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„Geld entsteht im Kopf“

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Die Herkunft der Knappheiten interessiert bei dieser Rechtfertigungslehre genauso wenig wie die Herkunft der Bedürfnisse. Beide gelten einfach als gegeben, sie gehen angeblich als äußere Faktoren in das Marktsystem ein. Genau das aber ist der Knackpunkt. Denn Knappheiten sind nicht nur Resultat der äußeren Natur des Menschen, sondern auch der Verteilung der knappen Güter und der Verteilung der technischen und finanziellen Mittel, mit deren Hilfe die Knappheiten überwunden werden können, sind damit also das Ergebnis der gesamten vorausgegangenen wirtschaftlichen Entwicklung. Und Bedürfnisse sind, entgegen dem herrschenden Marktmodell, nicht nur Resultat der inneren Natur des Menschen, sondern auch der sozialen und kulturellen Entwicklung von Leitbildern der Lebensgestaltung. Dass Knappheiten und Bedürfnisse in hohem Maß nicht nur von wirtschaftlichen, sondern auch von Macht- und Herrschaftsverhältnissen bestimmt sind, darüber schweigt sich diese Form der Wirtschaftstheorie aus. Durch diese Weglassungen wird es dem herrschenden |30|Marktmodell möglich, den Eindruck zu erwecken, der Markt sorge angesichts wirtschaftlicher Herausforderungen immer für die beste aller denkbaren Lösungen, mit der herrschenden Wirtschaftsordnung sei also gewissermaßen der Stein der Weisen endgültig gefunden. Adam Smith, der Begründer dieses Denkens, sprach im 18. Jahrhundert von der einzigartigen Klugheit der „unsichtbaren Hand“ des Marktes.

Auch der Umstand, dass am Markt nur jene Bedürfnisse zur Kenntnis genommen werden, die mit einer entsprechenden Kaufkraft ausgestattet sind, welche selbst wiederum von einer Unzahl von Faktoren abhängig ist, wird im herrschenden Marktmodell kaum berücksichtigt. Die Markttheoretiker, sofern sie sich am Grundmodell orientieren, übergehen so die eigentlich triviale Erfahrung, dass die einmal Erfolgreichen in der nächsten Runde bereits weiter vorne starten können, die Erfolglosen von Runde zu Runde in aller Regel zurückfallen. Die Marktpraktiker haben dabei kein Problem damit, dass der Wettbewerb auf dem Markt oft genauso fair ist wie der Boxkampf zwischen einem jungen Mann und einem Greis.

„Geld entsteht im Kopf“ war vor einigen Jahren in einer Anzeige einer Investmentfirma zu lesen, die sich an „intelligente“ Investoren wandte.10 Diese Botschaft zielt auf den Kern der Rechtfertigungsstrategien der Reichen für ihren Reichtum: Es ist angeblich ihre Fähigkeit, kluge Lösungen für Knappheitsprobleme zu finden, der die Reichen ihren Reichtum verdanken. Im Umkehrschluss muss gefolgert werden, dass die Armut der Armen auf deren Unfähigkeit zurückgeht, etwas Nützliches zur Bewältigung von Knappheitsproblemen beizutragen. Der Unterschied zwischen der Knappheit an Wasserleitungen und der Knappheit an Luxuslimousinen ist in dieser Diagnose der Abstraktion zum Opfer gefallen.

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