Читать книгу Annabelle - Frederike Gillmann - Страница 5

Kapitel 1

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Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, als eben dieser Anruf kam. Es war ein Samstagabend und ich wollte es mir gerade vor dem Fernseher mit einem Teller meiner Lieblingspasta, die Alex für mich gekocht hatte, gemütlich machen. Auch wenn es Samstag war und ich normalerweise nicht arbeitete, hatte ich am Mittag kurzfristig einen Anruf bekommen, dass man kurzfristig ein superwichtiges Meeting angesetzt hatte und jetzt wollte ich endlich mal von der anstrengenden Arbeitswoche ausspannen. Ich arbeitete in einer renommierten Anwaltskanzlei und somit war mein Kalender vollgepackt mit Terminen und wenn ich mal eine Minute frei haben sollte, dann kam sofort mein Chef und drückte mir ein neues Meeting aufs Auge. Absagen konnte und wollte ich nicht, denn ich wollte meinen Job nicht verlieren und ich redete mir dann immer wieder ein, dass es das war, wofür ich das ganze Studium über gekämpft hatte – meinen Traumjob. Dass es das war, was ich wollte – Menschen helfen – und nicht das Geld. Mein Freund Alex war Koch in einem Sternerestaurant und verdiente auch nicht schlecht, hatte aber weitaus unangenehmere Arbeitszeiten, was manchmal schon zu kleineren Krisen in unserer Beziehung geführt hatte. Dieser Samstagabend sollte aber nun endlich uns gehören. Es kam ziemlich selten vor, dass Alex mal an einem Samstag freimachen konnte, aber irgendwie hatte er es geschafft, seinen Chef zu überzeugen. So setzte ich mich mit meinem Teller an seine Seite auf das Sofa. Alex hatte den Fernseher schon angeschaltet und dann hörte ich das Telefon klingeln. Ich seufzte und stellte meinen Teller auf den Couchtisch. Alex machte sich schon bereit zum Aufstehen, aber ich meinte: „Nein, lass mich nur rangehen“, stand auf und ging in die Küche, wo sich das Telefon befand. Ich sah, dass der Anruf von meiner Mutter kam und drückte auf den grünen Hörer. Gleichzeitig fragte ich mich, was es denn so Wichtiges um diese Uhrzeit geben könnte. „Hallo Mama“, sagte ich. Ich hörte erst einmal gar nichts am anderen Ende der Leitung. „Mama?“, versuchte ich es noch einmal. Dann hörte ich ihre leise Stimme.

„H....h.…hallo, Frieda.“

„Mama, was ist los?“, fragte ich beunruhigt, denn so kannte ich meine Mutter überhaupt nicht. Es hörte sich an, als ob sie weinte.

„Du erinnerst dich doch noch an deine Tante Annabelle, oder?“, fragte sie nun etwas gefasster. „Ja…“, sagte ich etwas misstrauisch, denn ich hatte keine Ahnung, wohin dieses Gespräch führen würde.

„Nun ja, ich muss dir leider sagen, dass sie tot ist.“

„Was?“ Ich versuchte nicht in den Hörer zu schreien, aber damit hatte ich nun nicht gerechnet.

„Es tut mir sehr leid, mein Schatz. Ich weiß, ihr habt euch kaum gekannt... für mich ist es auch ein großer Schock.“

„Wie und woran ist sie gestorben?“, fragte ich so geistesgegenwärtig wie möglich.

„Ich weiß es nicht. Ich habe gerade einen Anruf von der Polizei erhalten, dass sie tot in ihrem Haus aufgefunden wurde, aber mehr kann ich dir zurzeit nicht sagen. Oh Mann, um was wir uns jetzt alles kümmern müssen. Die Beerdigung und alles.“

„Das kriegen wir schon hin“, versuchte ich meine Mutter zu beruhigen. „Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“

„Ich glaube, erst einmal nicht. Ich muss erst einmal den Schock verdauen. Meine geliebte Schwester. Nicht mehr bei uns.“

„Wenn es irgendetwas gibt, lass es mich wissen“, sagte ich.

„Mach ich. Ich hoffe, ich habe euch nicht zu sehr den Abend verdorben.“

„Ich werde es Alex so schonend wie möglich beibringen“, meinte ich, „ich hab dich lieb, Mama.“ „Ich dich auch, mein Schatz. Mach's gut.“

„Ja, halt mich auf dem Laufenden. Tschüss.“

„Ja, Tschüss.“ Dann klickte es in der Leitung und ich ließ wie in Zeitlupe das Telefon sinken. Ich konnte es kaum fassen, was soeben passiert war. Annabelle war tot. Meine einzige Tante. Meine Tante, die ich nie kennenlernen durfte, ich meine, so richtig.

„Alles okay, mein Schatz?“, rief Alex nun aus dem Wohnzimmer und langsam kam ich so ein wenig in die Realität zurück. Ich erwachte so langsam wie aus einem Traum, einem Alptraum, aber leider war es die Wirklichkeit, die sich das Leben nannte. Ich ging langsam in das Wohnzimmer zurück und versuchte, mein bestes Gesicht aufzusetzen, aber Alex merkte sofort, dass etwas nicht stimmte, dafür kannte er mich einfach zu gut. „Frieda, was ist los?“, fragte er besorgt.

„Meine Tante Annabelle ist tot“, sagte ich und in dem Moment konnte ich nicht mehr an mich halten und mir kullerten die Tränen über das Gesicht. Ich setzte mich aufs Sofa und mein Freund nahm mich sofort in den Arm und hielt mich einfach nur. Er sagte nichts und hielt mich einfach nur fest und das war in diesem Moment das Beste, was jemand für mich tun konnte.

So saß ich da eine gefühlte Ewigkeit und weinte einfach nur stumm vor mich hin und Alex saß einfach nur da und hielt mich. Er wollte sogar schon den Fernseher ausschalten, aber ich machte ihm deutlich, dass er ihn anlassen sollte. Irgendwann dann richtete ich mich auf und fragte: „Warum ist das Leben nur so unfair?“

„Tja“, meinte Alex. „Wenn man das beantworten könnte, dann wäre wohl eines der größten Probleme der Menschheit gelöst.“

„Ich habe sie doch kaum gekannt, meine ganze Familie hat sie kaum gekannt und jetzt wird das alles nicht mehr möglich sein. Sie muss doch erst um die fünfzig gewesen sein. Das ist heute doch kein Alter mehr.“

„Das stimmt“, sagte Alex. „Aber vielleicht solltest du versuchen, etwas zu essen, vielleicht geht es dir dann ein wenig besser.“ Ich nickte stumm und nahm den Teller, den mir mein Freund bereits hinhielt. Ich hatte zwar überhaupt keinen Appetit, schaffte es aber doch, ein paar Bissen zu essen. Obwohl es bereits kalt war, schmeckte es fantastisch und nachdem ich dann doch den ganzen Teller aufgegessen hatte, gab ich Alex einen Kuss. Danach legte ich meinen Kopf wieder in seinen Schoß und wir schauten stumm den Rest der Samstagabend-Fernsehshow.

Trotz der Ereignisse am Vorabend konnte ich erstaunlich gut schlafen. Vielleicht noch ein Vorteil meiner stressigen Arbeit, dass ich abends oftmals so müde war, dass ich nicht mehr so viel Zeit hatte, über das Leben nachzudenken und einfach einschlief. Als ich am Sonntagmorgen aufwachte, war Alex schon wieder bei der Arbeit, aber er hatte mir bereits ein selbstgebackenes Brötchen auf meinen Lieblingsteller gelegt, das sogar noch etwas warm war. Alex konnte also vor nicht allzu langer Zeit verschwunden sein. Ich fand wirklich, dass ich den perfekten Freund hatte. Zwei meiner Freundinnen aus der Schulzeit, mit denen ich noch ab und zu Kontakt hatte, Sophia und Lea, hatten vor ein paar Jahren bereits geheiratet, manchmal fragte ich mich aber, ob sie wirklich mit ihren Männern glücklich waren, oder ob sie nicht vielleicht etwas vorschnell waren. Bei meinem Freund war ich mir ziemlich sicher, dass wir perfekt füreinander geschaffen waren, aber wir hatten beide beschlossen, dass wir noch ein bisschen warten wollten. Vielleicht wollten wir auch gar nicht heiraten, aber trotzdem Kinder bekommen, heutzutage war ja alles möglich, ohne dass man gleich schief angeschaut wurde. Ich schaltete die Kaffeemaschine an und wartete darauf, bis sie mir anzeigte, dass sie betriebsbereit war. Als dann der Kaffee durchlief, atmete ich den wohligen Duft von Röstaromen ein und dachte mir, dass es in diesem Moment wohl nichts Schöneres geben konnte. Ja, ich liebte Kaffee. Ich beschmierte mein Brötchen mit ebenfalls von Alex selbstgemachter Marmelade und biss hinein. Köstlich! Ich genoss diesen kleinen Moment des Glücks bevor sich die Realität wieder zurück in meinen Kopf drängte. Annabelle. Es gab bestimmt noch so viel zu tun. Ich überlegte, ob ich meiner Mutter schon schreiben konnte, denn es war erst 9.00. Bestimmt. Sie stand selbst an einem Sonntag schon früh auf. Also nahm ich mein Handy und tippte eine Nachricht: Na? Gibt's schon was Neues? Ich wollte gerade auf Senden drücken als mir doch einfiel, dass das überhaupt nicht sein konnte, denn erstens war Sonntag und zweitens hatten wir vor kaum zwölf Stunden telefoniert. Ich würde mich also noch etwas gedulden müssen. Aber was sollte ich denn jetzt machen? Sollte ich versuchen, mir irgendeine belanglose Arbeit zu suchen, damit meine Gedanken nicht ständig abschweiften? Ich war es nicht gewohnt, überhaupt nichts tun zu müssen. Manchmal sagten meine Freundinnen schon, ich wäre ein Workaholic, aber dann winkte ich immer ab. Mein Job verlangte eben von mir, dass ich immer alles gab, denn sonst war man raus. So war das eben. Ich wollte auch kein „normales“ Leben führen, also in irgendeinem Büro die Buchhaltung übernehmen. Na ja, einen Bürojob hatte ich schon, aber ich empfand meine Arbeit als sehr abwechslungsreich und das machte mir Spaß. Vielleicht sollte ich mal wieder ein Buch lesen. Dafür hatte ich schon lange keine Zeit mehr. Doch schon allein der Gedanke demotivierte mich leicht. Ich las zwar gerne, aber oftmals war es schwer für mich, mich einfach nur hinzusetzen und zu lesen. Es erschien mir ein wenig unproduktiv. Stattdessen entschied ich mich eine Runde im Park joggen zu gehen. Ich räumte also meinen Teller und meine Tasse in die Spülmaschine, zog ein Paar Sportklamotten aus dem Schrank und meine Sportschuhe an, kramte meine Kopfhörer aus meiner Handtasche heraus und lief los.

Eine halbe Stunde später war ich zwar verschwitzt, fühlte mich aber sogleich besser. Vielleicht sollte ich das öfter tun, einfach mal eine Runde joggen gehen. Aber irgendwie ließ das mein Tagesablauf kaum zu und ins Fitnessstudio wollte ich nicht gehen. Ich empfang jedes Mal noch mehr Druck, wenn ich Menschen in einer Reihe auf ihren Laufbändern sah. Ich hatte dann immer den Drang, es allen zu zeigen und besser zu sein. Ich redete mir ein, dass ich es nur so an die Spitze geschafft hatte. Ich hatte schon früh erkannt, dass man nur Erfolg hatte, wenn man manchmal rücksichtslos war und Opfer brachte. Lea und Sophia waren da anderer Meinung und auch meine Mutter sagte immer öfter, dass ich mal einen Gang runterschalten sollte, denn auf Dauer könnte das ja nicht gut sein, aber verstand sie denn gar nicht, dass mir der Erfolg Spaß machte? Hatte denn niemand in meinem Umfeld diesen Ehrgeiz? Doch, Alex hatte ihn und deswegen funktionierten wir wahrscheinlich auch so gut zusammen. Wir beiden liebten die Herausforderung und scheuten nicht davor, unser Bestes zu geben. Lange Zeit, nachdem meine letzte Beziehung aufgrund meines großen Einsatzes in die Brüche gegangen war, hatte ich Schwierigkeiten, jemanden zu finden, der mir gefiel. Ich hatte mich sogar in einem dieser Dating-Portale für Singles mit Niveau angemeldet, aber die Ergebnisse waren eher ernüchternd. Die Niveaus waren eher unterirdisch. Doch dann hatte ich zufällig Alex getroffen. Na ja, nicht ganz so zufällig. Meine Freundinnen waren der Meinung, die zu dem Zeitpunkt gerade in der Stadt waren, ich müsste mal mehr „raus“ kommen und hatten mich in ein Restaurant eingeladen. Sie mussten mich fast dazu zwingen, denn ich war der Meinung, es gäbe noch so viel Arbeit zu erledigen und nur mit Mühe und Not konnten sie mich mitnehmen. Das Ziel war das Restaurant, in dem Alex arbeitete. Damals hatte er dort gerade angefangen, sich durch sein Können und seinen Einsatz allerdings ziemlich schnell hochgearbeitet. Auf jeden Fall war er es persönlich, der an diesem Tag die Bestellung an unserem Tisch aufnahm. Vielleicht war es Zufall, vielleicht aber auch Bestimmung – keine Ahnung. Ich glaubte zwar nicht an diesen Humbug von Liebe auf den ersten Blick, aber auf eine seltsame Weise war da so eine Verbundenheit, die ich nicht erklären konnte. Und bei ihm schien es ähnlich gewesen zu sein, denn als jede von uns am Ende des Abends einen Glückskeks bekam, stand in meinem seine Nummer mit der Bitte ihn anzurufen, wenn ich Lust hätte. Das war ziemlich romantisch und mein Lächeln entging auch meinen Freundinnen nicht. Ich wusste zwar zuerst nicht, was ich davon halten sollte, aber auch hier drängten mich meine Freundinnen fast wieder dazu, ihm eine Chance zu geben und ihn anzurufen. Als ich mich dann auch wirklich dazu durchgerungen hatte, hatte Alex sich riesig gefreut und mich gleich nochmal zu einem persönlichen Dinner eingeladen – bei ihm zu Hause. Nach einem erneuten Zögern hatte ich dann auch zugesagt und Alex hatte sich mächtig ins Zeug gelegt und das Essen war wirklich fantastisch: es war die beste Spaghetti Bolognese, die ich jemals gegessen hatte und das Tiramisu war zum Hineinlegen. Mit ein bisschen Wein intus kam es auch zu unserem allerersten Kuss an diesem Abend. Mehr war an diesem Abend aber nicht passiert und so verließ ich nur mit einem leicht schweren und etwas verwirrten Kopf sehr spät seine Wohnung. Ich brauchte noch ein wenig Zeit, um mir über meine Gefühle klar zu werden, denn ich kannte es bis zu dem Zeitpunkt einfach nicht, dass sich jemand so sehr um mich sorgte, aber es tat unglaublich gut und so folgte diesem Date eine Woche später noch eins und noch eins und so weiter, bis wir dann beschlossen, dass wir bereits in einer festen Beziehung steckten, ohne es wirklich gemerkt zu haben. Irgendwann schlug Alex vor, dass es doch viel praktischer wäre, wenn wir uns eine Wohnung teilen würden. Ich hielt das Ganze für eine ziemlich gute Idee, denn so mussten wir nicht immer hin- und herpendeln. Allerdings gestaltete sich die Suche nach der Traumwohnung zunächst viel komplizierter als erwartet, denn es stellte sich heraus, dass Alex sehr hohe Ansprüche hatte: eine offene Küche mit Balkon sollte sie haben und eine große Badewanne - am besten in beiden Badezimmern und, und, und. Irgendwann konnte ich ihn dann ein wenig ausbremsen und wir fanden unsere Traumwohnung. Diese hier hatte sogar ein großes Wohnzimmer mit Glasschiebetür, damit man ganz einfach auf die Terrasse gehen konnte, und eine Eckbadewanne mit Whirlpoolfunktion gab es sogar in einem der Badezimmer. Für mich war es wunderschön und Alex arbeitete ja sowieso ziemlich viel. Manchmal fragte ich ihn, warum er denn überhaupt so eine große und luxuriöse Wohnung haben wollte, wenn er selten zu Hause war. Dann meinte er: „Damit ich sie richtig genießen kann, wenn ich mal zu Hause bin.“ Wenn wir über unsere Arbeitszeiten redeten, kam es ab und zu vor, dass er ein wenig pikiert war und mir auch vorwarf, dass ich genauso viel arbeiten würde. Ja, ich arbeitete viel, aber zumindest war ich noch öfter zu Hause als er.

Ach, wie schön war doch so eine Dusche: da konnte man für einen Moment mal kurz seinen Gedanken freien Lauf lassen. Nur leider kommt man da so manchmal ins Zweifeln, ob das alles so richtig war, für was man sich entschieden hat. Ich stellte das Wasser ab und stellte fest, dass es immer noch recht früh war und ich in meiner Tagesplanung immer noch nicht weiter vorangekommen war. Ich wickelte mir mein Duschhandtuch um und machte mir einen Haarturban und ging ins Schlafzimmer und ließ mich dort erst einmal aufs Bett fallen. Ich schloss die Augen und versuchte, mich wie eine dieser Frauen in der Werbung für Duschgel oder Rasierschaum oder ähnliches zu fühlen. Durch das Klingeln des Telefons wurde ich wieder aus meinen Gedanken gerissen. Ich ließ es einfach klingeln, denn ich wollte diese Entspannung nach der Dusche genießen und mich für einen Moment nicht aus der Ruhe bringen lassen. Alles andere konnte warten. Nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit so dagelegen hatte (es waren bestimmt nur fünf Minuten gewesen), ging ich zum Schrank und schaute, was für den Tag angemessen war. Ich hatte eine Tendenz, mir einfach ein Shirt und eine Jogginghose rauszugreifen, aber die Businessfrau in mir sträubte sich dagegen. Was ist, wenn doch noch irgendein Auftrag reinkam und ich schnell losmusste. Im selben Moment schalte ich mich für diesen Gedanken, denn es war Sonntag. Alle Kanzleien hatten zu und die Klienten konnten ja wohl mal zwei Tage abwarten, auch wenn sie sich oft über die horrenden Summen beschwerten im Gegenzug zu der Arbeit, die wir leisteten. Hatten die eine Ahnung...

Trotzdem griff ich nach einer Jeans und einem T-Shirt, das meine Figur betonte. Dann ging ich zurück in die Küche, wo das Telefon seit gestern Abend lag und schaute, wer mich angerufen hatte. Es war meine Mutter gewesen. Vielleicht gab es ja doch neue Erkenntnisse. Also drückte ich auf die Rückruftaste und hörte auf das Freizeichen. Beim dritten Klingeln hörte ich die so vertraute Stimme: „Margarete Meyer am Apparat.“

„Hallo, Mama. Ich bin's.“

„Ja, hallo, mein Kind. Wie geht es dir?“ Ich wusste nicht so recht, was ich von dieser Frage halten sollte und gerade wollte ich mit „Gut“ antworten, merkte aber noch im gleichen Atemzug, dass das die antrainierte Standardantwort war und das ja gerade nicht wirklich der Realität entsprach. „Na ja, geht so“, meinte ich mit etwas belegter Stimme. „Ich kann's immer noch nicht so richtig realisieren. Gibt's irgendwas Neues?“

„Ja, ich kann‘s verstehen“, ich konnte die Traurigkeit in der Stimme meiner Mutter fast durch das Telefon hören. „Ich habe auch kaum geschlafen. Wir hatten überlegt, uns heute Nachmittag zu treffen und ein wenig zu reden? Willst du auch kommen?“

„Ja, gerne.“

„Gut, sagen wir 15:30?“

„Ja, das passt. Kann ich sonst noch irgendetwas tun?“ „Nein, ich denke nicht. Leider.“

„Okay, dann bis nachher.“ „Bis nachher.“ Ich wartete noch kurz, bis es in der Leitung klickte, damit ich sicher war, dass meine Mutter zuerst aufgelegt hatte. Somit hatte ich zumindest eine Nachmittagsbeschäftigung. Wenn Alex mal am Sonntag frei hatte, machten wir gerne etwas zusammen, gingen wandern oder so etwas, aber das kam eher selten vor. Meistens wollte er dann auch lieber zu Hause bleiben und mal die Füße hochlegen und sich das Essen liefern lassen und einfach mal abschalten. Manchmal traf ich mich auch mit meinen Freundinnen, aber das war in letzter Zeit auch immer schwieriger, denn Sophia war vor zwei Jahren Mutter geworden und deswegen waren die Sonntage bei den Herrdorfs meistens Familiensonntage und auch Lea war immer irgendwie eingespannt, engagierte sich noch zusätzlich sozial und war fast immer auf dem Sprung. Nun gut, aber nun konnte ich mich ja auf den Nachmittag mit meiner Familie freuen.

Annabelle

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