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Kapitel 3

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Voll von Kuchen machte ich mich zwei Stunden später zurück auf den Heimweg. Meine Mutter hatte es sich nicht nehmen lassen, mich dazu zu drängen, dass ich noch Kuchen mitnahm, da ich ja nur ein Stück gegessen hatte und sie meinte, ich bräuchte etwas mehr auf den Rippen und Alex sollte ich auch gleich etwas mitnehmen. „Überleg dir noch einmal, was ich gesagt habe“, meinte meine Mutter. „Das Leben kann so schnell vorbei sein.“

„Ja, Mama“, hatte ich nur gesagt und dabei versucht, meinen genervten Unterton ein wenig zu verbergen. Ich umarmte sie und auch meinen Onkel. Dann ging ich zu meinem Auto, legte die Kuchenstücke behutsam auf den Beifahrersitz, klemmte mich selbst hinter das Steuer und fuhr vom Hof. Im Licht der Scheinwerfer sah ich noch die beiden winken.

Dieser Nachmittag war wirklich eine willkommene Ablenkung gewesen und ich merkte, dass ich mich viel zu selten mit meiner Familie traf. Natürlich fühlte ich mich dann manchmal etwas von meiner Mutter beäugt, aber wahrscheinlich wollte sie einfach sichergehen, dass es mir, beziehungsweise uns, gut ging. Durch den langsam einbrechenden Winter war es schon dunkel und so fuhr ich etwas vorsichtiger. Als ich zu Hause ankam, schien die Wohnung immer noch verlassen, allerdings deutete ein leerer Teller mit Pizzakrümeln darauf hin, dass Alex zwischenzeitlich schon einmal dagewesen war. Er hatte mir keine Nachricht hinterlassen, aber ich ging davon aus, dass er sich noch auf ein Bier mit Freunden traf. Da ich immer noch keinen Hunger hatte, wollte ich das Abendessen ausfallen lassen und einfach entspannen. Deswegen stellte ich den Kuchen in den Kühlschrank, nahm mir eine Banane aus der Obstschale und schnappte mir meinen Laptop, ging ins Schlafzimmer und machte es mir in meinem Bett gemütlich.

Ich kam nicht umhin, als über die Worte meiner Mutter nachzudenken: Was ist mit Kindern? Ihr solltet darüber nachdenken, das Leben kann so schnell vorbei sein. Wo sie recht hatte, hatte sie recht, aber trotzdem fand ich Kinder zu diesem Zeitpunkt etwas unpassend. Nicht, dass ich sie nicht mochte, aber mir war meine Arbeit nun auch einmal wichtig. Hätte ich die Möglichkeiten gehabt, die ihr jungen Leute heute habt, ich hätte einiges anders gemacht. Die Message war klar: verschwende nicht dein Leben. Konnte man überhaupt sein Leben verschwenden? Gab es ein objektives Maß dafür? Nein. Aber trotzdem wusste ich, was meine Mutter meinte. Sie wollte, dass ich glücklich war und womöglich wollte sie mir hinter all dem mitteilen, dass ich zu viel arbeitete.

Ich hörte einen Schlüssel im Schloss drehen und kurz darauf die Tür aufgehen. Die Schritte gingen zuerst Richtung Küche, ich hörte die Kühlschranktür aufgehen und eine halbe Minute später erschien Alex‘ Statur im Türrahmen. „Hallo, mein Schatz“, begrüßte er mich mit einem leicht lasziven Lächeln.

„Hi“, sagte ich recht kurz angebunden, ein wenig abgelenkt durch den Film. Alex kam näher, setzte sich auf das Bett und gab mir einen Kuss auf die Wange.

„Na, was hast du heute Schönes gemacht?“ Ich konnte ein wenig Bier in seinem Atem riechen, aber daran hatte ich mich schon gewöhnt und störte mich nicht. Ich selbst trank wenig Alkohol, weil ich es einfach nicht mochte und bei Alex wusste ich, dass er gerne mal das ein oder andere Bier trank, um nach der Arbeit zu entspannen. Ich hatte ihn schon mal darauf angesprochen, dass es mir nicht sonderlich gut gefiel, dass er Alkohol brauchte, um zu entspannen, aber von meinen Yoga-Sitzungen ab und zu hielt er auch nicht so viel. Ich drehte mich von dem Bildschirm weg und schaute ihn an. Gott, ich konnte diesen tiefblauen Augen auch nach fünf Jahren Beziehung immer noch nicht widerstehen. „Ich war bei Mama und wir haben ein wenig über Annabelle geredet.“ Alex schaute mich erwartungsvoll an. „Und?“ „Nichts. Das war es.“

„Also gibt es noch nichts Neues?“

„Nein.“

„Der Kuchen ist übrigens echt lecker.“

„Den hat Mama gemacht.“

„Habe ich mir schon fast gedacht.“

„Warum? Denkst du, dass ich nicht backen kann?“

„Ich denke es nicht nur, ich weiß es.“ Das sollte neckend klingen, aber ich war gerade echt nicht in der Stimmung dafür.

„Was soll das denn heißen?“, fuhr ich ihn an. Jetzt schaute mein Freund etwas entschuldigend drein. „Du weißt doch, dass das nicht erst gemeint war.“ Er wollte mich noch einmal küssen, aber ich drehte mich weg.

„Heyho. Jetzt beruhig dich doch mal.“

„Ich bin so ruhig, wie es nur geht.“

„Ja, eisig wie die Eisprinzessin.“

„Alexander, jetzt reicht es wirklich!“ Alex wusste genau, wenn ich ihn beim vollen Namen nannte, hörte der Spaß auf.

„Ja, ja, schon gut. Soll ich dir erzählen, wie mein Tag war?“

„Anstrengend nehme ich an“, meinte ich immer noch etwas unterkühlt, denn ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass ich ihm sofort verziehen hätte.

„Da hast du wohl recht. So ist mein Job. Aber hey, er macht mir Spaß und ich glaube, dass heute einer der Tage war, an denen mir das Rinderfilet besonders gut gelungen ist.“ Alex redete gerne über das Essen, besonders, wenn er einen guten Tag hatte. Und wenn es für ihn nicht gut gelaufen war, dann war auch seine Stimmung am Abend meistens nicht so gut und ich versuchte dann, ihn aufzuheitern. Mein Freund war Koch mit Leib und Seele.

„Thomas war auch da“, meinte ich noch.

„Oh, wie geht’s ihm und seiner Familie?“

„Gut.“

„Nächstes Mal muss ich wohl mitkommen, sonst denken deine Eltern noch, wir sind getrennt.“

„Ich glaube nicht, dass meine Mutter das denken würde. Im Gegenteil: sie hat gefragt, wann es so weit sein wird, dass sie endlich Enkel bekommt.“

„Enkel?“ Alex hatte die Mehrzahl betont.

„Na ja, erst einmal hatte sie nur von einem gesprochen, aber sie meinte schon, dass es langsam Zeit für uns wäre.“

„Und was hast du gesagt?“

„Ich habe ihr gesagt, dass wir momentan keine Zeit dafür haben.“

Wir haben keine Zeit dafür?“

„Na ja, du bist Koch in einem Sternerestaurant und ich arbeite viel in der Kanzlei. Ich dachte…“ „…dass da Kinder in die Karrierepläne nicht reinpassen“, beendete Alex den Satz. „Nun ja, ich finde, das kann man ändern. Zumindest kann man es versuchen. Was meinst du?“

„Ich weiß nicht...“, meinte ich zögernd. „Ich weiß nicht, ob ich eine gute Mutter sein würde.“

„Ich denke, du wärst eine fantastische Mutter“, sagte Alex und fuhr mit der Nasenspitze an meinem Hals entlang. Mit einer Hand klappte er den Laptop zu. „Hey! Was soll das?“, protestierte ich, aber gleichzeitig gefiel mir, was Alex da tat. Ich räumte den Laptop rasch vom Bett runter und gab mich dann seinen Liebkosungen hin.

Annabelle

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