Читать книгу Wo Marx Recht hat - Fritz Reheis - Страница 13
Das doppelte Verhältnis
ОглавлениеMarx präzisiert die „wirklichen Voraussetzungen“ von Wirtschaft und Gesellschaft, indem er vier Seiten beziehungsweise Verhältnisse der menschlichen Produktionstätigkeit festhält.11 Erstens bringt der Mensch sein eigenes materielles Leben hervor, das heißt, er befriedigt seine elementaren Bedürfnisse. Atmen, Trinken und Essen, Kleiden und Wohnen gehören auf alle Fälle zum Leben dazu. Zweitens führt die Befriedigung dieser elementaren Bedürfnisse zu neuen Bedürfnissen: nicht nur Wasser, sondern auch Wein zu trinken, nicht nur den Körper gegen die Kälte zu schützen, sondern ihn auch zu verzieren, nicht nur eine Höhle, sondern auch ein Haus zu bewohnen. Auch das Musizieren, Meditieren und Forschen gehören zu einem guten Leben. Drittens erzeugen die Menschen andere Menschen, bringen also soziale Verhältnisse zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern hervor. Sonst wäre es mit der Geschichte des Menschen schnell zu Ende gewesen.
An dieser Stelle weist Marx als vierte Seite auf etwas Entscheidendes hin, das ihn in seiner ganzen weiteren Analyse begleiten wird: Mit der Produktion des eigenen und des fremden Lebens, also der Fortpflanzung, die beide von Anfang der Menschheitsgeschichte an stattfinden, geht der Mensch immer schon ein doppeltes Verhältnis ein: einerseits ein natürliches, andererseits ein gesellschaftliches. Dieses doppelte Verhältnis entwickelt sich im Laufe der Menschheitsgeschichte in vielfältiger Hinsicht. Das zeigt sich zum einen in der Geschichte der Technik, die zwischen Mensch und Natur vermittelt, zum anderen in der der Arbeitsteilung, welche die Grundlage für das Verhältnis zwischen den Menschen ist. Aber Technik und Arbeitsteilung hängen auch untereinander eng zusammen. Wenn Fischer zum Beispiel früher große Netze |20|und schwere Boote einsetzen wollten, brauchten sie, ehe Motoren erfunden waren, viele Hände, die zogen und schoben, viele Menschen, die ihre Körperkräfte koordinieren mussten. Heute reicht, weil Arbeitsabläufe hochgradig spezialisiert und automatisiert sind, bisweilen ein einsamer Kontrollblick auf einen Computermonitor, um dem Meer tonnenweise Fisch abzutrotzen. Wer die Geschichte von Wirtschaft und Gesellschaft verstehen will, der muss, so das Marx’sche Erkenntnisprogramm, dieses doppelte Verhältnis präzise rekonstruieren.