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1. Kapitel WIR MACHEN DAS JETZT EINFACH

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 Dantes 1. Reiseland: Indonesien

 Dantes Alter: 7 Monate

 Sind wir der Herausforderung gewachsen?

36,4 Kilo?! Verstaut in einem großen Koffer, einer überdimensionalen Reisetasche und einem proppenvollen Rucksack. Plus Kinderbuggy, Reisebett, Maxi Cosi, Handgepäck und Winterjacken für zwei Erwachsene und ein Baby, ... Niedergeschlagen warf ich einen Blick auf die Gewichtsanzeige am Check-in-Schalter am Hamburger Flughafen und fühlte mich, als ob ich kläglich gescheitert wäre. Wir hatten uns fest vorgenommen, dass wir nur das Allernötigste für unsere Familienreise nach Bali mitnehmen wollten. Aber die Umsetzung dieses Vorhabens schien einfach unmöglich zu sein. Am liebsten hätte ich noch viel mehr eingepackt: weitere Bodys, Schlafsäcke, Moltontücher, kurze Strampler, lange Strampler und für den Fall, dass unsere fünf Flaschen Sonnencreme nicht ausreichen sollten, einen weiteren beachtlichen Vorrat. Ferner: eine Extrapackung Wundcreme, Feuchttücher, Zäpfchen, ... Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich sogar für die kommenden Wochen Babybrei vorgekocht und mit auf die indonesische Insel der Götter geschleppt.

Mein Mann Lars gab nur ein gestöhntes »Puh« von sich. »Da werden wir ja einiges schleppen müssen.« Unsere Stimmung war am Tiefpunkt – und sie sollte noch tiefer in den Keller sinken.

Der Einzige, der blendende Laune hatte, war mein siebenmonatiger Sohn. Freudig aufgeregt zappelte Dante in der Trage vor meiner Brust und schien den Beginn seines großen Abenteuers kaum abwarten zu können. Unsere erste Reise zu dritt. Eine individuelle Koffer-Tasche-Rucksack-Reise durch Bali und Lombok.

Mein Mann und ich hatten uns entschieden, einen Teil unserer gemeinsamen Elternzeit in der Ferne zu verbringen. Wir wollten dem nassgrauen Winter entfliehen und die Auszeit unter Palmen genießen. Die zwei indonesischen Inseln Bali und Lombok schienen uns für dieses Vorhaben perfekt zu sein. Exotisch genug, um den routinierten, getakteten Alltag mit Milchfläschchen, PEKiP-Kursen, Brei kochen, Babymassagen, überquellenden Waschmaschinen und stundenlangen Spaziergängen mit einem sperrigen Kinderwagen für eine Weile zu vergessen. Und doch mit einigen Vorteilen der westlichen Welt ausgestattet – wie luxuriösen Krankenhäusern mit englischsprachigen Kinderärzten, gut sortierten Supermärkten mit einem vielfältigen Windelangebot und durchaus akzeptablen hygienischen Zuständen. Zudem kannte ich Bali, da ich vor meinem Mutterdasein bereits zweimal dort gewesen war. Dementsprechend konnte ich einigermaßen einschätzen, was uns erwarten würde. Lars und ich waren uns einig: Wir machen das jetzt einfach! Das wird ein unvergessliches Abenteuer.

Doch die nähere Umgebung war hinsichtlich unserer Reisepläne weniger euphorisch. »Seid ihr euch wirklich sicher, dass ihr all die Strapazen und den Stress auf euch nehmen wollt, nur um in der Sonne zu liegen?« »Das ist viel zu anstrengend!« »In die Tropen mit Baby? Das ist doch gefährlich!« »Das Baby wird auf dem Flug sicherlich ununterbrochen schreien. Von Hamburg bis Jakarta.«

Zugegeben. Wir waren uns nicht mehr ganz so sicher. Sollten wir das wirklich durchziehen? Waren wir der Herausforderung, mit einem kleinen Geschöpf in unbekannte Gefilde zu reisen, wirklich gewachsen? Wie sollten wir den Flug überstehen? Was sollte unser Sohn essen? Wie würde er mit dem Jetlag klarkommen? Und überhaupt, was würden wir machen, wenn ...? Fragen über Fragen kreisten nachts unentwegt durch meinen Kopf. Denn beide Omas und die vielen, vielen Besserwisser hatten mich mit ihren Gegenargumenten ordentlich ins Wanken gebracht. Dennoch hielten wir an unserem Entschluss fest. Wir wollten unserer Familie ein besonderes Geschenk machen: Die Elternzeit im balinesischen Paradies verbringen, weit weg von unserem minutiös geplanten Alltag in den gewohnten vier Wänden.

Noch heute, etwa vier Jahre später, kann ich mich an meine zitternden Beine von damals erinnern, als ich das Flugzeug betrat. Ich tat mich schwer damit, die Kontrolle abzugeben und nicht zu wissen, was uns alles erwarten würde. Nur gleichmäßig weiteratmen, versuchte ich mich zu beruhigen. Doch dieses beklemmende Gefühl in meiner Brust wurde immer heftiger und heftiger. Mein Puls pochte gewaltig gegen meine Schläfen. Hoffentlich würde ich nicht gleich von einer Panikattacke übermannt. Krampfhaft versuchte ich, ruhig weiterzuatmen. ›Hatte ich wirklich an alles gedacht?‹, grübelte ich. Wie gut, dass ich zu jenem Zeitpunkt nicht wusste, dass ich tatsächlich die Feuchttücher in meinem übergroßen Handgepäck vergessen hatte, ansonsten wäre ich mit großer Wahrscheinlichkeit schreiend umgekehrt und nicht mehr zurückgekommen.

Eine Flugbegleiterin zerstreute meine karussellfahrenden Gedanken. Sie lächelte mich freundlich an, und beim Vorbeigehen kniff sie Dante liebevoll in sein kleines, zartes Füßchen. Sofort fing er an, vor Freude laut zu quieken. Er strahlte übers ganze Gesicht, und seine Wangen färbten sich verdächtig rot, als ob er sich gerade verliebt hätte. Ich musste schmunzeln. Kurz nachdem wir unseren Sitzplatz erreicht hatten, kam die Flugbegleiterin herbeigeeilt, reichte mir einen Loop Belt, mit dem ich meinen kleinen Reisebegleiter auf dem Schoß anschnallen konnte, und überschüttete meinen Sohn mit Geschenken. Dante war ganz aus dem Häuschen, biss sofort in seinen neuen flauschigen Spielgefährten hinein und inspizierte freudestrahlend die ungewohnte Umgebung.

Meine anfängliche Aufregung legte sich tatsächlich. Irgendwo über den Wolken, zwischen dem trauten Heim und dem fernen Indonesien, war sie unbemerkt von mir abgefallen. Als wir dann auf Bali aus dem Flieger stiegen, konnte ich es kaum glauben. Wir hatten es gewagt. Trotz großer Müdigkeit – einem latenten Zustand, den ich von zu Hause her gut kannte – fühlte ich mich lebendig und voller Adrenalin. Vor uns lag eine intensive Familienzeit mitten in den Tropen, umgeben von meterhohen Palmen, hinduistischen Tempeln, blühenden Frangipani-Bäumen, brausenden Meereswellen und malerischen Reisfeldern. Einen besseren Ort hätten wir uns für unser erstes großes Reiseabenteuer als Familie nicht aussuchen können. Lars sah es genauso – und Dante sowieso. Er hatte den Großteil des Fluges mit Schlafen verbracht und war jetzt bereit, endlich ein wenig Reise-Action zu erleben.

Wenn ich groß bin, werd' ich auch ein Machu Picchu

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