Читать книгу Die Wahrheit ist immer anders - Friedrich von Bonin - Страница 11

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6.

Ich konnte mich mit dieser Schrift, die mich anklagte, nicht beschäftigen, nicht jetzt, deshalb flüchtete ich mich erneut in Erinnerungen.

Seit meiner frühesten Kindheit wurde ich eingedeckt mit Sprüchen der Ehrbarkeit und Frömmigkeit.

„Unrecht Gut gedeihet nicht“, war einer der Lieblingssprüche meines Vaters und „Ehrlich währt am längsten“ und viele andere Sprüche mehr. Er kannte unzählige davon, ich habe sie nicht alle im Kopf behalten.

Mein Großvater hatte mir eines Tages erklärt, dass es für ihn im Leben nicht immer leicht gewesen sei, das Gefühl für richtig und falsch zu bewahren.

„Ich wurde Kämmerer in dieser Stadt, als ich gerade zweiunddreißig Jahre alt war, der jüngste Kämmerer, den die Stadt je hatte. Ich war in der richtigen Partei, Zentrumspartei, ich hatte die richtige Ausbildung und kannte die richtigen Leute, und da wählten sie mich eben“, erzählte er. „Fünf Jahre hatte ich diesen Posten, dann wurden die Nazis gewählt, nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei nannten sie sich. Wenn ich meinen Posten behalten wollte, musste ich dort Mitglied werden. Weil ich innerlich nie an einer und schon gar nicht an meiner Partei gehangen hatte, wechselte ich. Fünf Jahre war ich noch Kämmerer unter ihrer Herrschaft und in der Partei. Das ging so lange gut, bis ich nach den fünf Jahren eines Nachmittags, es war am 30. Januar, dem Jahrestag der von ihnen so genannten Machtergreifung, die Stiefel vor meinem Fenster hörte. Ich wollte den Lärm erst nicht hören, ich wollte keine Probleme, zu sehr hatte ich gekämpft um diese Karriere, seit ich im ersten Nachkriegssommer mit meiner Schwester durch den Wald gegangen war.“

Die Wahrheit ist immer anders

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