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Dreizehnter Brief.

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Inhaltsverzeichnis

New-York im September 1839.

Erster Aufenthalt in New-York.

Anstatt daß man sonst den Ankömmlingen sogar ins Meer entgegenfuhr, um Arbeiter auszusuchen, fand sich jetzt als Gegensatz nicht Einer am Ufer ein, der Nachfrage hielt. Zwei Frauenzimmer waren die Einzigen, welche sofort offene Stellen erhielten.[31] Nur eine Art Seelenverkäufer deutscher Abkunft schienen höchst erfreut, den neu Ankommenden ihre Dienste anbieten zu können, und rekommandirten uns sogleich Kosthäuser, in welchen wir sehr gut und enorm billig logiren könnten; auch bei dem fernern Unterkommen versprachen solche mitzuwirken, da sie überall bekannt wären und Jedem Rath zu geben wüßten.

Wir sämmtlichen Sachsen und Thüringer bezogen das deutsche Haus, wo wir aber bald die Erfahrung machen mußten, geprellt zu werden; auch die vermeinten Freunde erkannten wir jetzt als im Solde des Wirths stehende Bursche, welche nur dazu dienten, seine Wirthschaft zu empfehlen, ihm in häuslichen Verrichtungen an die Hand zu gehen, und bei jeder Gelegenheit den mit allen Verhältnissen noch unbekannten Einwanderer um das Seinige zu bringen und durch Versprechung aller Art zum längern Verweilen hier zu bewegen.

Den ersten Genuß, welchen ich mir nach so langer Entbehrung zu verschaffen suchte, war eine Bouteille Bier; ich gab dafür in Ermangelung kleinen Geldes einen ganzen Dollar[32], worauf ich von einem der vorbenannten Bursche während des Gedränges von allen Seiten, in mir noch unbekannten Geldsorten, das Zuviel zurück erhielt, woran aber nicht weniger als ein halber Dollar fehlte, wie mir ein des Geldes Kundiger bemerkte, dem ich solches zeigte. Der Herr Marqueur selbst war aber sogleich verschwunden, und der Wirth hielt sich nicht verpflichtet für seine Leute einzustehen.

Ich war also der Erste, welcher auf amerikanischem Boden Lehrgeld bezahlte und darüber mehr, als über den Verlust selbst, erzürnt, schwur ich Vergeltung, und suchte meine Gefährten dahin zu bestimmen, daß solche erklärten, das Quartier sogleich zu verlassen, wenn mir das noch fehlende Geld nicht augenblicklich restituirt würde. Diese Drohung half und die Möglichkeit des Irrthums vorschützend, bat der Wirth jetzt um Verzeihung und gab, was sein Helfershelfer genommen, mir nothgedrungen zurück.

Die Abendmahlzeit mundete den Ausgehungerten trefflich, und man war nicht wenig erstaunt über die reichbesetzte Tafel, auf der auch die Suppe, welche sonst in Amerika nicht gebräuchlich ist, nicht fehlte. Der dabei gereichte Thee mit üblichem Gebäck ließ vollends den an frugale Kost gewöhnten Deutschen nichts zu wünschen übrig, und alles Andere vergessend, suchten wir heute frühzeitig das Lager, um nach langen Strapazen auf festem Boden uns von Neuem zu erholen.

Auch das Frühstück war uns neu; zu dem Kaffee gab es, gleich wie am Abend, gebratene Fische und Fleisch, Eier, Backwerk, süß und sauer Eingemachtes; auch Butter und Käse fehlte nicht.

Nach dem Mittagsmahl, welches zugleich als Probe diente, ward festgestellt, was die Person täglich zahlen solle; dies betrug für Kost und Logis fünf Schilling, welche Summe zahlreichen Familien auf die Länge der Zeit zu geben nicht möglich war. Es aßen daher, um das Mittagessen zu ersparen, die ersten Tage Viele nur Morgens und Abends, doch half das Hungern nichts, denn das Versäumte mußte mit bezahlt werden, da für Alle gedeckt und es ihre eigene Schuld war, gefastet zu haben. Alles Sträuben half nichts, denn der Wirth war im Besitz ihrer Effekten und ließ solche nur nach berichtigter Zahlung erst verabfolgen.

Bald zerstreute sich Alles, Arbeit suchend, in die Stadt, welche Erstere aber nirgends zu finden war, da vor Allem die englische Sprache mangelte. Selbst die Unterhändler, woran es nicht fehlt, sich aber den Dienst theuer bezahlen lassen, bringen nur selten Einen unter, und ist letzteres der Fall, dann gewiß an einem Orte, wo kein Eingeborner arbeiten will, oder das Geschäft selbst nur von kurzer Dauer ist.

Auch unser Landsmann, der Schuhmacher F. mit Empfehlungsschreiben versehen, sah sich schrecklich betrogen, da der vermeinte Fabrikherr, an welchen er vom Hause aus empfohlen, nichts weiter als ein Kommissionär[33] war, welcher gegen Zahlung den Namen des Suchenden notirte und die Weisung ertheilte, später wieder nachzufragen. Was sollte er nun anfangen? Womit sich und Familie ernähren? Da er auch nicht sofort auf sein Geschäft Arbeit erhielt[34], so blieb ihm und seinem alten Vater nichts weiter übrig, als beim Ein- und Auspacken der Schiffe Arbeit zu suchen, bis sich sein Loos vielleicht in der Folge besser gestalte.

Gleiches Schicksal traf einen Kajüten-Passagier unseres Schiffes, welcher als Architekt ebenfalls an obigen Herrn adressirt war. Schon auf der Seereise, wo bei Gefahren die Herzen sich nähern und öffnen, erfuhr Mstr. F., daß eine Bestimmung sie in New-York näher zusammenführe, und schon sahen sie im Geiste das weitverzweigte Geschäft, welches Schuhmacher und Architekten zu beschäftigen vermöge. Vereint gingen sie ihrem Ziele zu, doch Letzterer erfuhr nun auch, was Ersterem schon begegnet war. Auch er sah sich in seinen Plänen betrogen und wußte verzweiflungsvoll nicht, was er von Neuem wählen sollte. Der schweren Arbeit ungewohnt, blieb ihm dennoch nichts übrig, als Hacke und Schaufel zu ergreifen[35].

Am dritten Tage unseres Hierseins kam endlich das so lange in der Quarantaine gelegene Seeschiff, welches unsere übrigen Sachen enthielt, im Hafen an, wo ebenfalls jede Kiste von den Zolloffizianten untersucht ward, und man strenger als in der Quarantaine-Anstalt damit verfuhr.

Nun im Besitz unserer Effekten, verließen mehre Familien sogleich das Kosthaus, in der Absicht, entweder die Reise weiter fortzusetzen oder Privatwohnungen zu beziehen.

Beim Bezahlen der Zeche gab ein Baier Gold, und erhielt das Zuviel in Papiergeld zurück, welches aber bei der Wiederausgabe als falsch erkannt und nicht angenommen wurde. Der Wirth, von welchem er solches erhalten, leugnete dieses, und verlangte den Beweis darüber, welchen der Betrogene nicht geben konnte, da beim Wechseln außer seinen zwei jüngsten Kindern Niemand zugegen gewesen war. Der Arme fluchte, tobte und verwünschte das Land, wo die Schurkerei zu Hause sey. Doch Alles half nichts. Der Wirth blieb bei seiner Aussage und war frech genug, Ersteren mit dem Haushinauswerfen zu drohen, wenn er nicht bald ruhig sey. Diesen Streit hörte einer der vermeinten Freunde, welche uns bei der Ankunft am Ufer so herzlich empfingen, ruhig mit an, und schlug sich jetzt ins Mittel, indem er die falschen Noten für einen Dritttheil ihres aufgemerkten Werthes ankaufte; doch nicht um solche zu vernichten und so für die Folge unschädlich zu machen? Nein! Sicher wurden sie im Taschenbuch verwahrt, um einen neu ankommenden Landsmann damit zu beglücken. „O, die Schurken!“

Doch auch die Wirthe werden mitunter betrogen, da Viele bei der Ankunft nichts Baares mehr haben, und außer dem, was sie am Leibe tragen, keine Garderobe weiter besitzen. Doch schlau genug wissen sie solches zu verbergen, so daß der Wirth glauben muß, ein Theil der Effekten, welche sie für Andere vom Schiff mit ins Kosthaus tragen, sey ihr Eigenthum, und als Unterpfand gewiß; doch bevor noch der rechte Eigenthümer sich zu erkennen giebt, sind die Erstern verschwunden.

Auch ich muß gestehen, daß ich, für den an mir beabsichtigten Betrug, mich dadurch revanchirt habe, daß ich auf ähnliche Art Zweien durchhalf. In dem Keller, wo sich meine Sachen in Verwahrung befanden, waren nebst mehren andern auch die untergebracht, welche Zweien meiner Landsleute gehörten, die, von aller Baarschaft entblößt, von ihren Kleidungsstücken hätten verkaufen müssen, wenn sie die Zeche bezahlen sollten.

So eben hatten wir erst mit ansehen müssen, wie der Wirth solche Effekten für einen Spottpreis in Anrechnung brachte, weshalb ich den Vorschlag that, ihre Koffer, als mir zugehörig, vom Hausknecht zu verlangen, wenn ich abgerechnet, und der Wagen zum Transport der Sachen ins neue Quartier da sey. Sie selbst sollten nach dem Essen wie gewöhnlich um nach Arbeit auszugehen, diesem Hause den Rücken wenden und niemals wiederkehren.

Alles ging nach Wunsch und Willen. Den Beiden waren ihre Sachen erhalten und ich gerächt[36].

Das neue Quartier in Pitt-Street war bezogen, und für eine kleine Stube und Kammer, sonst nichts, 4½ Dollar monatlich vorausbezahlt, da die Hauswirthe des häufigen Betrugs halber nicht mehr kreditiren. Die Stube, von den Vorgängern schlecht gehalten, wurde von meinem Neffen gesäubert, währenddem vom Glaser R. Kartoffeln zum Abendbrod besorgt wurden, und ich selbst schaffte vom nahen Bauhofe das nöthige Brennholz herbei. Demnach war die neue Wirthschaft schnell etablirt, wobei uns das zur Seereise angeschaffte Küchengeschirr trefflich zu statten kam, und dem Hausrath nur ein Wassereimer und Besen zugesellt zu werden brauchte, da Kisten und Koffer, Tisch und Stühle ersetzten. Nur das weiche Lager fehlte noch; doch auch dies hatte sein Gutes, und gewöhnte an spätere Strapazen.

Die Familie S. bezog neben uns ebenfalls eine kleine Wohnung im Souterrain, nachdem solche schon im Kosthause das Gewehr versilbert hatte. Von Kummer und Sorge entstellt, hing der Familienvater nur noch in Haut und Knochen, und die Kinder mußten ihr Heil bei guten Menschen suchen.

Um mich selbst zu orientiren, wie und auf was für Art man hier, Alles was Bezug auf Brennerei hat, in den Werkstellen anfertige, sah ich bei Kollegen nach, ob sie Arbeit zu vergeben; doch umsonst waren alle meine Bemühungen, denn nirgends fand ich ein Unterkommen. Man schützte da, wo ich verstanden wurde, schlechte Zeiten vor, und wo man mich nicht verstehen wollte, blieb man die Antwort schuldig, und der Gehilfen Gruß war „God damn (Gott verdamme mich) schon wieder deutsche Bettler!“

Ein Tag verging so wie der andere, und wahrlich viel Geduld gehörte dazu, auf die Länge solch ein Faulenzerleben zu ertragen; nur das Mannichfaltige in dem bewegten Leben und Wirken der New-Yorker läßt Einem weniger empfinden, daß man ohne Beschäftigung ist, wenn nicht die schmelzende Kasse täglich mehr daran erinnerte. Ich selbst suchte mir, an das Quartier gebannt, die Zeit damit auszufüllen, daß ich täglich Alles was ich gehört und gesehen auf das Papier zu bringen mich bemühte, um es nächstens an Euch zu berichten. Doch nicht als treues Bild mag es gelten, dazu gehört mehr Zeit und Gelegenheit, sondern nur als Skizze sey es zu betrachten.

Wahn und Ueberzeugung

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