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Achter Brief.

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Inhaltsverzeichnis

New-York im August 1839.

Die Seereise.

Ich rief zum Herrn in meiner Noth:

Ach Gott, vernimm mein Schreien!

Da half mein Helfer mir vom Tod,

Und ließ mir Trost gedeihen.

D’rum dank’ o Gott, d’rum dank’ ich dir!

Ach danket, danket Gott mit mir,

Gebt unserm Gott die Ehre!

Wie könnte ich wohl meinen Bericht aus weiter Ferne besser beginnen, als zuerst dem zu danken, der mich gnädig vom nahen Tode errettete und, gleichsam neu geboren, in eine andere Welt versetzt hat. Was muß der Mensch nicht erdulden, was kann er nicht abhalten, wenn er mit gutem Gewissen auf seinen Berufswegen wandelt und seinem Gott vertraut. Vieles habe ich auf diesem Wege erfahren müssen, denn das Schiffsleben ist ein ganz anderes, als das auf dem Lande. Man muß sich hier an so Manches gewöhnen und so Vieles entbehren, was man in seinem häuslichen Geschäftsleben für unmöglich halten würde. Um wie viel beschwerlicher ist aber eine solche Seereise für Eltern, die beängstigt um die Ihrigen, auf sich selbst weniger Rücksicht nehmen können, und so Tag und Nacht der Ruhe entbehren; möchte daher jede auswanderungslustige Familie, welche diese Briefe liest, den Inhalt beachten und entweder ihr Vorhaben ganz aufgeben, oder solches doch möglichst erträglich zu machen suchen, da Viele erst auf dem Schiffe, und zwar zu spät für diese Reise, erfahren, was dazu zweckdienlich gewesen wäre[22].

Bei unserer Abfahrt wurde von dem Allen nichts beachtet, was, wie man mir sagte, auf andern Schiffen gebräuchlich seyn soll. Keine Behörde revidirte das Schiff, ob es auch mit den hinreichenden Lebensmitteln versehen sey, und in welchem Zustande sich dieselben befänden; ob die zur Aufbewahrung des Trinkwassers bestimmten Fässer gehörig gereinigt und in wie weit man der Verpflichtung hinsichtlich versprochener Arznei und sonstigen Leckereien, als: Wein, Rosinen, Pflaumen etc. nachgekommen sey[23]. Den 6. Juli blies der Wind ganz zu unsern Gunsten, und die vor dem Hafen liegenden Schiffe boten ein herrliches, von uns noch nie gesehenes Schauspiel dar. Die Anker wurden unter dem Gesang der Matrosen gelichtet und auf das Kommandowort des Kapitäns entfalteten sich eben so schnell die Segel, welche durch einen frischen Südostwind geschwellt, das Fahrzeug majestätisch auf dem Wasserspiegel forttrieben.

Ohngefähr sechs Stunden lang durchschnitt das Schiff die Wellen, ohne daß auch nur die mindeste Bewegung fühlbar war, und die Passagiere, erfreut über den günstigen Anfang der Reise, hielten sich meist auf dem Verdeck auf, doch mehr und mehr drehte sich der Wind, unruhiger bewegte sich das Schiff, und eine über das Verdeck schlagende Welle nöthigte zum Rückzug ins Zwischendeck. Bald stellten sich nun auch die Vorboten der Seekrankheit ein, Schwindel und Uebelkeit nahmen zu und nur Wenige blieben vom Erbrechen verschont.

Nichts geht über die Leiden, die mit dieser schauderhaften Ekel erregenden Krankheit verbunden sind, wovon der Mensch befallen wird. Das stärkste Vomitiv greift nicht so an, als die Seekrankheit, da sie anhaltend den ganzen Körper erschüttert und den Kopf zu zersprengen droht. Ausgestreckt auf dem Lager lag ich krank darnieder, jeder Versuch, mich sitzend zu erhalten und so den Kopf aus seiner horizontalen Lage mit dem Körper zu erheben, wurde mit dem heftigsten Erbrechen gebüßt. Ist schon diese Plage auf kurze Zeit höchst peinlich, um wie viel mehr mußte ich leiden, da das Erbrechen vier Wochen mehr oder weniger anhielt und nichts dem Uebel zu steuern vermochte. Kopfweh zum Rasendwerden, und die heftigsten krampfhaften Magenschmerzen lassen Einen nie zur Ruhe kommen, da der Schlaf den ermatteten Körper flieht und Füße und Unterleib abzusterben scheinen; dabei der Kopf heiße Thränen schwitzt, während man den schmerzlichsten Anstrengungen zu unterliegen glaubt[24].

In einer solchen Lebensperiode lernt der Mensch erst einsehen und fühlen, was es heißt, getrennt von den Seinigen, ohne Wartung und Pflege, die Leiden des Körpers geduldig ertragen zu müssen. Mehr als Muth und Charakterstärke gehört dazu, um, an Leib und Seele erschlafft, bei dem Kampf der Elemente im Glauben nicht zu wanken. Festes Vertrauen muß man auf Den haben, der die Schicksale der Menschen lenkt. Hier habe ich das Sprichwort bewährt gefunden, daß der, welcher beten lernen will, nur zur See gehen muß.

Während der ersten vier Wochen konnte von der Schiffskost nichts von mir genossen werden, da der Magen sich an die schaukelnde Bewegung nicht gewöhnen wollte, wie solches bei den meisten Passagieren schon in den ersten Tagen der Fall war. Die bitter aufsteigende Galle verscheuchte allen Appetit, und nur mit Noth behielt der Magen bei ruhiger See einige Löffel Suppe. Unter solchen Umständen schwanden meine Kräfte zusehends, und Mancher sah in mir, bis zum Skelett abgezehrt, schon die Leiche. Doch das Maas der Leiden war noch nicht voll; selbst das Wenige, was der Magen in sich behielt, verstopfte sich beim Mangel an Motion, und erst nach achtzehntägiger Qual ersetzte der Steuermann den fehlenden Arzt, doch galt bei ihm das alte Sprichwort: „Friß Vogel oder stirb!“ und half er auch von einem Leid, so wurden neue Schmerzen bei mir wieder hervorgebracht.

Das Lager selbst, beim Mangel weicher Betten, treibt die Gesunden auf, nur mich hielt es zurück und machte die Nächte zu Ewigkeiten, so daß die Fahrt mir doppelt lang wurde und der aufgelegene Körper die Schmerzen mehrte. — Ein Glück, daß während der See-Reise das Schiff an keiner Insel hielt, da sonst Mancher, in dem Glauben, die Plage sey nicht mehr zu ertragen, verlangen würde, hier ausgesetzt zu werden; so aber wider Willen mit fortgerissen wird. Was hätte ich selbst für einen Tag Ruhe auf festem Boden gegeben und um einen Trunk frisches Wasser, die Lippen zu netzen? So aber blieben wir auf Thee und Kaffee, gekocht in stinkendem Wasser, ohne Milch, Zucker und Rum, verwiesen. Auch nicht für Geld und gute Worte erhielt ich und eine kranke Frau vom Tisch des Kapitäns ein Paar Flaschen Wein[25]. Doch hier wo’s Noth that und des Seemanns Herz nicht zu erweichen war, half ein Bauersmann und theilte den Labetrank, der für seine Kinder bestimmt war, mit uns.

Die Unmöglichkeit, das Lager zu verlassen, zwang mich, auf solches fest gebannt, liegend im Tagebuche zu notiren, was im innern Raume des Schiffs vorging und von dem was außerhalb geschah, erhielt ich durch meinen Neffen Rapport. Zum Trost für mich wurde Letzterer nur von einem Schwindel befallen, ohne vom Erbrechen selbst nur das Geringste zu verspüren, und konnte demnach zu meiner Wartung und Pflege viel beitragen.

Wahn und Ueberzeugung

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