Читать книгу Annabelle - Frederike Gillmann - Страница 8
Kapitel 4
ОглавлениеEndlich wieder Montag. Die meisten Menschen hassten Montage, aber ich mochte sie, denn mit ihnen begann eine neue Arbeitswoche und somit hatte mein Kopf wieder etwas zu tun. Ich stand zur gewohnten Zeit um sieben auf, duschte, machte mir mein Frühstück und einen Kaffee, zog eines meiner Kostüme aus dem Schrank und machte mich auf den Weg, sodass ich ungestresst um acht Uhr dreißig mein Büro betrat. Dort checkte ich dann meine Termine für die Woche und schaute, ob es etwas Wichtiges gab. Meistens war das am Anfang der Woche nicht der Fall, denn die wichtigsten Termine kamen meist erst einen Tag vorher oder wenn nicht sogar am selben Tag noch rein. Im Büro nahm ich mir gleich noch eine Tasse von dem frisch aufgebrühten Kaffee, setzte mich dann an meinen Schreibtisch und schaltete den Computer an. Wie ich schon vermutete hatte, gab es vorerst nichts Spannendes. Die üblichen Termine von Paaren, die auf einmal festgestellt hatten, dass sie sich nach all den Jahren nicht mehr liebten und nun eine Beratung brauchten, wie sie im besten Fall ohne Schlammschlacht und mit möglichst wenig Geldverlust da rauskommen könnten. Viele stellten sich eine Scheidung immer rosig vor und dass man danach noch mit dem Partner befreundet sein würde, aber das war meiner Meinung nach eher die Ausnahme. Bei Geld hörte bei vielen die Freundschaft auf.
„Guten Morgen, meine Hübsche.“ Ich schaute auf und sah meine Arbeitskollegin Kathi. Aber Kathi war viel mehr als nur eine Kollegin, sie war, seitdem wir zusammen arbeiteten, eine sehr gute Freundin und wir waren immer füreinander da, wenn eine von uns mal Rat brauchte, war es für die Arbeit oder die Beziehung.
„Na, wie war dein Wochenende?“ Kathi hatte immer so ein ansteckendes Strahlen in den Augen und sie war auch nie schlechter Laune.
„So lala“, meinte ich. „Meine Tante ist gestorben und obwohl ich sie nicht so wirklich gekannt habe, nimmt mich das doch ein bisschen mit. Ich weiß auch nicht so wirklich wieso.“
Kathi machte ein betretenes Gesicht. Auch das war eine der schönen Seiten an ihr: sie konnte wie fast keine Andere Mitgefühl zeigen. Und bei ihr hatte ich das Gefühl, dass sie es ernst meinte. Nicht dieses Oberflächliche: „Oh, das tut mir aber leid. Aber das wird schon wieder…“, was man sonst so oft zu hören bekam. „Lass uns da mal in der Mittagspause drüber reden“, sagte Kathi.
„Gerne.“
Trotz dieses kurzen traurigen Moments schaffte ich es, mich ganz gut auf meine Arbeit zu konzentrieren. Wie ich bereits vermutete hatte, war es wirklich eine willkommene Ablenkung. Den Vormittag über tätigte ich ein paar Anrufe, heute waren keine persönlichen Gespräche angesetzt. Um zwölf kam Kathi, die in der Abteilung für Steuerrecht arbeitete, wieder und wir gingen in ein kleines Restaurant, etwa fünf Minuten von der Kanzlei.
„Jetzt erzähl doch mal. Was ist genau passiert?“
„Samstagabend hat meine Mutter angerufen und mir gesagt, dass meine Tante Annabelle tot sei. Sie selbst hatte nur einen Anruf erhalten und konnte mir auch noch nichts Genaueres sagen. Ich habe sie auch gestern besucht und wir haben ein bisschen geredet, aber was genau passiert ist und wie es jetzt weitergehen soll, muss sich jetzt erst in der nächsten Zeit klären.“
„Oh Mann, das tut mir echt wahnsinnig leid“, meinte Kathi betroffen.
„Mir auch, weil ich vor allem nie die Möglichkeit hatte, sie kennenzulernen und das jetzt auch nie wieder werde nachholen können. Sie hat wohl in Glücksburg gewohnt, ganz oben im Norden. Vielleicht werden wir zur Beerdigung dort hinfahren, ich weiß es noch nicht. Und bei dir so?“, versuchte ich nun ein wenig das Thema zu wechseln.
„Bei mir ist alles gut“, meinte Kathi, aber irgendwie sah sie nicht so danach aus.
„Wirklich?“
„Ja, schon. Es ist nur…langsam denke ich, dass es Zeit wäre, mal an Kinder zu denken. Ich bin fast dreißig und könnte mir vorstellen, so langsam eine Familie zu gründen.“ Ach, Kathi hatte also genau das gleiche Problem wie ich, nur anscheinend mit vertauschten Rollen.
„Und wo ist das Problem?“
„Der Paul will keine. Er meint, Kinder machen nur Dreck und Lärm und stinken.“ Jetzt war ich empört. „Wer hat ihm das denn erzählt?“
„Keine Ahnung. Vielleicht einer seiner Kumpels, die schon ein Kind haben.“
„Das ist doch absurd. Ja, ich kann mir auch vorstellen, dass Kinder, gerade wenn sie klein sind, schwierig sein können, aber ich stelle es mir schön vor, Kinder zu haben.“
„Das habe ich ihm auch gesagt und er meinte, er will es sich noch einmal überlegen, aber ich bin da recht wenig optimistisch. Vielleicht sollte ich insgeheim einfach die Pille absetzen und dann wird es eine Überraschung und dann kann er gar keinen Rückzieher mehr machen.“ Die sonst so liebe Kathi überraschte mich damit jetzt etwas.
„Wie bist du denn heute drauf?“
„Ich wünsche es mir nur einfach so sehr.“
„Na, dann kann der Paul dem ja fast gar nicht widerstehen. Ich behaupte, keiner kann dir so wirklich etwas abschlagen.“
„Danke, das ist echt lieb von dir. Aber abgesehen davon: was spräche dagegen, ein paar Tage rauszukommen? Manchmal habe ich das Gefühl, du arbeitest einfach zu viel. Du bist morgens einer der ersten, die das Büro betritt und einer der letzten, die den Computer ausschaltet.“
„Mir tut das gut. Ich brauche die Arbeit.“
„Vielleicht, aber du machst definitiv zu viel. Frieda, das ist echt nicht gut. Ich glaube, du brauchst mal eine Auszeit.“
„Ach was“, winkte ich ab.
„Nee, wirklich. Das war doch im Studium schon so. Du wolltest immer die Beste sein und hast dafür alles in Kauf genommen. Frieda, das kann doch nicht gut sein. Irgendwann hast du dann mit Mitte dreißig ein Burnout und einen Schlaganfall. Dann bringt dir dein ganzer Ehrgeiz auch nichts mehr.“
„Ja, gut. Ich versuche was zu ändern“, sagte ich halbherzig. „Wollen wir dann?“ Ich gab der Kellnerin ein Zeichen, dass wir zahlen wollten. Auf dem Rückweg schwiegen wir und die Stimmung war auch etwas gedämpft. Es war ja total nett von Kathi, dass sie sich Sorgen um mich machte, aber ich fühlte mich ja noch topfit. Ich würde doch schon merken, wann es zu viel werden würde.