Читать книгу ChessPlanet - Edahcor's Geheimnis - Gabriella Gruber - Страница 12

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RENKO

Ring, Ring!

Warum klingelt dieser nervtötende Wecker eigentlich immer dann, wenn ich mich nochmal umdrehen wollte?

Mit geschlossenen Augen strecke ich meine Hand aus und drücke auf den schwarzen Knopf, der ihn normalerweise auch zum Schweigen bringt. Nur heute nicht.

»Renko, stell mal diesen Wecker ab!«

»Ich gebe mir Mühe«, antworte ich.

»Aber das reicht nicht«, kontert meine Schwester.

Ehe ich den Wecker an die Wand werfen kann, klettert sie die Leiter unseres Doppelstockbettes runter und drückt elegant auf den schwarzen Knopf, der diesem quälenden Weckgeräusch augenblicklich ein Ende setzt.

Endlich kann ich klar denken! »Welcher Tag ist heute?«, frage ich Ivy, die kleine Nervensäge, die lachend im Zimmer herumtanzt und als Antwort »Dienstaaag« singt.

Ich setze mich auf, strecke mich und gähne, erschrecke aber, als ich die Uhrzeit wahrnehme.

»Wer zuerst im Bad ist!«, rufe ich Ivy zu und sprinte ins Bad.

Meine Schwester beschwert sich lautstark, aber ich lache nur und sperre die Tür ab.

»Man Renko, ich muss Pipi!«, nörgelt sie.

»Gedulde dich noch fünf Minuten, dann kannst du rein.«

Ivy seufzt. »Na gut«, gibt sie zu meinem Erstaunen nach.

Ich ziehe mich um, führe meine Morgenwäsche aus, schmiere ein ganz kleines bisschen Gel in meine blonden Haare und verlasse dann das Bad. Auf dem Flur werde ich fast von Ivy überrollt, die auf die Toilette rennt und kreischt, dass ich die Tür schließen soll. Ich lache.

Ohne Frühstück verlasse ich mit meiner gepackten Schultasche das Haus. Mein Weg führt mich über die große weiße Grenzlinie aus Marmor, die unsere Neu- und Altstadt voneinander trennt. Auf dem Marktplatz der Altstadt ist zu dieser Zeit wenig los, die meisten der schnuckeligen Läden haben noch geschlossen.

Die Glocken des Direktorenhauses schrecken mich auf, als hätte mich jemand bei einem Verbrechen erwischt. Noch über die braune Holzbrücke, über die ich den Hälftefluss überquere, folgen mir die Klänge. Am anderen Ufer haste ich weiter die weiße Grenzlinie entlang.

Vollkommen aus der Puste bleibe ich schließlich vor unserer Schule stehen. Beim Anblick des Schulgebäudes muss ich immer an ein Jenga-Spiel denken, denn es besteht aus sechs großen abwechselnd rot und grau gestrichenen Blöcken, die versetzt aufeinander gebaut sind. Jeder dieser rechteckigen Blöcke besitzt zwei Stockwerke und pro Etage sind jeweils die Klassenräume für einen Jahrgang untergebracht.

Unser Treffpunkt ist dagegen weniger spektakulär, genauer gesagt eine kleine Baumgruppe direkt neben dem Eingang. Dort stehen auch bereits Anyta und Emilian. Als sie mich sehen und mir zu winken, muss ich automatisch grinsen.

»Und? Bereit für die Schule?«, frage ich, als ich bei ihnen ankomme.

»Danach gehen wir schnell Jana gratulieren?«, reagiert Anyta mit einer Gegenfrage.

Emilian nickt. »Ja, sie hat heute Morgen noch geschlafen, als ich ihr meine Glückwünsche überbringen wollte. Sie hatte gestern Spätschicht beim Kaufhaus.«

Ich will gerade etwas sagen, da kommt die schwarze Gang in mein Sichtfeld. Justin und seine unausstehlichen Freunde sind allesamt schwarzhaarig und sehr von sich überzeugt. Daher nennen wir sie auch »die schwarze Gang«. Justin legt viel Wert auf sein Äußeres, gelt seine Haare, die ihm bis zum Nacken reichen, und prahlt mit seinen Muskeln. Auf sein Geschwätz kann man umso weniger geben. Meistens ergibt es keinen Sinn oder er provoziert nur.

»Oh nein, nicht die!«, flüstert Anyta entsetzt.

Ich registriere sofort, dass sie nicht auf dem Weg zum Schuleingang sind, sondern uns fixieren.

»Was wollen die?«, fragt Emilian angespannt.

»Keine Ahnung«, sage ich ratlos.

»Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch zum Eingang.«

Mit schnellen Schritten nähern wir uns der großen Eingangstür. Die schwarze Gang ist uns dabei dicht auf den Fersen. Meine Hand liegt schon auf der Klinke, als sich Astrid zwischen mich und den Eingang schiebt.

»Nicht so schnell, ihr Drei«, sagt eine Stimme von weiter hinten. Ich sehe direkt in Justins arrogantes Gesicht. Er grinst breit, greift eine von Anytas braunen Haarsträhnen und zieht sie zu sich. »Na, Kleine? Heute schon mit deinen Freunden abgehangen?«

Anyta befreit sich stürmisch. »Ich bin nicht deine Kleine, lasst uns in Ruhe!«

Sein überhebliches Lachen durchschneidet die Luft. »Ja, ja, Befehle erteilen sie mir alle, aber am Schluss mach ich doch, was ich will.«

Jetzt reicht es und ich stelle mich vor meine beste Freundin. »Lass es, Anyta, er ist es nicht wert.«

»Was hast du eigentlich für ein Problem, Justin?«, mischt sich endlich auch Emilian ein.

»Habe ich ein Problem? Wäre ganz was Neues für mich.«

Ich spüre, wie sich Emilian zusammenreißt, und gehe dazwischen. »Es reicht, wir müssen jetzt zum Unterricht.«

Grinsend macht die schwarze Gang den Weg frei. Ihr Anführer kann es nicht lassen und ruft uns noch hinterher: »Ja, geht nur, ihr wollt ja schließlich was lernen. Auf wiedersehen, meine Kleine!«

Als die drei nicht mehr in Reichweite sind, frage ich, was das denn eben war.

»Ich habe so das dumpfe Gefühl, dass nicht nur Julius ein Auge auf Anyta geworfen hat, sondern auch Justin.« Emilian scheint ernsthaft beunruhigt.

»Was? Auf mich?«, fragt Anyta überrascht.

Emilian nickt. »Kennst du noch eine andere Anyta? Noch dazu eine, die er als seine Kleine bezeichnet?«

Anyta zuckt angespannt mit den Schultern.

»Das dachte ich mir! Wir werden ihn wohl noch eine Weile im Auge behalten müssen.« Emilian grinst mich an und sorgt damit für eine Gänsehaut.

Wir schlendern über den beigen geschliffenen Marmor, der sich nach der Reinigung am Nachmittag perfekt als Schlittschuhbahn eignet. Leider ist das aber verboten. Unser Ziel ist der silberne Aufzug am Ende des Gangs. Wer geht denn schon freiwillig über die Treppe bis zum zehnten Stock?

Ich denke an Justin und den Vorfall von gerade eben. Eifersucht. Wut. Angst. Gefühlschaos wegen Justin, diesem Idioten. Ich liebe Anyta. Schon lange bevor Justin und Julius sie überhaupt erst richtig wahrgenommen haben. Und jetzt sind sie da, ernstzunehmende Konkurrenten, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Ich muss mir dringend etwas einfallen lassen, um Anytas Herz für mich zu gewinnen.

Im Fahrstuhl mustere ich Anyta verstohlen, während sie direkt vor mir steht und ihren Blick auf die Pinnwand des Aufzugs richtet, auf der die Lehrer uns Hinweise zum Schulalltag hinterlassen. Immer, wenn ich Anyta sehe, spüre ich ganz intensiv meinen Herzschlag. Ein Blick ihrer blauen Augen lässt mich alles um mich herum vergessen. Sie ist nicht nur optisch mein Typ, sondern charakterlich mein Zwilling. Mit niemandem bin ich so auf einer Wellenlänge wie mit ihr. Ich kann meinen Blick nicht von ihren schlanken Beinen wenden, deren helle Haut mit dem dunkelblauen Rock kontrastiert. Sie kann schneller laufen als jede andere unseres Jahrgangs. Darum beneide ich sie oft. Gerade beim Fußballspielen wäre das sehr praktisch.

Emilian schaut gedankenverloren auf die Anzeige über der Tür des Aufzugs. Er lässt sich nicht mal vom Schulgong aus der Ruhe bringen, der fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn das erste Mal läutet und im Aufzug immer lauter ist als auf den Gängen.

»Anyta an Emil, bist du da?«, zieht Anyta ihn auf.

Ich grinse sie an und sie strahlt mit ihrem bezaubernden Lächeln zurück, während Emilian nur mit den Augen rollt.

Bing!

Die Aufzugtüren öffnen sich im siebten Stock. Wir machen Platz für die, die zusteigen. Unter ihnen ist auch ein Junge mit schwarzen gekräuselten Haaren und dunkelblauem Shirt mit der Aufschrift »Kein Stress, bin doch nur ich«. Trotz seiner dunkelbraunen Haut ist nicht zu übersehen, dass er hochrot angelaufen ist. Er lehnt sich an die Aufzugswand und ringt nach Atem.

»Samuel, wo kommst du denn plötzlich her?«, fragt Emilian überrascht.

Ein Lächeln huscht über Samuels Lippen. »Alle sagen immer, dass man nicht zu Fuß bis in den zwölften Stock gehen kann und ich wollte das einfach mal testen.«

»Dann gehe ich mal davon aus, dass es wirklich nicht geht«, schlussfolgert Anyta.

Samuel nickt langsam. »So sieht's aus.« Er ist kein bisschen frustriert, weil er es nicht geschafft hat.

Ich dagegen hätte mich diese fünf Stockwerke einfach auch noch hochgekämpft, wenn ich schon einmal so weit gekommen wäre. Aber wir müssen ja zum Glück sowieso nur in die zehnte Etage.

»Talika hat mir mal erzählt, dass es Julius bis zum elften Stock geschafft hat«, bemerkt Anyta nach kurzem Schweigen.

»Ja, Julius! Wenn es einen Supersportler bei uns gibt, dann ihn. Mit ihm messe ich mich nicht und außerdem ist er älter als ich und geht in die Elfte.«

»Heute kann man ihn nicht aus der Ruhe bringen«, flüstere ich Anyta zu, die nickt und grinst.

»Ja, an manchen Tagen ist sowas wirklich unmöglich«, antwortet sie laut.

»Was? Flüstert ihr etwa über mich?«

Anyta schüttelt ihren Kopf, sodass ihr wieder dunkelbraune Strähnen ins Gesicht fallen. »Niemals, bist doch nur du.«

Samuel versteht die Anspielung und lacht laut auf, während wir gemeinsam den Aufzug im zehnten Stock verlassen.

Zu viert betreten wir das Klassenzimmer. Anyta fällt Talika, ihrer besten Freundin, um den Hals und die beiden tauschen auf dem Weg zu ihren Plätzen Neuigkeiten aus. Von meinem Sitzplatz kann ich Anyta unbemerkt beobachten. Emilian neben mir kann problemlos an ihr vorbeisehen, da er viel größer ist als sie. Auch ein Grund, warum wir weiter hinten sitzen. Unsere Plätze sind am Fenster, was ich besonders toll finde. Ich kann bis zum Direktorenhaus sehen und die Landschaft genießen, wenn mir während des Unterrichts langweilig ist.

Ich packe meine Stifte und einen Block aus meinem Rucksack und will etwas zu Emilian sagen, als unsere Mathelehrerin ins Zimmer kommt. Frau Klarkson hat ihre blonden Haare heute hochgesteckt und trägt ihre übliche Lehreruniform. Auf die dunkelblaue Bluse ist unser Schullogo gedruckt: Ein großes, weißes »E« in einem Kreis. Das Symbol steht für unsere Welt Edahcor.

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