die Lippe.

»Ich will ja kein Spielverderber sein, aber wollt ihr euch das wirklich antun? Ihr habt doch schon so viel Stress mit dem Laden, und das Geld ist immer knapp. Meinst du echt, dass das eine gute Idee ist? Ich hab jetzt schon Sorge, dass du bald einen Burn-out bekommst.«

Im Gegensatz zu damals, als sie ihre Bedenken zum Laden geäußert hat, fühle ich mich dieses Mal nicht angegriffen und habe auch nicht das Bedürfnis, sie unbedingt davon zu überzeugen, dass es sich natürlich um eine gute Idee handelt. Das bedeutet wohl, dass es wirklich die richtige Entscheidung ist.

Der Notar hat den Vertrag vorgelesen. Niemand erhob irgendwo Einspruch oder trug Einwände vor. Nun ist es gleich so weit. Er reicht mir einen Stift, und ich schaffe es gerade so, meine Unterschrift auf die Linie zu setzen, bevor mir die Freudentränen die Wangen hinunterlaufen.

Voller Vorfreude habe ich eine Flasche Rotwein, einige Käsesorten und ein knackiges Baguette für unser Fest-Picknick eingekauft. Carsten hat schon Isomatten, Schlafsäcke, Klamotten und natürlich meine alte Bialetti und eine Dose Espressopulver ins Auto gepackt.

Heute werden wir endlich den Schlüssel zu unserem Haus in den Händen halten und in unserem Paradies unser Lager aufschlagen.

»War der Weg das letzte Mal auch schon so weit?« Ich kann es nicht erwarten, endlich im Wald bei unserem – ja unserem – Haus anzukommen.

Als wir endlich vor der Pforte halten, bekommt meine Freude einen Dämpfer. Anstatt mit einem »Hallo« begrüßt uns die Maklerin mit einem betroffenen Gesicht: »Es tut mir unglaublich leid, aber ich habe Ihre Hausschlüssel in meinem Büro vergessen. Ich muss jetzt leider noch einmal losfahren und sie holen. Früher als in zwei Stunden werde ich aber nicht wieder hier sein.«

So hatte ich mir unsere Hausübergabe nicht vorgestellt. Ich bin ärgerlich und enttäuscht, aber mir leuchtet schon ein, dass es keinen Sinn macht, jetzt aus der Haut zu fahren.

Als die Maklerin vom Hof gefahren ist, sagt Carsten zu mir: »Die Generalprobe kann nie glatt über die Bühne gehen. Du kennst das doch. Dafür wird die Premiere dann umso besser.«

Auch wenn eine schnaubende Ungeduld in meiner Brust noch furiosen Tango tanzt, weiß ich, dass er recht hat. Und als wir uns auf die kleine Hollywoodschaukel hinten im Garten setzen und schaukelnd in die Bäume schauen, bekommen wir einen Vorgeschmack auf das, was uns hier erwartet: Stille und Frieden.

Die zwei Stunden gehen wie im Flug vorbei. Genau wie die Hausübergabe, die innerhalb weniger Minuten erledigt ist.

Dann halten wir endlich den Schlüssel in den Händen und sind – allein.

Mittlerweile ist es stockduster. Ich habe nicht gewusst, wie dunkel es nachts sein kann.

Im Haus entzündet Carsten ein Feuer im Ofen, ich entrolle unsere Isomatten und breite die Schlafsäcke aus. Einen kleinen Tisch und zwei zerfledderte, durchgesessene Sessel im Fünfzigerjahre-Stil hat der Vorbesitzer nicht mitnehmen wollen.

Auf dem Tisch breiten wir unser Picknick aus, und als ich den Rotwein einschenken will, sagt Carsten: »Rotwein ist kein angemessenes Getränk für diesen Anlass!« Er zückt eine eisgekühlte Flasche Moët & Chandon, deren Korken vielversprechend laut knallt. All mein Ärger ist längst verflogen, und wir lachen schon über diese seltsame Hausübergabe, die wir bestimmt nie vergessen werden.

Was gibt es Besseres, als vom Duft frischen Kaffees zu erwachen?

Carsten hat schon den Küchenherd angefeuert. Jetzt brodelt die Bialetti munter vor sich hin und verströmt genau das richtige Aroma, um mich aus dem Schlafsack zu locken, obwohl es sehr kalt ist. Schnell anziehen und raus in die Sonne.

Obwohl sie noch im Schatten liegt, zieht mich die Hollywoodschaukel magisch an. Ich erinnere mich daran, wie meine Mutter und ich hier gesessen haben und ich mir so sicher war, hier mein Glück zu finden. Und jetzt haben wir gerade unsere erste Nacht in unserem neuen alten Haus verbracht und dürfen einfach hierbleiben. Na ja, also zumindest, bis wir wieder nach Hamburg müssen.

Wir sind verheiratet und haben ein Haus: Das ist doch verrückt! Oder ist es vielleicht im Leben einfach so, dass man immer das bekommt, was man am wenigsten erwartet?

Ich jedenfalls hätte nicht gedacht, mit 27 Jahren verheiratet zu sein und ein Haus im Wald zu besitzen.

Carsten gesellt sich zu mir, und wir wärmen uns die Hände an unseren Kaffeebechern.

»Willst du ein Spiegelei? Jetzt ist der Herd noch heiß.«

Ich nicke.

»Mal schauen, ob ich das hinbekomme.«

Den Herd richtig zu befeuern, um ein paar Eier zu braten, ist nicht ganz so einfach, wie den Kaffee zuzubereiten. Nach einer Stunde bekomme ich schließlich auf einer Decke in der Sonne zwei Spiegeleier serviert, die besser schmecken als je ein Spiegelei zuvor.

Den restlichen Tag rennen wir wie ausgelassene Kinder durch Garten und Haus. Wir sprudeln nur so über vor Ideen.

»Die Zimmerdecke sollten wir auf jeden Fall herausnehmen. Bist du immer noch dafür? Und neue Fenster müssen unbedingt rein. Aber vielleicht etwas höher?«

»Und was ist mit der Wand, soll die vielleicht auch weg? Und wollen wir die Treppe versetzen?«

»Hier könnten wir statt des Fensters eine Terrassentür einsetzen.«

»Oh ja. Und im Gästezimmer könnten wir einen Durchbruch zu dem Zimmer machen, das momentan nur von außen begehbar ist.«

»Ach ja, und das Gestrüpp da an der Seite im Garten. Würdest du das auch wegmachen?«

Ich fühle mich pudelwohl, und wenn ich mir Carsten so anschaue, sieht auch er ziemlich glücklich aus.

Spät nachts liegen wir nebeneinander in unseren Schlafsäcken, wie damals Caro und ich in Carstens Wohnung. Ich schmiege mich an ihn und flüstere ihm ins Ohr: »Ich wäre schon mit viel weniger zufrieden gewesen.«

»Ja. Eine kleine Bretterbude hätte uns schon gereicht. Und jetzt haben wir einen Palast.«

»Einen Fast-Palast.«

Arm in Arm und erfüllt von Glück, Plänen und Visionen schlafen wir ein.

Nachts erwache ich von einem komischen Geräusch. Ein schepperndes Kratzen neben meinem Kopf hat mich aus dem Schlaf schrecken lassen. Ich rüttle Carsten wach und taste gleichzeitig nach der Taschenlampe, die er neben meine Isomatte gelegt hat.

Eine kleine graue Maus hat unsere Reste vom Abendessen entdeckt und kommt nun nicht mehr aus dem Topf heraus, den wir neben unserem Lager haben stehen lassen. Wie von Sinnen versucht sie, einen Ausweg zu finden, aber die Wände sind zu steil und glatt für sie. Wir taufen sie Alfred, freuen uns über die Begrüßung und unser erstes Kennenlernen mit einem Waldbewohner und geleiten sie freundlich hinaus …

Am nächsten Morgen können wir uns von diesem Ort mitten im Wald nur schweren Herzens losreißen. Mit Blick auf unser Haus sage ich: »Der Wald hat mich mitten ins Herz getroffen. Ich möchte gar nicht wieder in die Stadt fahren.«

»Mir geht es genauso«, bestätigt mir Carsten.

Als wir gerade ins Auto steigen wollen, hören wir plötzlich lautes Geraschel im Wald vor unserem Grundstück. Es folgt ein lustig anmutendes Geräusch. Ich schleiche mich vorsichtig an den Zaun heran und versuche zu erkennen, was da im Unterholz so einen Lärm macht. Da sehe ich es.

»Psst. Carsten. Ein Eichhörnchen.«

Wie ein Berserker raschelt es jetzt in den Blättern herum. Als es merkt, dass es beobachtet wird, richtet es sich auf, schaut mich direkt an und keckert lautstark drauflos. Ich meine, seine Vorwürfe zu hören, dass es eine Unverschämtheit von mir sei, dass ich es bei seiner anstrengenden Arbeit störe und es sich das ja wohl nicht bieten lassen müsse. Dann verschwindet es auf den nächsten Baum.

»Peterle. Es soll Peterle heißen.«

Nach Alfred haben wir nun schon den zweiten Waldbewohner kennengelernt und auch gleich getauft.

Und noch bevor ich ins Auto steige, habe ich schon Heimweh nach unserem neuen Zuhause.

Kaffee mit Käuzchen

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