Читать книгу Wahn und Ueberzeugung - Friedrich Höhne - Страница 9

Sechster Brief.

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

Bremerhaven im Juni 1839.

Fortsetzung.

Ein Tag verstrich wie der andere. Die leer gewordenen Logis wurden sofort mit Neuangekommenen besetzt, wobei nicht selten die Sachen verwechselt oder vorsätzlich entwendet wurden, wie solches dem Konditor T. aus V. widerfuhr. Uhren- und Gelddiebstähle sind häufig, und es ist daher auf Pretiosen die größte Vorsicht zu verwenden. Eben so wenig sollten die Kisten ohne Aufsicht gelassen werden.

Mein gewöhnlicher Spatziergang fing bald an mich zu langweilen, und die prächtigen Karossen, sowie die durcheinander wogenden Fußgänger hatten keinen Reiz mehr für mich, da die mannichfaltigen Erinnerungen an die zurückgebliebene Familie und ein banges Sehnen nach der dunkeln Zukunft, das Warten um so peinlicher machte.

Endlich brachte der 21. d. eine Unterbrechung in das alltägliche Leben, da an demselben Tage die über die Weser führende Nothbrücke dem Publikum geöffnet wurde, welche die Kommunikation der Neustadt mit der Altstadt so lange unterhalten sollte, bis die alte baufällige Brücke abgerissen und an deren Stelle eine neue, von Steinen, aufgeführt worden sein werde. Jeder wollte die Nothbrücke zuerst passiren, und es drängten sich daher von beiden Seiten so viele Menschen auf derselben zusammen, daß Mann an Mann wie eingemauert standen. Von den Ufern aus sahen Tausende der Mannschaft zu, welche an der Brücke gearbeitet hatten und jetzt auf zwei nebeneinander stehenden Schiffen bei Musik und Tanz das erhaltene Freibier verzehrten. Zum Schluß war Feuerwerk verkündet, weshalb eine Masse Kähne auf stiller Fluth die größern Bote umschwärmten und das schaulustige Publikum bis spät Abends auf den Beinen hielt. Doch mehr Witz als Wahrheit war das Feuerwerk, da nur einige Raketen zerplatzten.

Schon war der 22. verstrichen und noch keine Anstalt zu unserm Transport nach dem Hafen gemacht, wir erhielten aber auf dem Komptoir des Herrn W.[19] die Versicherung, daß morgen drei Weserschiffe uns dahin bringen würden. Jedoch auch der 23. und 24. gingen ohne Erfüllung der gemachten Zusage vorüber, und eben so wenig erhielten wir auf diese Tage für Kost eine Entschädigung, sondern wurden damit bis zur Ankunft auf dem Seeschiffe vertröstet. Was sollten aber bis dahin meine armen Reisegefährten anfangen, von denen einige ganz von Baarschaft entblößt und der hungrige Magen sich nicht wie der Geist mit den lockenden Aussichten in dem gelobten Amerika begnügen wollte.

Endlich am 25. waren die Transportschiffe bereit, uns nebst Effekten aufzunehmen, und auf dem, welches ich bestieg, war bis Mittag alles so geordnet, daß Jeder noch nothdürftig ein Plätzchen zum Liegen hatte. Als aber am Nachmittag noch einige Funfzig Juden mit ihren sämmtlichen Sachen ebenfalls in dem schon sehr beengten Raum untergebracht werden sollten, so wurde von Neuem alles drüber und drunter geworfen, um nur so weit Platz zu bekommen, daß sämmtliche Passagiere, wenn auch wie Häringe zusammengeschichtet, im Zwischendeck dem Hafen zugeschickt werden konnten.

Die anderthalben Tag und eine Nacht lange Fahrt war eine der beschwerlichsten, die ich gemacht habe, da ein anhaltend starker Wind das Schiff beständig in schaukelnde Bewegung versetzte, wodurch die Seekrankheit sich sofort einstellte und ein Erbrechen erfolgte, welches um so beschwerlicher war, da bei dem engen Zusammenliegen ein gegenseitiges Beschmutzen nicht vermieden werden konnte. Da die meisten Passagiere nicht darauf vorbereitet waren, bekamen wir jetzt schon den Vorgeschmack der Seereise, und Mancher hätte gern auf das gepriesene Amerika verzichtet, wenn ihm das bezahlte Fahrgeld restituirt worden wäre.

Taf. II.


(Bitte das Bild anklicken für eine größere Ansicht.)

Das große dreimastige amerikanische Schiff St. Lawrence, welches uns im Hafen aufnahm, war mit einem 7 Fuß hohen Zwischendeck versehen und versprach deshalb vor allen andern jetzt hier liegenden Schiffen eine möglichst gesunde Fahrt; auch war vorauszusehen, daß bei der Größe desselben die Bewegungen weniger fühlbar sein würden, als dieses bei dem Weserschiff der Fall war, da bei letzterem die Bewegungen kürzer und deshalb um so empfindlicher sind. Damit aber die Vorstellung von dem Gebäude selbst, welches uns über den Ocean bringen sollte, um so deutlicher wird, will ich das in Taf. I. abgebildete Schiff etwas näher beschreiben.

Dieses kolossale Gebäude ist aus nicht sehr großen aber gut zusammengearbeiteten Holzstücken gefertigt, welche mittelst hölzerner und eiserner Schraubenbolzen an das innere Holzgerippe befestigt werden. Die Fugen sind mit Pech und Werg so dicht verstopft, daß kein Wasser eindringen kann. Um dieses schwimmende Gebäude schnell fortzubewegen, sind drei hohe Masten darauf angebracht, wovon jeder derselben wieder aus drei Theilen besteht, an welche mittelst der Segelstangen und dem nöthigen Tauwerk die Segeltücher zum Auffangen des Windes befestigt sind. Um aber diesen Segeln nach jedem Erfordernisse des Windes eine andere Richtung zu geben, sind viele Leinen und Taue angebracht, deren Jedes seinen eigenen Namen hat, und welches die Matrosen selbst in der dunkelsten Nacht mit der größten Schnelligkeit zu finden wissen. Ferner ist, um den Lauf des Schiffes zu bestimmen und solches demnach zu regieren, am hintern Theile desselben ein im Verhältniß des ganzen Gebäudes kleines Steuerruder befestigt, dessen geringste Bewegung nach der einen oder andern Seite dem Schiffe eine andere Richtung giebt.

Taf. II. ist die Ansicht vom obern Verdeck. Bei a. ist das Steuerrad, mit welchem das Steuerruder regiert wird, und in dessen Nähe im Nachthause steht der Kompaß. Vor Letzterm ist das Schiff mit einem Ueberbau versehen, unter welchem bei nasser Witterung der Kapitän und die Kajüten-Passagiere sich Motion zu machen suchen. An beiden Seiten sind Vorrathskammern angebracht, auch befindet sich der Abtritt für die Ersteren daselbst. b. ist die Stelle des Fockmastes, c. des Mittelmastes, d. des Besanmastes, e. zeigt das Bugspritt, welches über das Vordertheil des Schiffes hinausreicht, f. ist der bedeckte Eingang zur Kajüte des Kapitäns, g. h. und i. sind Oeffnungen von 6 Fuß ins Gevierte, welche dazu dienen, die Ladung ins Innere des Schiffes hinabzulassen. Durch diese Luken steigen auch mittelst der angelehnten Treppenleiter die Deck-Passagiere aus und ein. k. ist der Ort der zwei Schiffspumpen, womit alle Morgen das eingedrungene Wasser wieder ausgepumpt wird. l. ist die Kapitäns- und Kajüten-Passagier-Küche. m. sind die beiden eingemauerten Kessel, mit viereckiger Breterbekleidung umgeben, in welchen für die Deck-Passagiere gekocht wird. Zwischen der Kapitäns-Küche und dem Mittelmast ist das große Boot, in welchem die nicht gebrauchten Segel und Taue liegen und deshalb mit einem Nothdache überbaut ist. Das kleine Boot n. wird außerhalb des Schiffes am hintern Theil desselben aufgehangen. o. sind die Abtritte für die Deck-Passagiere. Durch die Oeffnung p. steigen die Matrosen in ihre Kajüte hinab. Bei q. ist die Schiffswinde, womit die Anker in die Höhe gezogen werden. r. sind in die Bohlen eingesetzte geschliffene Gläser von 7 Zoll Länge und 4 Zoll Breite. Solche sind in der Mitte stärker als an den Seiten, wodurch dieselben, vermöge der Konzentrirung der Lichtstrahlen, viel mehr Helligkeit verbreiten als dieses der Fall bei gewöhnlichem Scheibenglas ist.

Taf. III.


(Bitte das Bild anklicken für eine größere Ansicht.)

Taf. III., stellt den innern Raum des Schiffes in horizontaler Lage vor. In diesem Raume befindet sich bei A. die Kajüte mit einem in der Mitte befindlichen großen Zimmer, zum Aufenthaltsort der Kajüten-Passagiere. Auf beiden Seiten befinden sich die Schlafstellen, (Cojen genannt.) An dem Fockmast steht die Treppe und hinter derselben ist die Wohnstube des Kapitäns, neben welcher sich verschiedene Kammern befinden. Auf der andern Seite sind die Räume für den Ober- und Unter-Steuermann, dem Steeward (Kammerdiener) und Koch. B. Ist die Vorkajüte, wo auf unserm Schiff die Vorräthe von Lebensmitteln aufbewahrt wurden, welche nicht in den untern Raum des Schiffes gebracht waren. Hier hatte außerdem der Kapitän noch seine Getränke, so wie das Tisch- und Küchengeräthe aufgehoben. In dem großen Mittelraum C. befinden sich auf beiden Seiten gleichlaufend mit den Schiffswänden zwei Reihen Schlafstellen über einander, deren Jede 6 Fuß im Quadrat hält, und aus Stollen und Bretern so zusammengenagelt sind, daß der Boden derselben 12 Zoll von dem Fußboden absteht, damit bei offenen Luken die mitunter einschlagenden Wellen, nicht die Strohsäcke oder Betten durch das darunter laufende Wasser befeuchten. Drei Fuß höher ist der zweite oder Mittelboden angebracht, welcher, da das Zwischendeck 7 Fuß hoch ist, eben so weit vom obern Deck absteht. Durch diese Vertheilung der Böden erhält jede Schlafstelle 3 Fuß Höhe, wie dieses auf Taf. IV. ersichtlich ist.

An der Vorderseite der Schlafstellen ist ein Bret angenagelt, damit bei Sturm die Strohsäcke mit den darauf Liegenden nicht herausgeworfen werden. Eben nicht höher sind auch die Schiedbleichen, wodurch dem Auge die freie Durchsicht offen steht[20]. Jede Coje nimmt 8 Mann auf, wovon 4 unten und 4 oben liegen, und so in den 26 kleinen Räumen 208 Menschen untergebracht sind. Das Lager der Passagiere beim Schlafen ist verschieden, wie solches auf der Zeichnung zu sehen ist und richtet sich nach dem Stande des Schiffes, damit immer der Kopf hoch ist, auch nicht bei schräger Lage des Fahrzeuges ein Passagier auf den andern fällt. In der Mitte stehen die Kisten der Reisenden, wo solche die Extraprovisionen oder die Bedürfnisse mancherlei Art, welche auf einer Seereise nöthig sind, aufbewahren. Diese Sachen werden mit Stricken und Tauen aneinander befestigt, um sie beim Sturm vor Umwerfen und Zerschlagen zu schützen. D. ist die Matrosen-Kajüte.

Taf. IV. ist ein Durchschnitt des Schiffes, wo man ebenfalls die Passagiere in ihren Cojen liegen sieht. E. ist der Raum, worin der Balast, die Proviant-, Fleisch- und Wasserfässer, das Gepäck der Passagiere sowie die Kaufmannsgüter untergebracht werden. Dieser Theil des Schiffes beträgt die Hälfte seiner Höhe, und ist, so tief es unter Wasser geht, mit Kupfer beschlagen.

Taf. IV.


(Bitte das Bild anklicken für eine größere Ansicht.)

Wahn und Ueberzeugung

Подняться наверх