Читать книгу ChessPlanet - Edahcor's Geheimnis - Gabriella Gruber - Страница 28

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EMILIAN

Endlich sind wir im oberen Stockwerk angekommen. Mir kam die Zeit, in der wir die vielen Stufen erklommen haben, wie eine Ewigkeit vor, aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Minuten. Mein Kopf übertreibt gern.

»Setzt euch doch«, fordert uns Herr Kerkov auf.

Das lasse ich mir nach dem langen Treppensteigen nicht zweimal sagen und sitze auch schon auf dem Sofa, das im Kreis um einen kleinen Glastisch mit Holzfuß steht.

Meine Mutter setzt sich neben mich und schaut sich anerkennend im Raum um. »Schön ist es hier, Herr Kerkov.«

»Ja, nicht wahr?«

»Obwohl ich schon so lange für Sie arbeite, hatte ich nie die Ehre, einmal einen Besuch in Ihrem Zuhause machen zu dürfen«, fügt meine Mutter hinzu.

Ich schaue mir unseren Direktor genauer an. Dass wir ihn ausschließlich mit seinem Nachnamen ansprechen, liegt einzig daran, dass er der Direktor ist. Er selbst redet uns mit unseren Vornamen an und duzt uns, was mich ein wenig stört. Es wirkt, als wären wir befreundet, dabei kommen wir nie über ein kurzes Gespräch hinaus.

Die Regierung, bestehend aus ihm und dem Rat, haben wir vor ein paar Jahren gewählt. Meine Mutter ist ebenfalls ein Ratsmitglied. Einer der Gründe, warum wir jetzt hier sitzen.

Herr Kerkov lächelt meine Mutter an. »Natürlich warst du noch nie hier. Ich habe bis jetzt auch noch nie jemanden privat zu mir eingeladen.«

Ich schlucke. Warum bringt er uns in sein privates Zimmer? Mir schießt der Gedanke durch den Kopf, Herr Kerkov könnte Gefallen an meiner Mutter finden, aber ich verwerfe ihn gleich wieder. Dann würde er sie doch bestimmt alleine zu sich einladen und nicht extra nach mir verlangen, oder?

»Oh«, sagt meine Mutter überrascht. »Und was verschafft uns nun diese Ehre?«

»Aktuell sind Umbauarbeiten im Regierungsgebäude. Nur für einen Tag, aber unser Gespräch hier kann ich nicht nochmal um einen Tag verschieben. Es ist schließlich wichtig.« Er unterbricht sich und hustet plötzlich heftig.

Meine Mutter ist schon im Begriff aufzuspringen, doch Herr Kerkov beschwichtigt sie mit einer Geste. »Alles gut«, presst er hervor. Er räuspert sich und setzt kurz darauf wieder sein markantes Grinsen auf, als wäre gar nichts gewesen.

»Also, unser erstes und wichtigstes Thema ist das Sommerfest. Der Rat ist aktuell mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt, daher habe ich vorgeschlagen, mit euch alles Weitere zu regeln. Ich fände es gut, wenn ein paar Beauftragte ein Kuchenbuffet verwalten würden. Meinst du, Emilian, dass du eine Liste von deiner Schule machen kannst, wer Kuchen bereitstellen würde?«

»Natürlich«, sage ich voller Freude.

»Perfekt.«

Und das war es auch schon wieder mit seiner Aufmerksamkeit mir gegenüber. Ab da unterhält er sich nur mit meiner Mutter über Organisatorisches, das mit der Zeit richtig langweilig wird. Mich wundert es insgeheim, dass er das Gespräch nur mit uns führt und nicht mit dem vollständigen dreizehnköpfigen Rat, der eigentlich die Entscheidungen für das Sommerfest trifft. Mit welchen anderen Themen ist der Rat denn derzeit beschäftigt, wenn die Priorität des Sommerfests in den Hintergrund rutscht? Doch ich traue mich nicht, ihn das zu fragen. Ich sehe es zwar als Privileg, bei diesem Gespräch dabei sein zu dürfen, aber wenn er mich wie Luft behandelt, warum lädt er mich dann überhaupt ein? Hätte er das Kuchenbuffet nicht mit unserem Schuldirektor besprechen können?

Kein Zweifel, es muss noch einen anderen Grund für meine Anwesenheit geben. Nur welchen?

Meine Mutter versucht immer wieder, mich einzubeziehen, doch Kerkov kommt meinen Antworten jedes Mal zuvor.

Ich beschließe, es auf mich zukommen zu lassen. Mir jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, kostet mich nur Energie. Mit meiner Mutter kann ich nachher immer noch darüber diskutieren. Oder wir erfahren vorher, was der Grund meiner Anwesenheit ist.

Während die beiden sich noch über ein weiteres Detail des Festes unterhalten, schweift mein Blick erneut durch das Zimmer. Anders als in der Eingangshalle gibt es hier kein schwarz-weißes Muster. Vielleicht sollte ich unseren Direktor mal danach fragen? Immerhin hat er dieses Muster als Bodenfliesen in seinem Haus. Aber ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend hält mich davon ab.

Und dieser Spiegel ... Wen ich da gesehen habe, geht mir nach wie vor nicht aus dem Kopf. War ich das? Oder doch jemand anderes? Aber wer, wenn doch ich in den Spiegel gesehen habe?

Unvermittelt steht Herr Kerkov auf, begibt sich zu einem Schrank, öffnet eine Schublade, holt etwas heraus und kommt zurück.

Voller Vorfreude hält er uns zwei schwarze Augenbinden entgegen. »Jetzt möchte ich euch etwas zeigen.«

Seine Reaktion hat mich genauso überrascht wie das, was er eben gesagt hat. Was um alles in der Welt könnte er uns zeigen wollen? Mir ist gar nicht wohl dabei.

»Gern«, willigt meine Mutter ein und auch ich nicke. Was bleibt mir anderes übrig? Schreiend aus dem dritten Stock des Direktorenhauses zu springen, ist jedenfalls keine Option.

»Keine Sorge, das ist nur eine Sicherheitsmaßnahme.«

Die Augenbinden sind aus einem leichten Stoff und liegen angenehm weich auf der Haut. Dennoch wird mir unwohl, als ich sie aufsetze. Rein theoretisch könnte er jetzt alles Mögliche mit uns anstellen, aber obwohl ich vor Unsicherheit schreien möchte, vertraue ich ihm.

Wohin er uns nun an den Händen führt, hört und fühlt sich an wie ein Aufzug. Ein leises Piepen in unterschiedlichen Tonhöhen signalisiert, dass er auf irgendwelche Tasten drückt.

Dann gibt der Boden unter meinen Füßen nach und ich drücke die Hand meiner Mutter fester.

Mir wird schwindelig.

Bin ich jetzt erneut in einer Vision, wie bei dem Schachspiel? Ich glaube, mir wird übel. Ich fühle mich, als würde ich in der Luft schweben. Kann ich etwa fliegen? Ich fühle mich so schwerelos wie unter Wasser.

Nach ein paar Sekunden bleibt der Fahrstuhl abrupt stehen und ich komme mir vor wie ein schwerer Stein, der auf den Boden geworfen wird. Wie weit unten sind wir jetzt? Was geht hier vor?

»Und weiter geht’s«, schneidet die Stimme des Direktors durch meine Fragen und er greift erneut nach meiner Hand.

Mein Magen rebelliert laut, doch das scheint Herrn Kerkov nicht zu stören. Ich könnte auch einfach meine Augenbinde abnehmen oder an ihr vorbei in meine Umgebung spähen, doch mich lähmt die Angst, bei etwas Verbotenem entdeckt zu werden.

Wir müssen zwischendrin immer wieder anhalten, denn es hört sich an, als würde unser Direktor irgendwelche Schlösser knacken, um die Türen aufzubekommen. Ich bin wackelig auf den Beinen, aber zähle stumm die Anzahl der Durchgänge mit.

Nachdem wir die zehnte Tür hinter uns gelassen haben, lässt er uns die Augenbinden abnehmen. Langsam streife ich sie mir über den Kopf und öffne erst dann vollständig meine Augen.

Aber ... was ist das?

Wir befinden uns auf einem Felsvorsprung in einer Art Höhle. Zögerlich wage ich mich auf dem glatten Stein etwas weiter und mir bleibt das Herz stehen!

»Emilian? Weißt du, was das ist?«, fragt mich meine Mutter atemlos. Ihre schwarzen Locken zittern vor Aufregung auf ihrem Kopf umher.

»Ich glaube, ich weiß es.«

Der Name dieses Ortes kreist die ganze Zeit in meinem Kopf herum. Er war zwar Thema in der Schule, aber wo er zu finden ist und was sich dahinter tatsächlich verbirgt, haben wir nie erfahren.

Dann spricht es Herr Kerkov selbst aus. »Willkommen im Lebensgrund! Der Ort, an dem alle unsere Rohstoffe angebaut, geerntet und verarbeitet werden!«

Während meine Mutter und ich wie angewurzelt dastehen und uns umschauen, schreitet Herr Kerkov eine in den Felsen gehauene Treppe nach unten.

Wie oft habe ich mir gewünscht, diesen Ort einmal sehen zu können! Warum wird er nur so geheim gehalten? Langsam lösen wir uns aus unserer Starre und folgen Herrn Kerkov.

Überwältigt fahre ich mit der Hand über das dunkelbraune Gestein, aus dem hier alles besteht. Es ist warm wie eine lauwarme Herdplatte.

Vor uns erstreckt sich ein großer Garten, mit allen möglichen Pflanzen und Bäumen. Ich erkenne Apfelbäume und daneben viele Tomatensorten. Alles, was wir haben und essen, wird hier angebaut. Doch ich entdecke auch Pflanzen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Unglaublich!

Endlich habe ich meine Stimme wieder gefunden. »Wie kann es sein, dass all diese Pflanzen hier wachsen? So tief unter der Erde, so ganz ohne Sonnenlicht und Sauerstoff?«

»Wie wir das ganze geregelt haben, halten wir streng geheim.«

Wir schleichen weiter nach unten und an den Beeten steigt mir der Geruch von frischen Erdbeeren in die Nase. Jetzt sehe ich sogar Gewächshäuser, die von den Felsen, von denen wir kommen, verdeckt wurden. In diesen wachsen Gurken, Tomaten, Zucchini, Obergienen und anderes Gemüse, das wir fast täglich auf unserem Speiseplan haben.

An einer großen silbernen Tür dreht der Direktor den Griff nach links und schon öffnet sich der Durchgang. Wir gehen weiter und kommen in einer Kammer an, in der aufgeregt einige Menschen hin und her springen und Maschinen bedienen.

»Was tun die da?«, fragt meine Mutter.

»Streng vertraulich.«

»Und warum werden wir dann von Ihnen hier runtergebracht, wenn wir sowieso nicht wissen dürfen, was hier passiert?«

Herr Kerkov geht nicht auf meine Frage ein, stattdessen führt er uns zu einer weiteren Tür.

Ich sehe mir die Maschinen nochmal genauer an. Sie erstellen merkwürdige Gegenstände. Mit etwas Fantasie glaube ich, eine Art Hammer zu erkennen und ein weiteres Objekt sieht aus wie ein riesiges Messer.

Neben den großen Maschinen, die ohne Pause arbeiten, sitzt ein junges Mädchen mit mahagoniroten Haaren an einem schlichten Holztisch. Mit einem Bleistift bearbeitet sie einen Zettel.

Mir läuft ein Schauer über den Rücken - sie kommt mir so bekannt vor.

»Wer ist das?«, frage ich.

»Wer?«, fragt meine Mutter.

Ich deute mit dem Finger in die Richtung des Mädchens.

»Ich sehe niemanden, da ist nur ein Tisch.«

Ich starre meine Mutter verwirrt an.

»Da ist niemand, kommt weiter«, drängt Herr Kerkov, scheinbar gelassen. Doch seine Augen erzählen etwas anderes.

Wie kann es sein, dass niemand dieses Mädchen sieht?

Ich sehe wieder zu ihr hoch, gerade rechtzeitig, denn auch sie dreht sich um und sieht mich überrascht an.

Bilde ich mir das doch alles nur ein?

Selbst auf diese Entfernung erkenne ich die grauen Augen wieder, die mich am See so geheimnisvoll fixiert haben.

Wer ist sie?

Erneut überkommt mich Schwindel und der Boden gibt nach. Doch ehe ich auf dem Grund ankomme, wird alles schwarz um mich herum.

ChessPlanet - Edahcor's Geheimnis

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