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Der Ausgangspunkt

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Ein zentraler Begriff in diesem Vorschlag ist der des „Ausgangspunktes“, weshalb mit einer simplen Vorüberlegung begonnen werden sollte: Entscheidend für den Weg des Erkennens ist, wie bei anderen Wegen auch, der Ausgangspunkt, von dem aus ich starte. Erst wenn ich mir sicher bin, von wo ich losgehe, kann ich mit gutem Grund damit rechnen, mich nicht zu verlaufen. Ein guter Ausgangspunkt muss im Raum fest verankert und vor allem auch leicht erkennbar sein, damit ich mich auch unterwegs immer wieder an ihm orientieren kann. In einer fremden Stadt zum Beispiel taugen bekanntlich hohe Türme besser als geparkte Autos als Orientierungshilfen.

Marx wirft nun Hegel, den Junghegelianern und anderen vor, völlig ungeeignete |17|Ausgangspunkte für ihre Erkenntniswege gewählt zu haben. Diese Philosophen beginnen ihre Erkenntnisbemühungen nämlich mit Ideen. Von Ideen aber wissen wir, dass sie sich im Laufe der Zeit ständig wandeln und zudem schwer greifbar sind. So hat sich zum Beispiel die Vorstellung von „Freiheit“, „Gerechtigkeit“ oder „Vernunft“ im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder stark verändert, und auch heute versteht fast jeder etwas anderes darunter. Wenn wir uns also im Erkenntnisprozess von Ideen leiten lassen wollen, jedoch immer mit einer Vielzahl von in Entwicklung befindlichen Ideen konfrontiert sind und nicht alle Ideen gleichzeitig verfolgen können, müssen wir schon ganz am Anfang des Erkenntnisweges notgedrungen Entscheidungen treffen: Aus der Fülle der Ideen müssen jene ausgewählt werden, die aus irgendeinem Grund am plausibelsten oder sympathischsten erscheinen. Der Ausgangspunkt der Erkenntnis ist in diesem Fall eine willkürliche Setzung. Ein solcher willkürlich gesetzter ideeller Ausgangspunkt war Marx zufolge zum Beispiel der „Weltgeist“, den Hegel im Hintergrund individueller und gesellschaftlicher Entwicklungen immer am Werk sah. Für Marx war der Weltgeist nichts anderes als eine „Nebelbildung im Gehirn“, ein Niederschlag des tatsächlichen Lebensprozesses der Menschen. Im Bild des Weltgeists hat Hegel, so Marx, nur die jeweils fortschrittlichsten und faszinierendsten Entwicklungen seiner Zeit auf den Begriff gebracht: den aufgeklärten Absolutismus der preußischen Könige, die gegen den Feudalismus gerichtete Politik Napoleons, die bürgerlichen Reformen in einigen deutschen Staaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Welchen anderen Ausgangspunkt schlägt Marx vor? „Ganz im Gegensatz zur deutschen Philosophie, welche vom Himmel auf die Erde herabsteigt, wird hier [bei Marx, Verf.] von der Erde zum Himmel gestiegen. Das heißt, es wird nicht ausgegangen von dem, was die Menschen sagen, sich einbilden, sich vorstellen, auch nicht von den gesagten, gedachten, eingebildeten, vorgestellten Menschen, um davon aus bei den leibhaftigen Menschen anzukommen; es wird von den wirklich tätigen Menschen ausgegangen und aus ihrem wirklichen Lebensprozess auch die Entwicklung der ideologischen Reflexe und Echos dieses Lebensprozesses dargestellt.“7 Wer wirklich Erkenntnisse gewinnen will, der darf sich, so Marx, mit den vorgefundenen Bildern über die Realität nicht zufriedengeben. Er muss vielmehr bemüht sein, die in den Bildern gezeigten wirklichen Verhältnisse zu erfassen. Denn wer in seinem Bemühen um Erkenntnis nur Ideen beschreibt und kritisiert, der kann zwar die herrschenden Gedanken als „Phrasen“ entlarven, diesen Phrasen jedoch wiederum nichts anderes als andere Phrasen entgegenhalten. Konkret heißt das: Unfreiheit, Ungerechtigkeit und Unvernunft werden nicht durch die Proklamation von Freiheit, Gerechtigkeit und Vernunft überwunden, sondern nur durch deren Erkämpfung. Die idealistischen Philosophen vergessen, „dass sie |18|die wirkliche bestehende Welt keineswegs bekämpfen, wenn sie nur die Phrasen dieser Welt bekämpfen“8. Und an anderer Stelle schreibt Marx, diese idealistischen Philosophen hätten die Welt immer nur verschieden interpretiert, es komme aber darauf an, sie zu verändern.9

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