Читать книгу Annabelle - Frederike Gillmann - Страница 17
Kapitel 13
ОглавлениеAn der Pension sah ich bereits das Auto meines Onkels. Thomas musste also schon da sein. Ich betrat unsere Bleibe und sah ihn an der Rezeption stehen.
„Hi, Thomas“, begrüßte ich ihn.
„Hallo, Frieda“, begrüßte er mich freudig zurück. „Ich bin vor zwei Minuten angekommen. Deine Mutter weiß es auch noch nicht.“
„Ach, mach dir darüber keine Gedanken“, meinte ich mit einem Lächeln und ich sollte Recht behalten, denn kaum hatte ich das gesagt, kam sie um die Ecke.
„Da bist du ja schon, Tommy. Wir haben schon auf dich gewartet.“
„Das ist ja ein schönes Empfangskomitee“, meinte er lachend. „Ich füll nur noch hier kurz alles aus und dann bin ich ganz bei euch.“
„Nur kein Stress“, meinte ich lächelnd. Wir ließen Thomas auch noch die Zeit, sich in seinem Zimmer einzurichten und frischzumachen und gingen dann gemeinsam zum Abendessen aus. Thomas wollte gleich einen schönen frischen Fisch kosten und so war unsere Wahl schnell auf ein eben jenes Lokal gefallen. Auch meine Mutter drückte diesmal keine Kaloriensorgen aus. Für mich als Vegetarierin war die Auswahl zwar eher begrenzt, aber ich entschied mich dann für einen Salat.
„Hast du gut hergefunden?“, legte meine Mutter gleich mit dem Fragenbeschuss los.
„Ja, ich hatte ja ein Navi dabei und stautechnisch war auch alles in Ordnung“, sagte mein Onkel. „Und bei euch? Alles klar?“
„Ja“, übernahm meine Mutter wieder das Wort. „Wir hatten gestern schon ein Treffen mit dem Notar, aber das hatte ich dir ja schon alles erzählt. Heute waren wir im Schloss und es war echt richtig schön. Nicht wahr, Frieda?“ Ich nickte.
„Wie war es eigentlich in Flensburg?“, fragte sie weiter.
„Es war ganz nett. Ich habe in einem Filzladen Topfuntersetzer gekauft, dachte, dass das ganz nett wäre, so etwas als Erinnerung zu haben.“
„Oh ja, du kennst mich ja, ich nehme so etwas auch immer gerne mit.“ Das stimmte. Wir hatten zu Hause tausende solcher Erinnerungen, von denen sich meine Mutter beim besten Willen nicht trennen wollte. Sie sagte zwar immer, dass sie sich bei der nächsten Aufräumaktion von diesen „Staubfängern“ trennen würde, getan hatte sie es aber nie.
„Vielleicht kann man das irgendwann ja nochmal gebrauchen“, pflegte sie immer zu sagen. Irgendwann hatte ich es dann aufgegeben. Ich zog es außerdem vor, den Zwischenfall mit Herrn Stattmann zu verschweigen.
„Für wann ist die Beerdigung morgen angesetzt?“, fragte Thomas nun.
„Um zwölf“, antwortete meine Mutter. „Annabelle hatte schon alles vorher arrangiert, wir müssen ihr nur noch Lebewohl sagen.“ Nun klang sie wieder traurig und auch ich merkte gerade, dass auch mich diese Realität wieder mit einem Schlag traf: morgen würde die Beerdigung sein. Danach gäbe es nur noch die Erinnerung an Annabelle.
„Das klingt ganz nach unserer lieben Schwester, findest du nicht auch?“, fragte Thomas und konnte sich sogar ein kleines Lächeln nicht verkneifen.
„Ja, unsere Schwester war schon immer der Kontrollfreak“, lachte nun auch meine Mutter.
„Schade, dass sie schon so früh von uns gegangen ist. Keiner hat Krebs verdient, aber sie war der letzte Mensch, dem man so etwas gewünscht hätte – trotz ihrer rebellischen Art. Tja, so schnell kann es leider gehen.“ Mein Onkel hob das Glas.
„Auf Annabelle!“
„Auf Annabelle!“, stimmten meine Mutter und ich mit ein.
Obwohl die Beerdigung am nächsten Tag erst um zwölf Uhr angesetzt war, standen wir alle recht zeitig auf. Wir hatten uns nicht abgesprochen, aber vielleicht war es einfach diese ungute Aufregung. Wir entschieden uns, wieder das Frühstück in der Pension zu nehmen und auch Thomas war begeistert. „Es fühlt sich schon an wie Ferien“, meinte er und nippte genießerisch an seinem Kaffee. „Daran könnte man sich ja glatt gewöhnen.“
„Ich glaube, dir geht es noch ganz gut, so auf dem Land“, meinte meine Mutter neckend.
„Ja, da hast du recht“, antwortete Thomas lächelnd. „Du siehst übrigens auch gut aus, Frieda. Letztes Mal sahst du ein bisschen gestresst aus.“
„Na, vielen Dank auch“, meinte ich mit gespielter Empörung, denn ich hatte eine Ahnung, was er meinte.
„Wo müssen wir eigentlich hin?“, fragte ich.
„Zum Hafen“, antwortete meine Mutter. „Dort wird eine kleine Zeremonie abgehalten und dann fährt das Schiff hinaus auf die See, wo die Asche verstreut wird.“
„Ah, okay.“
Nach dem Frühstück ging jeder noch einmal auf sein Zimmer, um sich umzuziehen. Es war zwar schon November und es begann, leicht frisch zu werden, entschied mich dann aber trotzdem für ein schlichtes schwarzes Kleid mit einer Strumpfhose. Wahrscheinlich würden wir auch gar nicht so lange in der Kälte stehen. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass ich noch Zeit hatte. Also beschloss, ich dass ich jetzt doch einmal Alex anrufen sollte. Ich nahm mein Handy in die Hand und wählte seine Nummer. Nach einer kurzen Zeit meldete sich seine Mailbox: Hi. Das ist die Mailbox von Alex Köcher. Ich bin zurzeit leider nicht erreichbar, aber hinterlass mir doch ne Nachricht, ich melde mich dann später wieder. Ich wartete, bis das Freizeichen erklang und sagte dann: „Hey, Schatz. Hier ist Frieda“, ich kicherte nervös, denn es war offensichtlich, dass er meine Stimme erkennen würde. „Es tut mir leid, dass ich mich die letzten Tage so wenig gemeldet habe, hier war viel los. Ich hoffe, dir geht’s auch gut und ich freu mich echt drauf, dich bald wieder zu sehen. Falls du das hörst, kannst du dich ja mal melden, liebe dich.“
Ich legte auf und trotzdem kam mir die Nachricht total künstlich und falsch vor. Warum machte ich mir da etwas vor? Meine Beziehung zu Alex hatte sich verändert. Ich wusste nicht, wie lange ich diese Fassade aufrechterhalten konnte, aber ich fühlte mich mies. Andererseits wollte ich seine Gefühle auch nicht verletzen, das hatte er nicht verdient, keiner hatte das.
„Bist du bereit, Frieda?“, hörte ich draußen die Stimme meiner Mutter.
„Ja, ich komme gleich“, antwortete ich. „Gib mir noch fünf Minuten!“
Ich warf das Handy wieder aufs Bett und ging dann noch einmal ins Bad, um noch ein wenig Make-up aufzutragen.