Читать книгу Wo Marx Recht hat - Fritz Reheis - Страница 12
Der Stoffwechsel
ОглавлениеAlles Leben beruht also auf einem grundlegenden „Stoffwechsel“ mit der Natur. Wie unterscheidet sich nun der Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur von dem der Pflanzen und Tiere? Alle drei Arten von Lebewesen entnehmen der Natur Energie, Nährstoffe etc. und lagern ihre diversen Ausscheidungen bei ihr wieder ab. Aber nur der Mensch tut dies Marx zufolge mit Bewusstsein. Bienen oder Spinnen, die ebenfalls komplizierte Tätigkeiten beherrschen und beachtliche Bauwerke errichten, deren technische Eigenschaften den Wunderwerken der menschlichen Baukunst teilweise sogar überlegen sind, haben ihren Bauplan nicht im Kopf, ehe sie zu bauen beginnen. Sie bauen einfach, gesteuert durch ihre Instinkte, drauflos. Nur der Mensch ist in der Lage, seine Mittel zum Leben zu „produzieren“, das heißt, sie mit Bewusstsein hervorzubringen.
Nun könnte der kritische Leser des 21. Jahrhunderts einwenden, die Frage, ob Tiere über Bewusstsein im menschlichen Sinn verfügen, sei nicht zu beantworten. Dennoch gibt es ein klares Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung von Tieren und Menschen, das heute sowohl evolutionstheoretisch als auch hirnphysiologisch gut begründet werden kann: Das Produzieren der |19|Menschen geht einher mit der Wahrnehmung des Verlaufs der Zeit, mit dem Blick zurück in die Vergangenheit, also der Reflexion, und nach vorne in die Zukunft, der Proflexion. Es ist das Zeitbewusstsein, das den Menschen befähigt, die Techniken, mit denen er tätig wird, ständig zu überprüfen und zu verbessern. Damit hängt zusammen, dass nur der Mensch seine Erfahrungen auch außerhalb seines Körpers speichern kann, auf Steintafeln, Papyrusrollen, Buchseiten und Festplatten. Das hat den großen Vorteil, dass die Korrektur von Erfahrungen nicht den Tod des Körpers oder gar der ganzen Spezies erfordert. Menschen müssen lediglich Bücher neu schreiben und Festplatten neu bespielen, wenn sie in ihrem Denken und in ihrer Praxis einen neuen Weg einschlagen wollen. Diese Fähigkeit hat den Menschen in seiner ein bis drei Millionen Jahre währenden Geschichte in die Lage versetzt, sich die Welt in beispielloser Weise untertan zu machen. Nur er konnte seine Werkzeuge, Technologien etc. ständig weiterentwickeln, und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit – Pflanzen und Tieren fehlt eine solche kulturelle Evolution.