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Das Geld als abstrakter Reichtum

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Geld wurde zunächst lange Zeit lediglich als Mittel für den Austausch von Waren verwendet. Die Menschen erkannten nämlich sehr schnell den Vorteil des Geldes. Es ist einfach leichter, wenn der Schuster, der eine neue Hose benötigt, nicht erst warten muss, dass er einen Schneider findet, der gerade neue Schuhe braucht, um sein Produkt gegen das des anderen tauschen zu können. Mithilfe des Geldes wird der Austauschprozess also beschleunigt: Jeder der Warenproduzenten tauscht seine Ware für Geld und kann sich anschließend alles kaufen, wofür das Geld reicht.

Geld ist allerdings eine Ware mit besonderen Verlockungen. Eine materialistisch-historische Analyse schaut sich diese im Geld objektiv enthaltenen Möglichkeiten genau an, um daraus die subjektive Nutzung dieser Möglichkeiten erklären zu können. Das Geld kann nicht nur den Wert der Ware sichtbar machen, indem er als Geldbetrag auf ein Preisschild geschrieben wird, und es kann nicht nur als Tauschmittel die Einlösung des Wertes erleichtern, sondern mithilfe des Geldes kann auch der Wert viel leichter aufbewahrt werden. Solange noch Salz oder Vieh die Funktion eines allgemeinen Tauschmittels hatte, war das Aufbewahren aus physikalischen oder biologischen Gründen nur sehr begrenzt möglich. Deshalb suchte man nach Dingen, die möglichst haltbar waren und die man leicht portionieren und transportieren konnte. Natürlich waren es Fürsten und Großkaufleute, die ein massives Interesse |37|daran hatten, dass möglichst auch Dinge, die ansonsten keinen Gebrauchswert hatten, als Tauschmittel anerkannt wurden. So entstand das Geld, das wir heute kennen: geprägte Münzen, bedruckte Scheine, elektronische Datenträger. Entscheidend ist aber, dass Geld nur als Maßstab, Tausch- und Aufbewahrungsmittel von Wert dienen kann, solange ihm zugetraut wird, dass die symbolischen Tauschwerte jederzeit gegen tatsächliche Gebrauchswerte, die Zahlen also gegen nützliche Dinge, eintauschbar sind.

Genau diese Möglichkeit der unbegrenzten Aufbewahrung, so die an den griechischen Philosophen Aristoteles anschließende Überlegung, verleitet den Geldbesitzer nun zur Schatzbildung. „Der Trieb der Schatzbildung ist von Natur maßlos. Qualitativ oder seiner Form nach ist das Geld schrankenlos, das heißt allgemeiner Repräsentant des stofflichen Reichtums, weil in jede Ware unmittelbar umsetzbar. Aber zugleich ist jede wirkliche Geldsumme quantitativ beschränkt, daher auch nur Kaufmittel von beschränkter Wirkung. Dieser Widerspruch zwischen der quantitativen Schranke und der qualitativen Schrankenlosigkeit des Geldes treibt den Schatzbildner stets zurück zur Sisyphusarbeit der Akkumulation. Es geht ihm wie dem Welteroberer, der mit jedem neuen Land nur eine neue Grenze erobert.“19 Der Schatzbildner hat aber ein doppeltes Problem: Einmal muss er seine Werte zunächst selbst erarbeiten, zum anderen muss er auf die Rückverwandlung des beim Verkauf seines Arbeitsprodukts erzielten Wertes in eine andere Ware verzichten. „Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Geiz bilden daher seine Kardinaltugenden, viel verkaufen, wenig kaufen, die Summe seiner politischen Ökonomie.“20 Wie kann der Geldbesitzer dieses doppelte Problem lösen? Er müsste, so Marx, auf dem Markt eine Ware finden, die beim Verbrauch ihren Wert nicht verliert, sondern behält, weil sie selbst Wert schaffen kann – sogar mehr, als sie kostet. Diese Ware ist die menschliche Arbeitskraft. Diese kann der Geldbesitzer aber nur kaufen, wenn sie frei verfügbar ist. Deshalb konnte sich die kapitalistische Warenproduktion erst entwickeln, als massenhaft Bauern, die auf dem Land wegen des dortigen Produktivitätsfortschritts überflüssig geworden waren und deshalb aus der Grundherrschaft entlassen wurden, ohne eigene Produktionsmittel in die Städte zogen und verzweifelt nach neuem Lebensunterhalt suchten. Diese Bauern waren, so formuliert Marx pointiert, „doppelt frei“: persönlich, weil sie keinem Grundherrn mehr verpflichtet waren, und sachlich, weil sie über keinerlei eigene Produktionsmittel verfügten.21

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